Deutschland: Jugendliche machen sich mehr Sorgen um Krieg und Klimawandel als um COVID
Mi., 14. Sept. 2022

Berlin — Nach mehr als zwei Jahren COVID-Pandemie und sechs Monaten Krieg in der Ukraine stellt sich die Frage, wie junge Menschen in Deutschland mit den aktuellen Herausforderungen der Welt umgehen. Es zeigt sich, dass Krieg und Klimawandel zu den größten Sorgen der Kinder und Jugendlichen in Deutschland gehören. Über COVID machen sie sich dagegen weniger Sorgen.
Das sind die zentralen Ergebnisse der repräsentativen Umfrage “Einstellungen und Sorgen der jüngeren Generation in Deutschland”, die das Forschungsinstitut IPSOS im Auftrag des Liz Mohn Zentrums der Bertelsmann Stiftung durchgeführt hat.
Die Umfrage wird anlässlich des diesjährigen Trilogs Salzburg veröffentlicht und dient als Grundlage für die Diskussion am 16. August 2022 in der Geburtsstadt Mozarts.
Der diesjährige Trilog Salzburg widmet sich dem Thema: “Wie heilen wir eine zerrissene Welt? Respekt, Vertrauen, Verlässlichkeit und gegenseitiges Verstehen”.
Großer Handlungsbedarf für Politik und Gesellschaft
Die Mehrheit der jungen Menschen (60 %) befürchtet Wohlstandsverluste durch steigende Energiepreise und Inflation.
Mehr als die Hälfte der befragten Jugendlichen geben außerdem an, dass sie aufgrund der Ukraine-Krise Gefühle von Angst (58 %) und Traurigkeit (51 %) empfinden, wobei jüngere Jugendliche (12−15 Jahre) eher ängstlich sind.
Auch die Sorge, dass der Konflikt auf Deutschland übergreifen könnte, betrifft vor allem Kinder im Alter von 12 bis 13 Jahren (57 %) und Jugendliche mit niedrigem (52 %) und mittlerem (55 %) Bildungsniveau.
Die Mehrheit der Jugendlichen (55 %) möchte nicht, dass Deutschland stärker in den Krieg verwickelt wird.
Der globale Klimawandel ist vor allem ein Thema für ältere und sehr viel jüngere Jugendliche:
Fast 48 Prozent der 16- bis 18-Jährigen und 46 Prozent der 12- bis 13-Jährigen geben an, dass sie sehr besorgt darüber sind.
Über die COVID-Pandemie machen sich dagegen nur wenige junge Menschen Sorgen.
Hier sind es die 12- bis 13-Jährigen, die sich mehr Sorgen machen als ältere Jugendliche (29% der 12- bis 13-Jährigen, 20% der 14- bis 15-Jährigen, 17% der 16- bis 18-Jährigen).
Die aktuelle Befindlichkeit der Kinder und Jugendlichen in Deutschland mag angesichts der zahlreichen Bedrohungen und Krisen nicht überraschen, sollte aber Anlass zur Sorge geben.
"Viele Kinder und Jugendliche haben während der Pandemie kaum Anregungen von außen erhalten und es fehlte ihnen an Möglichkeiten, sich zu entwickeln und zu beteiligen. Zugleich haben junge Menschen Ängste, die wir ernst nehmen müssen.
Gerade in turbulenten Zeiten muss dafür gesorgt werden, dass junge Menschen ein sinnvolles, erfülltes Leben führen können. Das kann nur gelingen, wenn wir Kindern und Jugendlichen zuhören und ihre Sorgen und Wünsche ernst nehmen", sagt Liz Mohn, Präsidentin des Liz Mohn Centers der Bertelsmann Stiftung.
Junge Menschen blicken pessimistisch in die Zukunft Deutschlands
Etwa zwei von fünf jungen Menschen glauben, dass sich das Leben in Deutschland in den nächsten drei Jahren verschlechtern wird.
Knapp ein Drittel glaubt, dass die Zukunft in Deutschland weder besser noch schlechter sein wird als die heutige Situation. Nur jeder Sechste glaubt, dass es in Zukunft besser werden wird.
"Es wird deutlich, dass die jüngere Generation Wert auf ihre eigene Karriere und persönliche Freiheit legt. Gleichzeitig kann diese Generation die Gesellschaft mitgestalten und will sich einbringen, fühlt sich aber von der Politik meist nicht ernst genommen.
Hier besteht Handlungsbedarf, denn Kinder und Jugendliche fühlen sich von der Schule nicht ausreichend vorbereitet", sagt Jörg Habich, Geschäftsführer des Liz Mohn Centers.
Doch die Jugendlichen sind optimistisch, was ihre eigene Zukunft angeht
Trotz der Ängste und Sorgen, die junge Menschen haben, geben nur 5 Prozent von ihnen an, dass sie mit ihrer aktuellen Lebenssituation völlig unzufrieden sind.
Jüngere Jugendliche im Alter von 12 bis 15 Jahren sind tendenziell zufriedener (51 % der 12- bis 13-Jährigen, 48 % der 14- bis 15-Jährigen) als Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren (43 %).
Persönliche Freiheit ist den Jugendlichen bei weitem am wichtigsten (75 % "sehr wichtig"), gefolgt von Reisen und Entdecken der Welt (45 %), Geld verdienen (44 %) und Verantwortung übernehmen (44 %).
Für die 16- bis 18-Jährigen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, ist es besonders wichtig, eine erfolgreiche Karriere zu starten (85 %).
Drei von fünf Jugendlichen blicken optimistisch in ihre eigene berufliche Zukunft und wissen, welche Fähigkeiten und Talente in der Arbeitswelt wichtig sind.
Auch die Gründung eines eigenen Unternehmens trauen sich die jungen Leute zu (41 % Zustimmung).
Die Politik hingegen spielt im Leben der jungen Menschen fast keine Rolle.
Nur eine Minderheit (31 %) hält sich über politische Themen auf dem Laufenden.
Es überrascht nicht, dass dies häufiger auf ältere Jugendliche (41 %) als auf 12- bis 15-Jährige (24 %) zutrifft.
Außerdem sind 72 Prozent der deutschen Jugendlichen nicht in einer politischen Partei aktiv.
Besorgniserregend ist auch, dass nur eine Minderheit der Jugendlichen das Gefühl hat, von der Politik ernst genommen zu werden (12 %).
Die vom Forschungsinstitut IPSOS im Auftrag des Liz Mohn Zentrums der Bertelsmann Stiftung durchgeführte Umfrage "Einstellungen und Sorgen der jüngeren Generation in Deutschland" basiert auf einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung im Alter von 12 bis 18 Jahren mit Internetzugang.
Die Erhebung basiert auf einer Quotenstichprobe und ist nach Alter, Geschlecht, Region und Bildung gewichtet. Die Interviews wurden zwischen dem 5. und 12. Mai 2022 durchgeführt. Die Stichprobengröße beträgt 500 Teilnehmer.