Mit diesem Schreiben möchte ich eine Erfahrung teilen, die mir kürzlich in Thailand widerfahren ist und die vielleicht für andere Ausländer, die hier leben oder ihren Urlaub verbringen, von Interesse sein könnte.
Ich lebe nun seit fast zehn Jahren in Thailand, im wunderschönen Chiang Mai. Das Land hat mich seit meinem ersten Besuch in den 90er Jahren fasziniert, und im Ruhestand habe ich mich entschlossen, meinen Lebensabend hier zu verbringen. Die Freundlichkeit der Menschen, das angenehme Klima und die niedrigeren Lebenshaltungskosten haben meine Entscheidung leicht gemacht. In all den Jahren habe ich viel erlebt, die Kultur kennengelernt und mich gut eingelebt. Ich spreche mittlerweile auch etwas Thai, wenn auch nicht fließend.
In diesen zehn Jahren ist mir vieles widerfahren, doch was ich kürzlich erlebt habe, hat mich doch sehr nachdenklich gestimmt und zeigt, dass man als Ausländer hier manchmal doch anders behandelt wird — im Guten wie im Schlechten.
Vor etwa drei Wochen war ich mit meinem Mazda 3 auf dem Weg zum Supermarkt. Es war ein ganz normaler Dienstagvormittag, nicht besonders viel Verkehr, und ich fuhr, wie immer, vorsichtig durch die Straßen von Chiang Mai.
An einer roten Ampel bremste ich ordnungsgemäß ab und wartete auf Grün. Was dann geschah, kam völlig unerwartet: Ein Knall, mein Körper wurde nach vorne geschleudert, zum Glück hielt mich der Sicherheitsgurt zurück. Ein Honda City war mir mit voller Wucht hinten aufgefahren.
Ich stieg aus, etwas benommen und mit Nackenschmerzen, aber ansonsten unverletzt. Der Fahrer des Honda City, ein thailändischer Mann mittleren Alters, stieg ebenfalls aus und begann sofort, aufgeregt in seiner Sprache auf mich einzureden.
Ich konnte nur Bruchstücke verstehen, aber er schien mir die Schuld geben zu wollen. Wie könnte ich schuld sein, wenn mir jemand hinten auffährt? Das widerspricht doch jeder Logik und den Verkehrsregeln, die meines Wissens nach in Thailand ähnlich sind wie in Deutschland.
Andere Autofahrer hielten an, und bald kam auch die Polizei. Zu meiner Überraschung sprach der Polizeibeamte fast ausschließlich mit dem thailändischen Fahrer. Meine Versuche, meine Version des Unfalls zu schildern, wurden mit einem höflichen Lächeln quittiert, aber es war offensichtlich, dass der Beamte mir nicht wirklich zuhörte. Das wenige Thai, das ich spreche, reichte für diese Situation bei weitem nicht aus.
Der Polizist bedeutete uns, ihm zur Wache zu folgen. Dort angekommen, setzte sich das gleiche Spiel fort. Der thailändische Fahrer sprach lange mit dem Beamten, zeigte Fotos vom Unfall auf seinem Handy und gestikulierte wild. Ich versuchte immer wieder, mich einzubringen, aber meine Worte schienen auf taube Ohren zu stoßen. Ein Dolmetscher wurde nicht angeboten, obwohl ich darum bat.
Nach etwa einer Stunde wurde mir ein Dokument auf Thai vorgelegt, das ich unterschreiben sollte. Ich weigerte mich natürlich, etwas zu unterschreiben, das ich nicht lesen konnte.
Der Polizist wirkte zunehmend ungehalten und deutete mehrmals auf meine Unterschriftszeile. Ich blieb standhaft und verlangte eine englische Übersetzung oder zumindest eine Erklärung, was in dem Dokument stand.
Die Situation spitzte sich zu. Mit Händen und Füßen und meinem begrenzten Thai-Wortschatz versuchte ich klarzumachen, dass ich nicht schuld an dem Unfall sein konnte. “Mai chai pom phit!” (Es ist nicht meine Schuld!) wiederholte ich immer wieder.
Der thailändische Fahrer wurde lauter, der Polizist ungeduldiger, und ich fühlte mich zunehmend unwohl in meiner Haut. Zum ersten Mal in meinen zehn Jahren in Thailand hatte ich das Gefühl, dass mein Ausländerstatus mir zum Nachteil gereichte.
In diesem Moment, als die Situation kurz vor der Eskalation stand, betrat eine junge Frau den Raum. Sie stellte sich als Zeugin vor, die hinter uns gefahren war und den Unfall mit ihrer Dashcam aufgezeichnet hatte. Sie hatte gesehen, wie die Polizeiwagen zur Unfallstelle kamen und war uns zur Wache gefolgt, um ihre Aufnahmen anzubieten.
Der Polizeibeamte schaute sich das Video auf ihrem Handy an, und sein Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig. Das Video zeigte eindeutig, wie der Honda City ungebremst in meinen stehenden Mazda krachte. Es gab keinen Zweifel: Der thailändische Fahrer war schuld.
Die Atmosphäre im Raum änderte sich augenblicklich. Der Polizist sprach nun in einem strengeren Ton mit dem thailändischen Fahrer, der plötzlich kleinlaut wurde und zu Boden schaute. Mir gegenüber wurde der Beamte zuvorkommender und bot sogar an, einen Kollegen zu holen, der besser Englisch sprach.
Ein neues Dokument wurde erstellt, das — wie mir der englischsprachige Kollege erklärte — den thailändischen Fahrer als Verursacher des Unfalls auswies. Dieser unterschrieb widerwillig, und auch ich setzte meine Unterschrift darunter, nachdem mir der Inhalt übersetzt worden war.
Die junge Frau mit der Dashcam, meine Retterin in der Not, lehnte jede Belohnung ab und sagte nur, sie habe das Richtige tun wollen. Ich bin ihr unendlich dankbar. Ohne ihr Eingreifen wäre ich wahrscheinlich als Schuldiger aus dieser Sache hervorgegangen, mit allen finanziellen und versicherungstechnischen Konsequenzen.
Diese Erfahrung hat mich nachdenklich gemacht. Ich liebe Thailand und seine Menschen, und in den meisten Fällen wurde ich hier fair und respektvoll behandelt. Aber diese Situation hat mir gezeigt, dass es in bestimmten Situationen doch Vorurteile oder zumindest eine gewisse Voreingenommenheit gegenüber Ausländern geben kann. Vielleicht war es auch nur dieser eine Polizeibeamte, der automatisch seinem Landsmann mehr Glauben schenkte als mir.
Was ich aus dieser Erfahrung gelernt habe: Als Ausländer in Thailand (und vermutlich überall auf der Welt) ist man gut beraten, sich zusätzlich abzusichern. Eine eigene Dashcam wäre in meinem Fall Gold wert gewesen.
Zudem ist es hilfreich, jemanden zu kennen, der bei solchen Behördengängen übersetzen kann. Auch wenn ich nach zehn Jahren dachte, ich käme gut alleine zurecht — in kritischen Situationen wie dieser stößt man schnell an seine Grenzen.
Ich hoffe, meine Erfahrung kann anderen Ausländern in Thailand helfen, auf solche Situationen besser vorbereitet zu sein. Und natürlich möchte ich betonen, dass dies ein Einzelfall war und nicht repräsentativ für meine Erfahrungen mit thailändischen Behörden im Allgemeinen ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Ein dankbarer Leser