KZ-Wächterin heuchelt Nazi-Opferrolle vor - nun wurde die Bundesverdienstkreuz-Trägerin entlarvt
Mi., 01. Feb. 2023

Als die Buchhändlerin Anne Prior von der 3‑fachen Bundesverdienstkreuz-Trägerin Irmgard Kroymann erfuhr, dachte sie, sie hätte eine Nazi-Widerstandskämpferin entdeckt, eine deutsche Heldin.
Frau Prior, 67 Jahre alt, von Beruf Buchhändlerin, in ihrer Freizeit Hobbyhistorikerin, suchte im Archiv nach Frauen aus ihrer Region, die von den Nazis verfolgt worden waren und sich für den Wiederaufbau ihres Landes nach dem Krieg eingesetzt hatten.
Zwei Frauen hatte sie bereits gefunden: Eine Kommunistin und eine Katholikin.
Irmgard Kroymann, dachte sie, könnte die dritte sein.
Die unerkannte NS-Täterin Kroymann erhielt nach dem 2. Weltkrieg die höchsten Orden: Bundesverdienstkreuz, Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, Großes Bundesverdienstkreuz, Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen.
Das Bundesverdienstkreuz wird für besondere Leistungen auf politischem, wirtschaftlichem, kulturellem, geistigem oder ehrenamtlichem Gebiet verliehen.

Anne Prior beschloss daraufhin, das Leben dieser scheinbar bemerkenswerten Frau genauer zu erforschen.
Bei ihren Archivrecherchen über die NS-Zeit sei sie oft auf biografische Angaben gestoßen, „die so nicht stimmen konnten“, sagt Anne Prior, aber bei Kroymann seien es sehr viele Unstimmigkeiten gewesen; die Gewerkschafterin hatte sich in ihren Erzählungen auffällig oft selbst widersprochen.

Nach ihren Recherchen war Irmgard Kroymanns Vater Aufseher in einer Munitionsfabrik, in der jüdische Zwangsarbeiterinnen tätig waren.
Irmgard Kroymann selbst war dort als Lagerführerin tätig.
Sie wurde jedoch wegen Diebstahls von Material, das für die jüdischen Zwangsarbeiterinnen bestimmt war, entlassen.
Daraufhin absolvierte sie eine Schulung als KZ-Aufseherin im KZ Groß-Rosen und arbeitete in dieser Funktion in Christianstadt zur Bewachung der Zwangsarbeiterinnen.
Zwischen 1940 und 1945 wurden im KZ Groß-Rosen etwa 130.000 Menschen inhaftiert, davon 40.000 ermordet.
Nach dem Krieg wurde Irmgard Kroymann als unerkannte NS-Täterin SPD-Mitglied, ebenso Mitglied der Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft.
Besonders empörend ist, dass die KZ-Aufseherin sich mit jüdischen Frauen gleichsetzte und mit welchen Details sie ihre Lügengeschichten ausschmückte. Sie stellte sogar einen Antrag auf Entschädigung beim Wiedergutmachungsamt.
Irmgard Kroymann hat ihre Enttarnung nicht mehr erlebt.
Sie ist 2005 in Mülheim an der Ruhr gestorben, als “Heldin der deutschen Geschichte” und “Ikone des antifaschistischen Widerstands”.
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Die Ergebnisse von Anne Priors Recherchen wurden von ihr im Januar 2023 gemeinsam mit Götz Aly veröffentlicht. Siehe: https://www.facebook.com/lande…
Anne Prior ist inzwischen in Pension, arbeitet aber noch stundenweise als Buchhändlerin und forscht weiter über Opferbiografien, wahre und falsche.