Kirchenaustritt: Rekordzahlen
Di., 28. Juni 2022

Berlin — Hunderttausende Menschen haben ihre Mitgliedschaft in den evangelischen und katholischen Kirchen in Deutschland gekündigt. Nach neu veröffentlichten Dokumenten der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) traten im Jahr 2021 mindestens 359.000 Katholiken aus der Kirche aus, ein gewaltiger Sprung gegenüber den 221.390 Austritten im Jahr 2020.
Vor 15 Jahren gehörten noch 61 % der Deutschen einer Kirche an, heute sind es weniger als 50 %.
Das vergangene Jahr war für Deutschland ein Rekordjahr: Erstmals gehörte weniger als die Hälfte der Bevölkerung einer Kirche an.
In der katholischen Kirche traten Hunderttausende von Mitgliedern offiziell aus, und eine große Zahl ehemaliger Protestanten folgte diesem Beispiel.
Selbst im zutiefst katholischen Bayern traten von Januar bis Juni dieses Jahres allein in München 14.035 Menschen aus der Kirche aus, fast doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Jahres 2019.
Auch im Jahr 2021 werden rund 228.000 Protestanten aus den 20 verschiedenen in Deutschland registrierten Konfessionen austreten.
Im Jahr 2020 waren es noch 60.000.
Die meisten Katholiken gehen noch nicht mal mehr zur Messe.
Der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing sagte, er sei “zutiefst erschüttert über die extrem hohe Zahl der Kirchenaustritte”.
Sie zeuge von einer “tiefen Krise, in der wir uns als katholische Kirche in Deutschland befinden”, fügte er hinzu.
Selbst von denjenigen, die noch der Kirche angehörten, besuchten nur äußerst wenige regelmäßig die Messe, so die DBK.
Nur 4,3 Prozent der Katholiken gaben an, dass sie an den meisten Sonntagen in die Kirche gehen.
“Zu diesen Zahlen müssen wir die Erkenntnis hinzufügen, dass nicht nur Menschen austreten, die über einen langen Zeitraum wenig oder gar keinen Kontakt zu ihrer Gemeinde hatten, sondern dass sich die Rückmeldungen häufen, dass Menschen diesen Schritt tun, die sich zuvor sehr für ihre Kirche engagiert haben”, sagte Bätzing.
“Es gibt nichts mehr, was wir als katholische Kirche für selbstverständlich halten. Wir müssen uns neu erklären, erklären, was wir tun und warum wir es tun.”
Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich verändernde kulturelle Normen, Kindesmissbrauch und die COVID-19-Pandemie mit dem Rückgang der Kirchenmitgliedschaft und der Besucherzahlen zu tun haben.
Ein weiteres Problem sind die Kirchensteuern, von denen einige in den sozialen Medien geschrieben haben, dass sie in einer Zeit steigender Inflation und einer ungewissen wirtschaftlichen Zukunft eine zu große Ausgabe darstellen.
Die Kirchensteuer ist eine in mehreren europäischen Ländern übliche Praxis, bei der die Mitglieder von Religionsgemeinschaften eine Steuer zahlen (in Deutschland je nach Bundesland eine zusätzliche Abgabe von 8 oder 9 %), um ihre Tätigkeit zu finanzieren.
Obwohl sie als Kirchensteuer bezeichnet wird, gilt sie nicht nur für christliche Gemeinschaften in Deutschland.
Was auch immer die Ursache ist, der Wandel in der deutschen Gesellschaft ist eindeutig.
Vor fünfzehn Jahren gehörten 61 % der Deutschen entweder einer katholischen oder einer evangelischen Kirche an.
Heute sind etwa 26 % der Deutschen offiziell als Katholiken und 23,7 % als Protestanten registriert.