Isaan-Schock: Deutscher erlebt Geister und Tabus

Isaan-Schock: Deutscher erlebt Geister und Tabus
Illustration via OpenAI (2025).

Das erste Mal, als Michael aus München seine thailändische Freundin Nim zu ihren Eltern nach Isaan begleitete, wusste er nicht, dass er am Hauseingang die Schuhe ausziehen sollte. Noch weniger ahnte er, dass das kleine Geisterhäuschen im Garten eine zentrale Rolle im täglichen Leben der Familie spielte. „Ich dachte, das wäre Dekoration„, erzählt der 42-jährige Ingenieur heute und lacht über seine damalige Unwissenheit.

Wenn Ost auf West trifft – Eine Reise zwischen zwei Welten

Tausende deutsche und westliche Männer leben heute mit thailändischen Partnerinnen zusammen – sei es in Thailand selbst oder in Deutschland. Doch was zunächst wie eine romantische Ost-West-Verbindung erscheint, entpuppt sich oft als komplexes Zusammenspiel aus Tradition, Moderne, Spiritualität und Pragmatismus. Die thailändische Kultur mit ihren tief verwurzelten Bräuchen, Hierarchien und sozialen Codes stellt westliche Partner vor Herausforderungen, die weit über Sprachbarrieren hinausgehen.

Die Frage ist nicht, ob kulturelle Unterschiede existieren – sie sind allgegenwärtig. Die entscheidende Frage lautet vielmehr: Wie können zwei Menschen aus grundverschiedenen Kulturkreisen eine harmonische Partnerschaft aufbauen, ohne ihre jeweilige Identität zu verlieren?

Das unsichtbare Netz der Hierarchien – Zwischen Respekt und Verwirrung

Thailand ist eine Gesellschaft der feinen Nuancen. Während in westlichen Kulturen Direktheit oft als Tugend gilt, navigiert die thailändische Kultur durch ein komplexes System aus Respekt, Gesichtsverlust und sozialen Hierarchien. Wer als Westler in diese Welt eintaucht, betritt ein unsichtbares Minenfeld aus ungeschriebenen Regeln.

Das Konzept des „Kreng Jai“ prägt das tägliche Miteinander. Es bedeutet mehr als nur Höflichkeit – es ist eine tiefe Form der Rücksichtnahme, die Konfrontationen um jeden Preis vermeidet. Für westliche Partner kann dies verwirrend sein, wenn die thailändische Partnerin niemals direkt „Nein“ sagt, auch wenn sie anderer Meinung ist. „Meine Frau Ploy nickte immer, wenn ich Vorschläge machte„, berichtet der Hamburger Geschäftsmann Thomas. „Erst nach Jahren verstand ich, dass ihr Nicken nicht Zustimmung bedeutete, sondern: ‚Ich habe verstanden, was du sagst.‚“

Thailändische Familienregeln: Alter, Anrede und Gesichtsverlust

Die Altersstruktur spielt eine fundamentale Rolle in thailändischen Familien. Ältere Geschwister werden mit speziellen Titeln angesprochen – „Phi“ für ältere Schwester oder Bruder, „Nong“ für jüngere. Diese Anredeformen bestimmen nicht nur die Sprache, sondern auch die Entscheidungshierarchie in der Familie. Als westlicher Partner einer Thailänderin bedeutet dies oft, dass nicht nur die Partnerin, sondern ihre gesamte Familie in wichtige Entscheidungen einbezogen wird.

Besonders komplex wird es bei der Frage des Gesichtsverlusts. In der thailändischen Kultur ist das „Gesicht verlieren“ eine der schlimmsten sozialen Sanktionen. Öffentliche Kritik oder Widerspruch, auch wenn sachlich berechtigt, können zu dauerhaften Beziehungsschäden führen. Deutsche Direktheit, die in westlichen Partnerschaften als ehrlich und konstruktiv empfunden wird, kann in Thai-deutschen Beziehungen als verletzend und respektlos interpretiert werden.

Geister, Glück und goldene Buddhas – Der spirituelle Kosmos des Alltags

Die Spiritualität durchdringt den thailändischen Alltag auf eine Weise, die für westliche Partner oft schwer nachvollziehbar ist. Es geht nicht nur um den Buddhismus als Religion, sondern um ein komplexes Geflecht aus animistischen Traditionen, brahmanischen Einflüssen und buddhistischer Philosophie.

Das Geisterhäuschen, das Michael zunächst für Dekoration hielt, ist ein zentraler Bestandteil thailändischer Haushalte. Täglich werden den Schutzgeistern des Hauses Opfergaben dargebracht – Reis, Obst, Blumen oder Räucherstäbchen. Für viele Thailänderinnen ist dies nicht Aberglaube, sondern praktische Spiritualität. „Meine Schwiegermutter erklärt mir immer, welcher Geist für was zuständig ist„, erzählt der Österreicher Franz, der seit acht Jahren mit seiner thailändischen Frau in Bangkok lebt. „Inzwischen kaufe ich automatisch Lotusblumen mit ein, wenn ich am Markt vorbeikomme.

Glaube, Glück und Tempelregeln: Was westliche Partner wissen müssen

Amulette und Glücksbringer sind allgegenwärtig. Thailändische Partner tragen oft mehrere Buddha-Amulette gleichzeitig, konsultieren Wahrsager vor wichtigen Entscheidungen und richten ihr Leben nach astrologischen Empfehlungen aus. Die Zahlen 9 und 8 gelten als besonders glückbringend, während die 4 gemieden wird, da sie im Thai wie das Wort für „Tod“ klingt.

Tempel besuche sind nicht nur spirituelle Auszeiten, sondern soziale Ereignisse. Wer als westlicher Partner seiner Thailänderin in den Tempel folgt, sollte die Benimmregeln kennen: niemals mit den Füßen zu Buddha zeigen, angemessene Kleidung tragen und beim Sitzen die Beine nicht ausstrecken. Diese Regeln gelten nicht nur im Tempel, sondern überall dort, wo Buddha-Statuen oder religiöse Symbole präsent sind.

Das Paradox der Moderne – Zwischen iPhone und Inkarnation

Thailand ist ein Land der Gegensätze. Hochmoderne Einkaufszentren stehen neben jahrhundertealten Tempeln, Business-Frauen in Designerkleidung beten vor Straßenschreinen, und Social Media wird intensiv für spirituelle Inhalte genutzt. Diese Verschmelzung von Tradition und Moderne prägt auch das Verhalten thailändischer Partnerinnen.

Viele Thailänderinnen sind hochgebildet, sprechen mehrere Sprachen und arbeiten in verantwortungsvollen Positionen. Gleichzeitig können dieselben Frauen ihre Karriereentscheidungen von den Vorhersagen eines Wahrsagers abhängig machen oder wichtige Termine verschieben, weil der gewählte Tag astrologisch ungünstig ist.

Zwischen Rationalität und Spiritualität: Moderne thailändische Praktiken

Meine Frau ist Finanzmanagerin bei einer internationalen Bank„, berichtet der Berliner IT-Spezialist Robert. „Aber bevor wir unser Haus gekauft haben, musste erst ein Mönch kommen und die Energie des Grundstücks prüfen.“ Diese scheinbaren Widersprüche sind für thailändische Menschen völlig normal – Rationalität und Spiritualität schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich.

Die sozialen Medien verstärken diese Vermischung noch. Facebook und Instagram werden nicht nur für private Kommunikation genutzt, sondern auch für spirituelle Praktiken. Virtuelle Tempelbesuche, Online-Wahrsagerei und digitale Opfergaben sind längst Teil der modernen thailändischen Spiritualität geworden.

Familie als Lebensprojekt – Wenn aus zwei Menschen ein Clan wird

Die thailändische Familie funktioniert nach anderen Prinzipien als die deutsche Kleinfamilie. Wer eine Thailänderin heiratet, heiratet faktisch ihre gesamte Familie mit. Dies ist nicht metaphorisch gemeint, sondern hat konkrete finanzielle und soziale Konsequenzen.

Das Konzept der „Katanyu“ (กตัญญู, gesprochen: gà-tan-juu)- der Dankbarkeit gegenüber den Eltern – ist in der thailändischen Kultur fest verankert. Erwachsene Kinder haben die moralische und oft auch rechtliche Verpflichtung, ihre Eltern finanziell zu unterstützen. Für westliche Partner bedeutet dies, dass ein Teil des Familieneinkommens regelmäßig nach Thailand fließt – unabhängig davon, wo das Paar lebt.

Geld, Respekt und Familie: Westliche Partner zwischen Tradition und Pflicht

Anfangs verstand ich nicht, warum meine Frau jeden Monat Geld nach Thailand schickte„, erzählt der Münchner Anwalt Stefan. „Ihre Eltern haben ein Haus und Land. Aber es geht nicht nur um finanzielle Bedürftigkeit, sondern um Respekt und Anerkennung.“ Diese Unterstützung kann verschiedene Formen annehmen: monatliche Überweisung, Finanzierung von Hausbau oder -Renovierung, Bezahlung von Schulgebühren für jüngere Geschwister oder medizinische Versorgung für ältere Familienmitglieder.

Entscheidungen werden in thailändischen Familien gemeinschaftlich getroffen. Die Meinung der Eltern, insbesondere der Mutter, hat enormes Gewicht. Dies kann zu Konflikten führen, wenn westliche Vorstellungen von individueller Entscheidungsfreiheit auf kollektive Familienstrukturen treffen. Karriereentscheidungen, Kinderwunsch, Wohnortwahl – all diese Themen werden nicht nur zwischen den Partnern besprochen, sondern mit der gesamten Großfamilie diskutiert.

Kulinarische Welten – Wenn Schärfe auf Geschmack trifft

Das thailändische Essen ist mehr als Nahrungsaufnahme – es ist Kultur, Geselligkeit und Identität zugleich. Für westliche Partner einer Thailänderin bedeutet dies oft eine komplette Neuorientierung der Essgewohnheiten. Thai-Küche ist nicht nur scharf, sondern folgt einem komplexen Gleichgewicht aus süß, sauer, salzig und bitter.

Der Umgang mit Schärfe ist dabei nur die offensichtlichste Herausforderung. Subtiler, aber wichtiger sind die sozialen Aspekte des Essens. Thailänder essen selten allein – Mahlzeiten sind gemeinschaftliche Ereignisse. Verschiedene Gerichte werden geteilt, jeder nimmt sich kleine Portionen von allem. Für Deutsche, die gewohnt sind, einen Teller für sich allein zu haben, ist dies eine Umstellung.

Thai-Essen und Tischkultur: Westliche Partner zwischen Tradition und Alltag

Die Tischmanieren unterscheiden sich ebenfalls erheblich. Mit der Gabel wird das Essen auf den Löffel geschoben, niemals direkt in den Mund geführt. Reis ist nicht Beilage, sondern Grundlage der Mahlzeit. Und das Essen wird kontinuierlich über mehrere Stunden serviert – das Konzept fester Essenszeiten existiert in der traditionellen Thai-Kultur nicht.

Meine Schwiegermutter kocht ab fünf Uhr morgens„, berichtet die Frankfurterin Sandra, die mit ihrem thailändischen Mann in Deutschland lebt. „Wenn wir zu Besuch sind, gibt es alle zwei Stunden neue Gerichte. Am Anfang dachte ich, das wäre nur, wenn Gäste da sind. Aber so läuft das täglich.

Fertigprodukte oder Convenience-Food existieren zwar, gelten aber als Notlösung. Frische Zutaten, möglichst vom Markt, sind Standard. Dies erfordert eine andere Herangehensweise an Einkauf und Mahlzeitenplanung, die viele westliche Partner erst erlernen müssen.

Kommunikation ohne Worte – Die Kunst des Verstehens

Die thailändische Kommunikation ist indirekt und kontextabhängig. Vieles wird nicht ausgesprochen, sondern durch Mimik, Gestik oder Tonfall vermittelt. Für westliche Partner, die gewohnt sind, Dinge beim Namen zu nennen, kann dies zu dauerhaften Missverständnissen führen.

Das berühmte thailändische Lächeln hat verschiedene Bedeutungen. Es kann Freude ausdrücken, Verlegenheit verbergen, Unsicherheit signalisieren oder einfach höfliche Zurückhaltung demonstrieren. Westliche Partner müssen lernen, diese Nuancen zu interpretieren, ohne dabei ihre eigene direkte Kommunikationsweise aufzugeben.

Kritik wird in der thailändischen Kultur extrem indirekt geäußert. Statt „Das gefällt mir nicht“ sagt eine Thailänderin möglicherweise „Das ist auch eine interessante Möglichkeitoder schweigt einfach. Diese Kommunikationsform zielt darauf ab, Harmonie zu bewahren und Gesichtsverlust zu vermeiden.

Ich brauchte Jahre, um zu verstehen, wann meine Frau wirklich zustimmte und wann sie nur höflich war„, gesteht der Hamburger Architekt Marcus. „Inzwischen achte ich mehr auf ihre Körpersprache als auf ihre Worte.“ Diese nonverbale Kommunikation erfordert von westlichen Partnern eine erhöhte Sensibilität und die Bereitschaft, auch eigene Kommunikationsmuster zu überdenken.

Geld, Gesicht und Großzügigkeit – Wirtschaftliche Weltanschauungen

Das Verhältnis zu Geld unterscheidet sich in beiden Kulturen erheblich. Während in Deutschland Sparen und finanzielle Vorsorge als Tugenden gelten, steht in der thailändischen Kultur oft die unmittelbare Großzügigkeit im Vordergrund. Wer Geld hat, soll es teilen – mit Familie, Freunden und Bedürftigen.

Das Konzept des „Merit Making“ (auf Thai: ทำบุญ – tham bun) – des Verdienstes durch gute Taten – beeinflusst den Umgang mit Geld erheblich. Spenden für Tempel, Unterstützung Bedürftiger und großzügige Geschenke sind nicht nur soziale Verpflichtungen, sondern spirituelle Investitionen für das nächste Leben.

Für westliche Partner kann dies herausfordernd sein, wenn die thailändische Partnerin regelmäßig größere Geldbeträge an Familie oder für religiöse Zwecke ausgibt, während gleichzeitig für die Altersvorsorge gespart werden soll. „Meine Frau spendet jeden Monat mehr für den Tempel als ich für meine Lebensversicherung einzahle„, berichtet der Stuttgarter Ingenieur Wolfgang. „Am Anfang hat mich das gestört. Inzwischen verstehe ich, dass dies ihre Art der Zukunftsvorsorge ist.

Status und Prestige spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Teure Markenklamotten, das neueste Smartphone oder ein prestigeträchtiges Auto können wichtiger sein als ein solides Sparkonto. Dies ist nicht oberflächlich, sondern folgt einer anderen Logik: Sichtbarer Wohlstand signalisiert Erfolg und kann zu neuen Geschäftsmöglichkeiten führen.

Zwischen Anpassung und Authentizität – Strategien für das Zusammenleben

Erfolgreiche Thai-westliche Partnerschaften basieren selten auf vollständiger Anpassung einer Seite, sondern auf der Entwicklung einer gemeinsamen, hybriden Kultur. Beide Partner behalten wichtige Aspekte ihrer kulturellen Identität bei, während sie gleichzeitig Elemente der anderen Kultur integrieren.

Die Sprache spielt dabei eine zentrale Rolle. Paare, die langfristig harmonisch zusammenleben, sprechen oft beide Sprachen. Der westliche Partner lernt zumindest Grundlagen des Thai, während die thailändische Partnerin ihre Deutschkenntnisse kontinuierlich verbessert. Dies ermöglicht differenziertere Kommunikation und Zugang zu den jeweiligen kulturellen Codes.

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Flexibilität ist entscheidend, aber nicht grenzenlos. Erfolgreiche Paare definieren gemeinsam, welche kulturellen Praktiken sie übernehmen, welche sie respektieren, ohne sie zu praktizieren, und wo ihre persönlichen Grenzen liegen. Ein deutscher Partner muss nicht zwingend an Wahrsager glauben, sollte aber akzeptieren, dass dies für seine thailändische Partnerin wichtig ist.

Die Familie der thailändischen Partnerin zu verstehen und zu respektieren ist unverzichtbar. Dies bedeutet nicht automatisch, alle Entscheidungen der Großfamilie mitzutragen, aber deren Bedeutung anzuerkennen und konstruktive Wege des Umgangs zu finden.

Zeit als kulturelles Konstrukt – Wenn Pünktlichkeit auf Gelassenheit trifft

Das Zeitverständnis unterscheidet sich in beiden Kulturen erheblich. Deutsche Pünktlichkeit trifft auf thailändische Flexibilität. „Thai Time“ bedeutet nicht Unpünktlichkeit, sondern ein anderes Verständnis von Zeitplanung und Prioritäten.

Spontaneität hat in der thailändischen Kultur einen hohen Stellenwert. Pläne können sich kurzfristig ändern, wenn sich bessere Gelegenheiten ergeben oder Familie Unterstützung benötigt. Für deutsche Partner, die gewohnt sind, ihr Leben detailliert zu planen, kann dies frustrierend sein.

Wir hatten für Samstag einen Ausflug geplant„, erzählt der Kölner Lehrer Andreas. „Freitag abend rief meine Schwiegermutter an, weil sie Hilfe beim Umzug brauchte. Unser Ausflug wurde ohne Diskussion verschoben.“ Diese Flexibilität hat ihre Vorteile – sie ermöglicht spontane Erfahrungen und zeigt die Bereitschaft, für andere da zu sein.

Langfristige Planung erfolgt in der thailändischen Kultur oft weniger detailliert. Während Deutsche gerne Jahre im Voraus planen, bevorzugen viele Thailänder einen adaptiveren Ansatz. Dies kann zu Konflikten führen, wenn es um große Entscheidungen wie Hausbau, Karriereplanung oder Kinderbetreuung geht.

Die nächste Generation – Kinder zwischen den Kulturen

Kinder aus Thai-deutschen Partnerschaften navigieren täglich zwischen zwei kulturellen Welten. Diese Bikulturalität kann Bereicherung und Herausforderung zugleich sein. Eltern müssen entscheiden, welche kulturellen Werte und Praktiken sie weitergeben möchten.

Sprachliche Vielfalt ist oft der erste Schritt. Viele Familien praktizieren das Prinzip „Ein Elternteil, eine Sprache“ – die Mutter spricht Thai mit dem Kind, der Vater Deutsch. Dies erfordert Disziplin von beiden Seiten, eröffnet aber den Kindern den Zugang zu beiden Kulturen.

Religiöse und spirituelle Erziehung wird komplex, wenn buddhistische Traditionen auf christliche oder säkulare westliche Werte treffen. Viele Familien entwickeln pragmatische Lösungen: Kinder lernen beide Traditionen kennen und entscheiden später selbst, was für sie relevant ist.

Die Identitätsfindung kann für diese Kinder herausfordernd sein. In Deutschland sind sie „die Asiaten„, in Thailand „die Farang“ (Ausländer). Erfolgreiche Familien helfen ihren Kindern dabei, diese doppelte Identität als Stärke zu begreifen, nicht als Problem.

Praktische Herausforderungen des Alltags – Von Visa bis Vorurteilen

Jenseits kultureller Unterschiede müssen Thai-deutsche Paare praktische Hürden bewältigen. Visa-Bestimmungen, Anerkennung von Bildungsabschlüssen und bürokratische Verfahren können die Beziehung belasten.

Gesellschaftliche Vorurteile sind allgegenwärtig. Thai-deutsche Paare sehen sich oft mit Klischees konfrontiert – vom „Sextourismus“ bis zur „Katalogbraut„. Diese Vorurteile treffen sowohl den deutschen Mann als auch die thailändische Frau und erfordern ein dickes Fell.

Die Integration in deutsche Gemeinden gelingt unterschiedlich gut. Während manche thailändische Partnerinnen schnell Anschluss finden, bleiben andere isoliert. Deutsche Partner können durch ihre Unterstützung beim Spracherwerb und der sozialen Integration entscheidend helfen.

Umgekehrt müssen deutsche Partner in Thailand lernen, mit ihrer Rolle als „Farang“ umzugehen. Sie bleiben oft Außenseiter, werden aber gleichzeitig mit Erwartungen und Vorurteilen konfrontiert.

Erfolgsgeschichten und Scheitern – Was funktioniert und was nicht

Erfolgreiche Thai-deutsche Partnerschaften teilen bestimmte Charakteristika. Beide Partner sind kulturell neugierig und bereit zu lernen. Sie kommunizieren offen über ihre Erwartungen und Grenzen. Sie respektieren die kulturellen Hintergründe des anderen, ohne die eigene Identität aufzugeben.

Gescheiterte Beziehungen zeigen oft gegenteilige Muster. Ein Partner erwartet komplette Anpassung vom anderen. Kulturelle Unterschiede werden als Störfaktoren empfunden, nicht als Bereicherung. Die Familie wird als Hindernis betrachtet, nicht als Erweiterung der eigenen sozialen Welt.

Der Schlüssel ist Respekt ohne Selbstaufgabe„, fasst der Psychologe Dr. Peter Müller zusammen, der seit Jahren Thai-deutsche Paare berät. „Wer seine Partnerin ändern will, wird scheitern. Wer sich selbst völlig aufgibt, wird unglücklich. Der Mittelweg ist die Kunst.

Kommunikation ist entscheidend, aber sie muss erlernt werden. Viele Paare profitieren von professioneller Beratung, um ihre unterschiedlichen Kommunikationsstile zu verstehen und Brücken zu bauen.

Zukunftsperspektiven – Thailand im Wandel

Thailand verändert sich rasant. Die junge Generation ist westlicher orientiert, gleichzeitig erlebt das Land eine Renaissance traditioneller Werte. Diese Entwicklung beeinflusst auch Thai-deutsche Partnerschaften.

Jüngere Thailänderinnen sind oft selbstbewusster und unabhängiger als frühere Generationen. Sie erwarten von ihren westlichen Partnern mehr kulturelles Verständnis und sind weniger bereit, sich vollständig anzupassen. Dies führt zu gleichberechtigteren, aber auch komplexeren Beziehungen.

Die Digitalisierung verändert die Kommunikation zwischen den Kulturen. Online-Übersetzungstools, kulturelle Blogs und soziale Medien erleichtern das Verständnis, können aber auch Missverständnisse verstärken.

Die wirtschaftliche Entwicklung Thailands reduziert die finanziellen Unterschiede zwischen deutschen und thailändischen Partnern. Dies verändert die Dynamik der Beziehungen und reduziert Abhängigkeiten.

Liebe kennt keine Grenzen, aber Kultur schon

Thai-deutsche Partnerschaften sind möglich und können außerordentlich bereichernd sein. Sie erfordern aber von beiden Partnern die Bereitschaft, über den eigenen kulturellen Tellerrand hinauszublicken. Erfolg stellt sich nicht automatisch ein – er muss erarbeitet werden.

Die wichtigste Erkenntnis lautet: Kulturelle Unterschiede verschwinden nicht durch Liebe, aber sie können durch Verständnis überbrückt werden. Wer bereit ist zu lernen, zu respektieren und Kompromisse zu schließen, ohne sich selbst zu verlieren, kann in einer Thai-deutschen Partnerschaft große Erfüllung finden.

Michael aus München ist inzwischen seit zehn Jahren mit Nim verheiratet. Er spricht mittlerweile passabel Thai, sie perfekt Deutsch. Ihre Kinder wachsen zweisprachig auf, besuchen buddhistische Tempel und christliche Kirchen. „Es ist nicht immer einfach„, gibt Michael zu. „Aber es ist nie langweilig. Und ich habe eine Welt kennengelernt, die mir ohne Nim verschlossen geblieben wäre.

Die Antwort auf die Frage, ob Thai-deutsche Partnerschaften funktionieren können, lautet eindeutig: Ja. Aber nur dann, wenn beide Partner verstehen, dass sie nicht nur eine Person heiraten, sondern eine ganze Kultur – mit allen Herausforderungen und Bereicherungen, die das mit sich bringt.

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Ein Kommentar zu „Isaan-Schock: Deutscher erlebt Geister und Tabus

  1. Um ehrlich zu sein, ich habe diesen Text nur überflogen. Ich wollte nur (erfolglos) die Stelle finden wo und warum der Deutsche diesen zitierten „Schock“ erlitten hat. Na egal, hoffentlich hat er sich erholt und es geht ihm wieder besser.

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