Gelähmter Mann kann dank gedankengesteuerter Implantate wieder gehen
Do., 25. Mai 2023

Paris — Ein gelähmter Mann hat dank zweier Implantate, die die Kommunikation zwischen Gehirn und Rückenmark wiederherstellten, zum ersten Mal wieder die Fähigkeit erlangt, allein durch seine Gedanken zu gehen, wie Forscher am Mittwoch mitteilten.
Der Patient Gert-Jan, der seinen Nachnamen nicht preisgeben wollte, sagte, der Durchbruch habe ihm “eine Freiheit gegeben, die ich vorher nicht hatte”.
Der 40-jährige Niederländer ist seit mehr als einem Jahrzehnt in den Beinen gelähmt, nachdem er bei einem Fahrradunfall eine Rückenmarksverletzung erlitten hatte.
Mit Hilfe eines neuen Systems kann er nun “natürlich” gehen, schwieriges Gelände bewältigen und sogar Treppen steigen, so eine in der Zeitschrift Nature veröffentlichte Studie.
Dieser Fortschritt ist das Ergebnis von mehr als einem Jahrzehnt Arbeit eines Forscherteams in Frankreich und der Schweiz 👍
Letztes Jahr konnte das Team zeigen, dass ein Rückenmarksimplantat — das elektrische Impulse aussendet, um die Bewegung der Beinmuskeln zu stimulieren — drei gelähmten Patienten das Gehen wieder ermöglicht hat.
Allerdings mussten sie jedes Mal einen Knopf drücken, um ihre Beine zu bewegen.
Gert-Jan, der ebenfalls das Rückenmarksimplantat trägt, sagte, dass es dadurch schwierig war, in den Rhythmus eines “natürlichen Schritts” zu kommen.
- Digitale Brücke -
Die neueste Forschung kombiniert das Wirbelsäulenimplantat mit einer neuen Technologie, der so genannten Gehirn-Computer-Schnittstelle, die über dem Teil des Gehirns implantiert wird, der die Beinbewegung steuert.
Die Schnittstelle verwendet Algorithmen, die auf Methoden der künstlichen Intelligenz beruhen, um Gehirnaufzeichnungen in Echtzeit zu entschlüsseln, so die Forscher.
Dadurch kann die Schnittstelle, die von Forschern der französischen Atomenergiekommission (CEA) entwickelt wurde, herausfinden, wie der Patient seine Beine in jedem Moment bewegen möchte.
Die Daten werden über ein tragbares Gerät, das in eine Gehhilfe oder einen kleinen Rucksack passt, an das Rückenmarksimplantat übertragen, so dass sich die Patienten ohne fremde Hilfe fortbewegen können.
Die beiden Implantate bilden, wie die Forscher es nennen, eine “digitale Brücke”, um die bei Gert-Jans Unfall entstandene Trennung zwischen Rückenmark und Gehirn zu überbrücken.
"Jetzt kann ich einfach tun, was ich will - wenn ich mich entscheide, einen Schritt zu machen, setzt die Stimulation ein, sobald ich daran denke", sagte Gert-Jan.
Nach zwei invasiven Operationen zur Implantation beider Geräte war es "ein langer Weg bis hierher", sagte er auf einer Pressekonferenz in der Schweizer Stadt Lausanne.
Aber neben anderen Veränderungen kann er jetzt wieder mit Freunden an einer Bar stehen und ein Bier trinken.
"Dieses einfache Vergnügen stellt eine bedeutende Veränderung in meinem Leben dar", sagte er in einer Erklärung.
- Radikal anders -
Gregoire Courtine, Neurowissenschaftler an der Ecole Polytechnique Federale de Lausanne in der Schweiz und Mitautor der Studie, sagte, dies sei ein "radikaler Unterschied" zu dem, was bisher erreicht worden sei.
"Frühere Patienten mussten sich beim Gehen sehr anstrengen - jetzt muss man nur noch an das Gehen denken, um einen Schritt zu machen", sagte er auf einer Pressekonferenz in der Schweizer Stadt Lausanne.
Es gab noch ein weiteres positives Zeichen: Nach sechsmonatigem Training erlangte Gert-Jan einige sensorische Wahrnehmungen und motorische Fähigkeiten zurück, die er durch den Unfall verloren hatte.
Er war sogar in der Lage, mit Krücken zu gehen, wenn die "digitale Brücke" ausgeschaltet war.
Guillaume Charvet, Forscher am französischen CEA, erklärte gegenüber AFP, dass dies darauf hindeutet, dass die Herstellung einer Verbindung zwischen dem Gehirn und dem Rückenmark eine Reorganisation der neuronalen Netze" am Ort der Verletzung fördern würde.
Wann könnte diese Technologie für gelähmte Menschen auf der ganzen Welt verfügbar sein? Charvet gibt zu bedenken, dass es noch "viele Jahre Forschung" braucht, bis es so weit ist.
Das Team bereitet jedoch bereits eine Studie vor, um zu untersuchen, ob diese Technologie die Funktion von Armen und Händen wiederherstellen kann.
Sie hoffen, dass sie auch bei anderen Problemen wie Lähmungen nach einem Schlaganfall eingesetzt werden kann.