Saigon 1975: Wie der Fall der Stadt Vietnam veränderte — und was Thailand damit zu tun hatte
Am 30. April 1975 ging eine Ära zu Ende: Der Fall Saigons markierte das finale Kapitel eines Krieges, der Vietnam seit 1940 erschüttert hatte — vom Widerstand gegen die französische Kolonialmacht über die japanische Besatzung bis zum Abzug der US-Truppen. An diesem Tag rollten nordvietnamesische Soldaten auf Panzern zum Unabhängigkeitspalast, während die letzten Amerikaner hastig per Helikopter flohen. Thailands Zeitung Prachachat titelte am 1. Mai 1975: “Viet Cong erobert Saigon — herrscht nun über Südvietnam”.
Die letzten Stunden von Saigon
Um 10:40 Uhr verkündete Präsident Ho Chi Minh über Radio Saigon die Kapitulation. Nur vier Stunden nachdem der letzte US-Soldat die Stadt verlassen hatte, wehten weiße Flaggen über dem Hauptquartier der Polizei. Die Bilder gingen um die Welt: Vietnamesische Soldaten hissten ihre Fahnen, während eine geschlagene Nation atemlos zusah. Der Vietnamkrieg hatte 56.000 US-Soldaten das Leben gekostet, 150.000 verwundet und über zehn Millionen Vietnamesen ins Elend gestürzt.
Thailands überraschende Reaktion
Während im Westen Schock und Entsetzen herrschten, reagierte Thailand diplomatisch kühl. Das Außenministerium gratulierte sogar: “Das Leiden Vietnams ist vorbei. Die Wiedervereinigung ist Wirklichkeit geworden.” Doch hinter den Kulissen brodelte es. Außenminister Chatichai Choonhavan hoffte auf Stabilität, doch Oppositionsführer Seni Pramoj warnte: “Wenn Saigon fällt, könnte Bangkok das nächste Ziel sein.” Er forderte eine radikale Neuausrichtung der Außenpolitik — hin zu China und den neuen sozialistischen Nachbarn.
Der Nixon-Effekt: Amerikas Abzug und Thailands Dilemma
US-Präsident Richard Nixon hatte den Rückzug aus Vietnam eingeleitet — und damit auch Thailands Rolle als US-Militärstützpunkt infrage gestellt. 1975 stationierten noch 25.000 US-Soldaten und 350 Flugzeuge im Land. Premier Kukrit Pramoj drängte auf deren Abzug: “Ausländische Truppen müssen binnen eines Jahres gehen!” Doch die Verhandlungen gestalteten sich zäh. Ex-Diplomat Anand Panyarachun erinnerte sich später: “Die Gespräche mit den USA waren härter als die Annäherung an China.”
Eine neue Ära für Südostasien
Saigons Fall war nicht nur das Ende eines Krieges, sondern ein Wendepunkt für die ganze Region. Thailand musste sich neu erfinden — weg von der US-Allianz, hin zu einer neutraleren Politik. Die Bilder der siegreichen Viet-Cong-Soldaten vor dem Unabhängigkeitspalast wurden zum Symbol eines Umbruchs, der bis heute nachhallt.