Bundeskanzler Scholz sagt im Steuerbetrugsskandal aus
Sa., 20. Aug. 2022

Berlin — Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei einer Anhörung Vorwürfe zurückgewiesen, er habe sich im Umgang mit einem milliardenschweren Steuerbetrug während seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister unkorrekt verhalten — ein Fall, der ihn zu belasten droht.
Im Rahmen des “Cum-Ex”-Programms (Dividendenstripping) handelten Banken und Investoren rund um den Tag der Dividendenausschüttung rasch mit Aktien von Unternehmen, wodurch die Eigentumsverhältnisse an den Aktien verwischt wurden und mehrere Parteien fälschlicherweise Steuerrückerstattungen auf Dividenden einfordern konnten.
Das Schlupfloch, das nun geschlossen ist, hat in der nördlichen Hafenstadt Hamburg eine politische Dimension angenommen, da die Behörden im Jahr 2016 unter Bürgermeister Scholz nur zögerlich die Rückzahlung von Millionen Euro forderten, die die örtliche Bank Warburg im Rahmen dieses Systems erhalten hatte.
Warburg, das in der zweitgrößten deutschen Stadt eine große Rolle spielt, zahlte schließlich seine Steuerrechnung von rund 50 Millionen Euro (50,3 Millionen Dollar), nachdem das Bundesfinanzministerium interveniert hatte.
“Ich habe keinen Einfluss auf den Steuerfall Warburg genommen”, sagte Scholz am Freitag bei seinem zweiten Auftritt vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss zur Cum-Ex-Affäre, einem der größten deutschen Unternehmensskandale der Nachkriegszeit.
“Es gibt nirgendwo auch nur den kleinsten Hinweis darauf, dass ich irgendetwas abgesprochen hätte”, sagte er und verwies auf andere Aussagen vor dem Ausschuss.
Richard Seelmaecker, Vertreter der konservativen Opposition im Ausschuss, sagte jedoch, dass Scholz ein drittes Mal vor den Gesetzgeber geladen werden könnte, da gerade neue Erkenntnisse aus den Ermittlungen bekannt würden.
Der Fall droht, den Kanzler zu untergraben, obwohl er versucht, seine zerrissene Koalition angesichts der öffentlichen Unzufriedenheit über die steigenden Energiekosten zusammenzuhalten.
Seine Popularität liegt bereits hinter der seines Wirtschafts- und Außenministers zurück. Nur 58 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass er gute Arbeit leistet, verglichen mit durchschnittlich 70 Prozent für seine Vorgängerin Angela Merkel während ihrer 16-jährigen Amtszeit.
Inzwischen ist seine Sozialdemokratische Partei (SPD) in Umfragen auf den dritten Platz hinter den oppositionellen Konservativen und dem Junior-Koalitionspartner, den Grünen, abgerutscht.
—
Kein Grund zum Zweifeln
Finanzminister Christian Lindner von der wirtschaftsfreundlichen FDP, die ebenfalls in Umfragen zurückliegt, stärkte dem Kanzler den Rücken.
Ich habe Olaf Scholz immer als integeren Menschen erlebt, ob in der Opposition oder in der Regierung — und ich habe auch jetzt keinen Grund, daran zu zweifeln”, sagte Lindner der “Rheinischen Post”.
Prominente Grüne haben zu der Affäre geschwiegen, nachdem sie Scholz in der Opposition dafür kritisiert hatten.
Jüngste Schlagzeilen, wonach die Staatsanwaltschaft in Hamburg 200.000 Euro im Tresor eines Lokalpolitikers von Scholz' regierenden Sozialdemokraten entdeckt hat, nährten den Verdacht einer politischen Einflussnahme im Namen der Bank.
Scholz hat bestritten, von diesem Geld oder dessen Herkunft gewusst zu haben und sagte, er habe keinen Kontakt mehr zu dem betroffenen Abgeordneten. Der Abgeordnete reagierte nicht auf eine Bitte um Stellungnahme.
"Ich habe die Hoffnung, dass die Vermutungen und Unterstellungen aufhören", sagte Scholz. "Sie entbehren jeder Grundlage."
Der Bundeskanzler hatte sich bereits im vergangenen Jahr vor den Hamburger Gesetzgeber gestellt und eine Reihe von Treffen mit dem damaligen Warburg-Chef eingeräumt, sich aber nicht an Details erinnern können.
Ein Schild mit der Aufschrift: 'Olaf Scholz Witness' [Fabian Bimmer/Reuters]
---
Gerhard Schick, Direktor der Überwachungsorganisation Finance Watch Germany und ehemaliger Abgeordneter der Grünen im Bundestag, sagte, er glaube nicht an Scholz' Vergesslichkeit.
"Ich denke, das ist eine Täuschung und schadet seiner Glaubwürdigkeit", sagte er.
Zu den jüngsten Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft gehört eine Diskrepanz zwischen den vielen Kalendereinträgen der Hamburger Behörden, in denen die Warburg-Bank und "cum-ex" erwähnt werden, und den wenigen E-Mails zu diesem Thema, schreibt der Spiegel unter Berufung auf den Bericht der Staatsanwaltschaft.
"Das deutet auf eine gezielte Löschung hin", zitiert der Spiegel den Bericht.
Ein Vertreter der Korruptionsorganisation Transparency International, Stephan Ohme, sagte, es sei schlicht unplausibel, dass sich Scholz nicht an seine Gespräche mit dem Warburg-Chef erinnern könne.
"Scholz sollte zudem zeigen, was er aktiv gegen die Verwicklung Warburgs in Cum-Ex-Geschäfte unternommen hat", sagte er. "Das ist seine politische Verantwortung."