Deutschland: HIV-Patient geheilt
Di., 21. Feb. 2023

Berlin — Forscher haben über einen dritten Fall berichtet, in dem ein Mensch nach einer Stammzellentransplantation zur Heilung seiner Leukämie von HIV befreit wurde.
Die am Montag in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie beschreibt den Fall eines 53-jährigen Mannes, der sich zur Behandlung seiner Leukämie einer Knochenmarktransplantation (Stammzellentransplantation) unterzog.
Wie die “London”- und “Berlin”-Patienten hatte der Spender eine seltene Mutation, die eine Resistenz gegen bestimmte HIV-Stämme, wie HIV‑1, verleiht.
“Dies unterstreicht, dass diese Ansätze vielversprechend und auch reproduzierbar sind, da es sich nicht um einen Einzelfall handelt”, so Jürgen Rockstroh in einer Erklärung. Rockstroh ist Professor und Leiter der Infektiologie am deutschen Universitätsklinikum Bonn und war nicht an der Forschung beteiligt.
Die Forscher wiesen jedoch darauf hin, dass die Behandlung bei mehreren anderen Patienten, die sie erhalten haben, nicht erfolgreich war.
Dritter Patient, der durch Transplantation “geheilt” wurde
Obwohl noch immer umstritten ist, was es bedeutet, “von HIV geheilt” zu sein, kommt der neue Fall zu den beiden vorangegangenen Fällen von HIV-Heilung durch dieselbe Art von Stammzellentransplantation hinzu, wie bei dem Berliner und dem Londoner Patienten.
Es ist schwierig, schlüssig zu beweisen, dass jemand von HIV geheilt ist, da das Virus in sehr langlebigen Immunzellen verborgen bleiben kann und nur begrenzte Methoden zu deren Nachweis zur Verfügung stehen, schrieben die HIV-Expertin Sharon Lewin und ihre Kollegin Jennifer Zerbato im Jahr 2020 in The Lancet.
Warum die Behandlung zu wirken scheint
In den Zielzellen des HIV-Virus gibt es einen Rezeptor namens CCR5.
In allen drei Fällen handelte es sich um HIV-1-positive Patienten, die sich einer Stammzelltransplantation von einem Spender unterzogen, der beide Kopien einer seltenen, aber natürlich vorkommenden CCR5-Mutation aufwies.
Menschen mit dieser Mutation haben eine geringere oder gar keine Expression des CCR5-Rezeptors in ihren Zellen, was einen Schutz gegen bestimmte Stämme des HIV-Virus bietet.
Durch die Transplantation wird das Immunsystem des Patienten im Wesentlichen durch dasjenige ersetzt, das gegen HIV resistent ist.

Der “Düsseldorfer Patient” beendete 2018 die antiretrovirale Therapie
Der Patient, dessen Identität nicht bekannt gegeben wurde, war HIV-1-positiv und wurde nach seiner Transplantation im Februar 2013 mehr als neun Jahre lang von Forschern der Universitätsklinik Düsseldorf überwacht.
Der Patient litt an einer Art von Leukämie, der akuten myeloischen Leukämie.
Leukämie ist eine Krebsart, die das Knochenmark befällt, das schwammartige Gewebe im Inneren der menschlichen Knochen, das neue Blut- und Immunzellen bildet.
Der Patient nahm bis November 2018 weiterhin antivirale Medikamente gegen HIV ein.
Dann beschlossen die Forscher, die Behandlung abzubrechen, da dies der einzige Weg sei, um festzustellen, ob der Patient geheilt sei.
Vier Jahre nach dem Absetzen der antiretroviralen Therapie konnten die Forscher keine Spuren von infektionsfähigen HIV-Viren mehr nachweisen und maßen abnehmende Werte von HIV-1-spezifischen Antikörpern.
Genetisches Material des HIV-Virus war größtenteils nicht nachweisbar, abgesehen von sporadischen Spuren, die in einigen Blut- und Lymphgewebeproben entdeckt wurden.
Diese Ergebnisse sind ein starker Beweis dafür, dass das HIV‑1 geheilt wurde, so die Forscher.
Stammzellentransplantation als HIV-Behandlung?
Obwohl diese Studie zu zwei früheren Fällen erfolgreicher “Heilung” von HIV hinzukommt, bedeutet sie nicht, dass Stammzellentransplantationen eine sichere und praktikable Alternative zur HIV-Behandlung sind.
“Eine weitere wichtige Einschränkung [der Transplantation] ist die damit verbundene ausgeprägte Toxizität”, sagte Boris Fehse, Leiter der Forschungsabteilung Zell- und Gentherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, in einer Erklärung. Auch er war nicht an der Studie beteiligt.
Knochenmarktransplantationen erfordern Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, was das Risiko von Infektionen erhöhen und möglicherweise zu einer so genannten Graft-versus-Host-Krankheit führen kann, bei der die transplantierten Immunzellen das Wirtsgewebe angreifen, fügte Fehse hinzu.
Die Autoren weisen darauf hin, dass diese Art der Stammzelltransplantation weder risikoarm noch leicht skalierbar ist. Die Studie sei vielmehr ein weiterer Beweis dafür, dass Gentherapien, die auf CCR5-Rezeptoren abzielen, der Schlüssel zur Heilung von HIV‑1 sein könnten.