Israel (Umfrage): Positives Bild von Deutschland
Mo., 03. Okt. 2022

Israel — Von den Deutschen haben 46 % eine gute Meinung von Israel und 34 % eine schlechte. Im Gegensatz dazu haben viele Israelis ein ausgesprochen positives Bild von Deutschland: 63 % bezeichnen ihr Bild von Deutschland als gut, nur 19 % als schlecht.
Dies sind die wichtigsten Ergebnisse der neuen Studie “Deutschland und Israel heute: Zwischen Verbundenheit und Entfremdung”, die auf einer repräsentativen Umfrage der pollytix strategic research gmbh in Deutschland und New Wave Research in Israel im Auftrag der Bertelsmann Stiftung beruht.
Unterschiedliche Schlüsse aus der Geschichte ziehen
Unterschiedlich beantworten die Befragten in beiden Ländern auch die Frage, ob Deutschland aufgrund historischer Ereignisse eine besondere Verantwortung für das jüdische Volk hat:
58 Prozent der Israelis glauben dies, während nur 35 Prozent der Deutschen dies eindeutig bejahen.
Eine Verantwortung Deutschlands für den Staat Israel aufgrund der Geschichte sehen dagegen nur 27 % der Deutschen, aber 57 % der Israelis.
Israelis haben also Erwartungen an die Deutschen, die von der Mehrheit der deutschen Befragten nicht geteilt werden.
Auf der politischen Ebene wird dies in einer Reihe von Antworten deutlich, auch auf die Frage, wie die deutsche Politik angesichts der Verantwortung des Landes handeln sollte.
So wünschen sich 61% der Israelis eine einseitige politische Unterstützung ihrer Seite im israelisch-palästinensischen Konflikt durch die deutsche Regierung.
Gleichzeitig teilen nur 12 % der deutschen Befragten diese Ansicht.
Und während fast zwei Drittel (64 %) der Deutschen der Meinung sind, dass beide Seiten in dem Konflikt gleichermaßen nachgeben sollten, ist mehr als die Hälfte der Israelis (55 %) der Meinung, dass die palästinensische Seite nachgeben sollte.
"Die Unterschiede in der gegenseitigen Wahrnehmung zwischen Deutschen und Israelis sind auch das Ergebnis unterschiedlicher Sicherheitslagen und unterschiedlicher politischer Kulturen", sagt Stephan Vopel, Israel-Experte der Bertelsmann Stiftung.
Dabei werden auch sehr unterschiedliche Schlüsse aus der Geschichte deutlich.
"Für die große Mehrheit der Deutschen gilt nach wie vor die Maxime 'Nie wieder Krieg'", sagt Vopel, "während es für Israelis heißt 'Nie wieder Opfer sein'."
Israelische Öffentlichkeit sieht die Bemühungen der deutschen Regierung positiv
Ähnlich wie in Deutschland werden die Bemühungen der deutschen Regierung von einer Mehrheit der Israelis positiv bewertet:
55 % befürworten sie, nur 12 % äußern sich negativ.
Nur die jüngste Gruppe der Befragten ist zurückhaltender:
47 % der 18- bis 29-Jährigen sehen die deutsche Regierung positiv.
Die Deutschen hingegen haben eine deutlich negativere Einstellung zur israelischen Regierung: nur 24 % geben eine positive Bewertung ab, 43 % äußern sich negativ, und etwa ein Drittel gibt keine Meinung ab (32 % "weiß nicht").
Darüber hinaus haben die jüngeren deutschen Befragten (18-29 Jahre) eine noch ungünstigere Meinung: Von dieser Gruppe sehen nur 15 % die israelische Regierung positiv.
Bei der Frage, ob das Verhältnis zwischen Israelis und Deutschen immer noch durch den Holocaust belastet ist, sind die Israelis geteilter Meinung: 48% bejahen dies, während 42% es als nur etwas oder gar nicht belastet ansehen.
Darüber hinaus lehnen 60 % der Israelis die Idee ab, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, und nur 14 % sagen, dass es an der Zeit ist, dies zu tun.
In Deutschland hingegen sagt jeder zweite Befragte (49 %), es sei an der Zeit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, und nur 33 % lehnen einen solchen Schritt ausdrücklich ab.
Unterschiedliche Einstellungen zwischen jungen Menschen in Israel und Deutschland
Auffallend ist, dass die jüngsten Befragtengruppen (18-29 Jahre) in beiden Ländern unterschiedliche Ansichten zu zentralen Fragen haben.
Während die jüngere Generation in Deutschland der Meinung ist, dass ihr Land aufgrund der Vergangenheit eine Verantwortung für das jüdische Volk hat (44% der Deutschen stimmen zu; 53% der Israelis stimmen zu), sehen vor allem jüngere Israelis Deutschland in der Verantwortung, den Staat Israel zu unterstützen (54% der Israelis stimmen zu; 25% der Deutschen stimmen zu).
Für Joachim Rother, Israel-Experte der Bertelsmann Stiftung, sind die Ergebnisse Ermutigung und Warnung zugleich.
"In den deutsch-israelischen Beziehungen ist in den letzten Jahrzehnten viel erreicht worden", sagt er.
"Die unterschiedlichen Perspektiven der jüngeren Generationen in beiden Ländern zeigen aber auch, dass eine intensive Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Sichtweisen und Realitäten dringend notwendig ist.
Hier kann der direkte Austausch in Form von Dialog und Kooperation besonders hilfreich sein."
Deutsch-israelische Zusammenarbeit verspricht zukünftigen Nutzen
Auch im Bereich der deutsch-israelischen Zusammenarbeit liefert die Studie neue Erkenntnisse, die zeigen, dass die Befragten im Allgemeinen mit dem aktuellen Stand der Zusammenarbeit zufrieden sind.
So ist die Mehrheit der Deutschen (56%) und Israelis (68%) der Meinung, dass die beiden Länder gut miteinander kooperieren.
Vier von fünf Israelis (78 %) wünschen sich eine noch engere Zusammenarbeit mit Deutschland und jeder zweite Deutsche (53 %) sagt, dass eine stärkere Kooperation mit Israel wünschenswert wäre.
Während sich die Israelis eine intensivere Partnerschaft in den Bereichen wirtschaftliche Zusammenarbeit (46%) und Militär, Rüstung und Verteidigung (29%) wünschen, gilt dies für die Deutschen vor allem für die Bereiche Wissenschaft und Forschung (41%) und politische Zusammenarbeit auf Regierungsebene (35%).
Auf der Ebene der bilateralen Beziehungen ergibt sich somit ein weitgehend positives Bild, das auch für die Zukunft Ausbaupotenzial bietet.
Antisemitische Überzeugungen in Deutschland
Die vorliegende Studie untersucht anhand spezifischer Fragen Aspekte antisemitischer Einstellungen in Deutschland, ohne den Anspruch zu erheben, dieses komplexe Phänomen vollständig zu erfassen.
Sie gibt Aufschluss über einzelne Indikatoren, nicht aber über den Antisemitismus als Ganzes.
Die Ergebnisse fallen daher tendenziell höher aus als in anderen vergleichbaren Studien.
Laut der aktuellen Stichprobe sagt ein Viertel der Befragten in Deutschland (24 %), dass Juden zu viel Einfluss in der Welt haben.
Auch der Antisemitismus in Bezug auf Israel ist besorgniserregend:
36 % der Deutschen setzen die Politik Israels gegenüber den Palästinensern mit der Behandlung der Juden unter den Nazis gleich.
Für beide Aspekte des Antisemitismus gilt, dass die Vorurteile umso größer sind, je niedriger der Bildungsstand der Befragten ist.
"Angesichts des nachweisbaren Zusammenhangs zwischen Bildung und antisemitischen Vorurteilen sind wir dringend aufgefordert, künftig mehr in die Bildungsarbeit zu investieren", sagt Rother.
Die Studie “Deutschland und Israel heute: Zwischen Verbundenheit und Entfremdung” basiert auf repräsentativen demoskopischen Befragungen, die vom 31. August bis 5. Oktober 2021 von der pollytix strategic research gmbh in Deutschland und New Wave Research in Israel im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt wurden.
Die Autoren - Prof. Stephan Stetter von der Universität der Bundeswehr München, Dr. Jenny Hestermann von der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg und Dr. Roby Nathanson vom Macro Center for Political Economics in Israel - analysieren und bewerten die quantitativen Ergebnisse und ordnen sie nach aktuellen und historischen Inhalten ein.