Deutschland: Änderung des Einwanderungssystems
Sa., 22. Okt. 2022

Berlin — Deutschlands Regierungskoalition hat die Eckpfeiler für eine Änderung des Einwanderungssystems gesetzt, um das Land für qualifizierte Arbeitskräfte attraktiver zu machen und Hunderttausende von freien Stellen auf dem Arbeitsmarkt zu besetzen, sagte eine Regierungsquelle am Freitag gegenüber Reuters.
Zu den Reformen gehört die Einführung einer so genannten “Chancenkarte”, die nach einem Punktesystem zur Arbeitssuche in Deutschland berechtigt, wobei Sprachkenntnisse, Berufserfahrung und ein Bezug zu Deutschland zu den Kriterien gehören, so die Quelle.
Die deutschen Innen- und Arbeitsminister wollen Europas größte Volkswirtschaft zu einem Einwanderungsland machen, da der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften angesichts der alternden Bevölkerung steigt, die eine demografische Zeitbombe für Deutschlands öffentliches Rentensystem und ein Risiko für das Wirtschaftswachstum darstellt.
“Deutschland braucht qualifizierte Fachkräfte, um wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben”, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil am Freitag.
Eine Studie des Arbeitsministeriums geht davon aus, dass die Lücke zwischen Bedarf und Angebot an Fachkräften bis 2026 auf rund 240.000 Personen anwachsen wird.
Das Kabinett werde bis Mitte November über diese Eckpunkte entscheiden und ein Gesetzesentwurf sei im ersten Quartal nächsten Jahres zu erwarten, so die Quelle.
Zu den geplanten Reformen gehören die Erleichterung der Anerkennung von Qualifikationen von Ausländern, die Erlangung längerfristiger Aufenthaltsgenehmigungen bei der Einstellung und die Beseitigung von Hindernissen für die langfristige Anwerbung von Spitzenakademikern.
So sollen beispielsweise Personen, die für einen Sprachkurs nach Deutschland gekommen sind, bis zu 20 Stunden pro Woche in Teilzeit arbeiten können und die Mindestlöhne für die Erteilung der EU-weiten Blue Card als Arbeitserlaubnis für Hochschulabsolventen oder beruflich Qualifizierte sollen gesenkt werden.
Die Vorrangprüfung für die Einreise von Ausländern zur Aufnahme einer Ausbildung wird abgeschafft, d.h. eine Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit, dass kein deutscher Bewerber durch einen Ausländer für die Stelle verdrängt wird, ist nicht mehr erforderlich.
Qualifizierte Nicht-EU-Bürger sollen auch ohne vorherige formale Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse nach Deutschland einreisen können.
Berlin erwägt sogar eine “bedingte und begrenzte Einreise unabhängig von der Qualifikation” für den Fall eines akuten Arbeitskräftemangels in bestimmten Branchen.
Im Ausland wird Deutschland sein Angebot an Sprachkursen und ‑prüfungen ausbauen und gleichzeitig prüfen, wie diese erschwinglicher werden können. Auch das Angebot an Berufsausbildungsprogrammen mit integriertem Deutschunterricht soll ausgebaut werden, insbesondere im Pflegebereich.