Thailands vergessene Billionen: Die Immobilienkrise hinter glänzenden Fassaden
Über 1,6 Millionen Wohnungen stehen in Thailand leer – ihr Wert entspricht dem Staatshaushalt eines ganzen Jahres. Was als Bauboom begann, entwickelt sich zur stillen Gefahr für Wirtschaft und Gesellschaft.
Die stille Krise der leeren Häuser
Thailand steht vor einem Paradox: Während in den Metropolen der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum steigt, stehen 1,64 Millionen Immobilien unbewohnt da. Diese leeren Einheiten sind mehr als eine statistische Kuriosität – sie repräsentieren eine tiefgreifende Fehlentwicklung auf dem Immobilienmarkt.
Die Thai Condominium Association (AREA) identifiziert diese Objekte anhand eines klaren Kriteriums: extrem niedriger Stromverbrauch. Was dieser einfache Indikator offenbart, ist ein systemisches Problem, das sich über Jahre hinweg aufgebaut hat und nun die gesamte Volkswirtschaft betrifft.
3,45 Billionen Baht wirtschaftlicher Stillstand
Der geschätzte Gesamtwert der unbewohnten Immobilien beläuft sich auf 3,45 Billionen Baht – eine Summe, die dem gesamten Jahresbudget Thailands entspricht. Diese Zahl verdeutlicht das Ausmaß ungenutzter wirtschaftlicher Ressourcen. Gebundenes Kapital, das weder produktiv arbeitet noch zur Wertschöpfung beiträgt, liegt brach in Beton gegossen.
Für eine Volkswirtschaft bedeutet dies verlorenes Potenzial: keine Mieteinnahmen, keine wirtschaftliche Aktivität in den betroffenen Vierteln, keine Multiplikatoreffekte durch Konsumausgaben der Bewohner. Der Immobiliensektor, traditionell ein Motor der thailändischen Wirtschaft, droht zum Ballast zu werden.
Thailands Wohnungsmarkt im Ungleichgewicht
Die Struktur des Leerstands offenbart die Schwachstellen des Marktes: 58 Prozent der unbewohnten Einheiten sind Eigentumswohnungen, sogenannte Condos. Mit einer Leerstandsrate von 24,8 Prozent steht fast jede vierte Condo-Einheit im Land leer.
Diese Konzentration ist kein Zufall, sondern Resultat spezifischer Marktdynamiken. Häuser und Townhouses weisen niedrigere Leerstandsquoten auf, doch auch sie tragen zum Gesamtproblem bei. Das massive Überangebot destabilisiert den Markt als Ganzes und schafft eine Situation, in der selbst gut konzipierte Projekte unter der allgemeinen Marktschwäche leiden.
Bangkok: Epizentrum der Immobilienblase
Die Bangkok-Metropolregion trägt die Hauptlast der Krise: Über 730.000 unbewohnte Einheiten konzentrieren sich in der Hauptstadt und ihrem Umland. Diese geografische Ballung verstärkt die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen. Bangkok, das wirtschaftliche Herz des Landes, sieht sich mit ganzen Hochhauskomplexen konfrontiert, in denen nachts kaum Lichter brennen.
Die Infrastruktur wurde für eine dichte Besiedlung ausgelegt, die niemals eingetreten ist. Straßen, öffentliche Verkehrsmittel und Versorgungseinrichtungen bleiben unterausgelastet, während die Investitionen in diese Infrastruktur bereits getätigt wurden.
Das Condo-Dilemma: Luxus ohne Bewohner
Das Phänomen der leerstehenden Condos durchzieht alle Preissegmente, manifestiert sich jedoch unterschiedlich. Während hochpreisige Einheiten oft als reine Kapitalanlage erworben wurden, ohne dass eine Nutzungsabsicht bestand, sind günstige Condos unter 500.000 Baht besonders problematisch.
Mit einer Leerstandsquote von 21,1 Prozent in diesem Segment zeigt sich, dass auch der untere Markt vom Überangebot betroffen ist.
Die leerstehenden Billigimmobilien unterliegen zudem einem beschleunigten Verfall, da fehlende Instandhaltung die Bausubstanz angreift. Ohne Bewohner, die auf Mängel aufmerksam machen, und ohne Eigentümer, die regelmäßig investieren, entstehen faktische Ruinen in noch jungen Gebäuden.
Wenn Spekulation zu Leerstand führt
Über-Spekulation wird als Hauptursache für die Misere identifiziert. Investoren erwarben Immobilien nicht primär zum Wohnen oder Vermieten, sondern in der Erwartung steigender Preise. Diese spekulative Nachfrage trieb die Bautätigkeit an und schuf ein Angebot, das weit über den tatsächlichen Bedarf hinausging. Der Markt folgte einer Eigenlogik: Solange die Preise stiegen, schien die Strategie aufzugehen.
Doch als die Erwartungen sich nicht mehr erfüllten, blieben viele Eigentümer auf ihren Objekten sitzen. Verkaufen zu niedrigeren Preisen wollten sie nicht, vermieten erschien zu aufwendig – so blieben die Einheiten einfach leer.
Die gefährliche Dominanz des Marktwachstums
Der Condo-Markt expandierte über Jahre hinweg nahezu unkontrolliert. Entwickler reagierten auf die scheinbar unersättliche Nachfrage und schufen immer neue Projekte. Die Fokussierung auf quantitatives Wachstum verdrängte qualitative Überlegungen: Wo ist tatsächlicher Bedarf? Welche Preissegmente sind unterversorgt? Welche Lagen sind wirklich attraktiv?
Diese Frage wurden der Marktlogik untergeordnet. Das Ergebnis ist eine Angebotsstruktur, die den Bedürfnissen der Bevölkerung nur teilweise entspricht und stattdessen die Präferenzen spekulativer Investoren widerspiegelt.
Wie AREA die „Geisterwohnungen“ definiert
Die Thai Condominium Association nutzt den Stromverbrauch als objektiven Indikator für Leerstand. Eine Einheit mit extrem niedrigem oder inexistentem Verbrauch wird als unbewohnt klassifiziert. Diese Methode ist pragmatisch und datenschutzkonform, da sie keine direkten Kontrollen erfordert.
Sie erfasst sowohl Objekte, die niemals bezogen wurden, als auch solche, die ihre Bewohner verloren haben.
Die Definition ermöglicht eine systematische Erfassung des Problems und schafft eine Grundlage für politische Diskussionen. Ohne diese Transparenz wäre das Ausmaß der Krise möglicherweise lange im Verborgenen geblieben.
Die soziale Dimension: leere Städte, wachsende Ungleichheit
Die wirtschaftliche Dimension der Krise hat unmittelbare soziale Folgen. Während massenhaft Wohnraum leersteht, suchen Menschen nach bezahlbaren Unterkünften. Das Paradox ist offensichtlich: Die vorhandenen Einheiten entsprechen nicht den Bedürfnissen derer, die Wohnraum benötigen – sei es aufgrund der Lage, des Preises oder der Eigentumsverhältnisse.
Stadtviertel, die lebendig sein könnten, bleiben seltsam unbelebt. Geschäfte finden keine Kundschaft, öffentliche Plätze bleiben leer, Gemeinschaften können sich nicht bilden. Die soziale Infrastruktur einer funktionierenden urbanen Gesellschaft wird durch den Leerstand untergraben.
Niedrigpreisige Condos im Verfall
Besonders dramatisch ist die Situation bei günstigen Condos. Die 21,1 Prozent Leerstand in diesem Segment treffen auf Objekte, die von vornherein mit geringen Margen kalkuliert waren. Ohne Einnahmen aus Miete oder Eigentümergebühren fehlen Mittel für Instandhaltung. Feuchtigkeit, Schimmel und bauliche Mängel breiten sich aus.
Was als erschwinglicher Wohnraum konzipiert wurde, wird zur Investitionsruine. Die Eigentümer, oft selbst keine wohlhabenden Investoren, sondern Kleinanleger, können oder wollen nicht weiter investieren. Der Verfall beschleunigt sich und macht die Objekte zunehmend unverkäuflich.
Auswirkungen auf Banken und Finanzstabilität
Die Immobilienkrise birgt erhebliche Risiken für den Finanzsektor. Viele der leerstehenden Einheiten wurden kreditfinanziert.
Ohne Mieteinnahmen oder Wertsteigerungen fällt die Rückzahlung schwer. Kredite geraten in Verzug, notleidende Darlehen häufen sich in den Bankbilanzen. Dies erschwert wiederum die Vergabe neuer Kredite, da Banken vorsichtiger werden.
Die Neubauprojekte verlangsamen sich, was die Bauwirtschaft belastet. Ein Teufelskreis entsteht: Die Krise im Immobiliensektor überträgt sich auf das Finanzsystem, und die dortige Vorsicht verschärft wiederum die Probleme am Immobilienmarkt.
Fehlende gesetzliche Gegensteuerung
Bislang fehlt ein regulatorischer Rahmen, der wirksam auf das Problem reagiert. Der Markt wurde sich weitgehend selbst überlassen, in der Annahme, dass Angebot und Nachfrage sich von selbst ausgleichen würden. Diese Annahme hat sich als trügerisch erwiesen. Ohne Anreize oder Sanktionen bleiben viele Eigentümer bei ihrer Strategie des Abwartens.
Sie hoffen auf eine Markterholung, die die Preise wieder steigen lässt. In der Zwischenzeit bleibt das Problem bestehen oder verschärft sich sogar. Die Politik steht vor der Herausforderung, zwischen Eigentumsrechten und volkswirtschaftlichem Interesse abzuwägen.
Die Idee einer Steuer auf Leerstand
Experten schlagen die Einführung einer Land and Building Tax vor, die speziell leerstehende Immobilien belastet. Eine solche Steuer würde finanzielle Anreize schaffen, die Objekte zu verkaufen oder zu vermieten.
Die Ziele sind vielfältig: Verkauf und Vermietung sollen angeregt, Wohnen erschwinglicher gemacht, die Wirtschaft aktiviert und Stadtviertel belebt werden. Das Instrument ist nicht neu – andere Länder haben mit ähnlichen Modellen Erfahrungen gesammelt.
Die Herausforderung liegt in der konkreten Ausgestaltung: Wie hoch muss die Steuer sein, um Wirkung zu zeigen, ohne konfiskatorisch zu wirken? Wie werden Härtefälle berücksichtigt? Wie wird Leerstand zweifelsfrei festgestellt?
Chancen einer neuen Wohnraumpolitik
Die vorgeschlagene Besteuerung könnte multiple positive Effekte entfalten. Wenn Eigentümer ihre leerstehenden Einheiten auf den Markt bringen, steigt das Angebot an verfügbarem Wohnraum. Dies könnte Preise dämpfen und Wohnen erschwinglicher machen.
Gleichzeitig würde die wirtschaftliche Aktivität in bisher verwaisten Vierteln zunehmen. Neue Bewohner bedeuten neue Kunden für lokale Geschäfte, mehr Leben auf den Straßen, stärkere Gemeinschaften. Die Steuereinnahmen selbst könnten für Infrastrukturmaßnahmen oder sozialen Wohnungsbau verwendet werden.
Ohne solche Eingriffe, so die Einschätzung, bleibt ein riesiges wirtschaftliches Potenzial ungenutzt und die strukturellen Probleme verfestigen sich.
Ein Land zwischen Beton und Bedarf
Thailand steht an einem Scheideweg. Die 1,64 Millionen leerstehenden Immobilien im Wert von 3,45 Billionen Baht symbolisieren eine fehlgeleitete Entwicklung, die Korrektur erfordert. Die Konzentration des Problems auf Condos, besonders in Bangkok, zeigt, wo angesetzt werden muss. Die über-spekulative Dynamik hat einen Markt geschaffen, der seine eigentliche Funktion – die
Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum – nur noch eingeschränkt erfüllt. Die Risiken für das Finanzsystem und die sozialen Verwerfungen machen Handeln notwendig. Die diskutierte Besteuerung leerstehender Objekte bietet einen Ansatz, der Verkauf, Vermietung und wirtschaftliche Belebung fördern könnte.
Ob und wie Thailand diese Herausforderung meistert, wird entscheidend sein für die zukünftige Entwicklung des Landes – wirtschaftlich wie gesellschaftlich.




Und sie bauen weiter in hua hin condos
Stimmt! Habe mich auch schon gefragt, wer all die vielen und teuren Wohnungen kaufen soll? Klar, es kommen jedes Wochenende geldige Leute aus Bangkok. Aber so viele mehr? Und so riesige internationale Touristenmassen kommen ja auch nicht, um sich hier mit einer Wohnung binden zu wollen. Zudem wird im Speckgürtel um Hua Hin ein Village nach dem anderen hin betoniert. Die Blase wird auch hier irgendwann ganz genauso platzen. Aber sehen wir es positiv, wenn’s erst mal soweit ist, wird unser Euro wieder mehr wert. Alles schon mal hier erlebt.
Bleibt die Frage, wie lange es den Euro noch gibt.
Gier frisst Verstand. Die Gier von Banken, Bauunternehmern, Projektentwicklern, Spekulanten, (Klein-) Anlegern hat zu dieser Baublase geführt.
Mein Mitleid hält sich in Grenzen.
warum wundert mich dieser leerstand un ddiese überangebot nicht?
ich sagte schon vor rund 8 jahren ( also als covid noch gar nciht bekannt war ) daß es irgendwann einen großen crash bei den immobilien gibt so lange nicht thais kein grund und boden besitzen dürfen
Richtig. Vor 20/30 Jahren war es sinnvoll zu kaufen – die Preise stiegen ständig. Heute : Finger weg, die Preise sind überrissen.Vielleicht ändert das wieder mal, vielleicht, vielleicht…..
Übrigens glaube ich nicht, dass eine Besteuerung von leerstehenden Wohnraum hilfreich sein könnte. Erstens würde die Erfassung und Bewertung ein bürokratisches Monstrum erschaffen das mehr kosten dürfte als Steuern damit eingetrieben werden könnten. Zum Zweiten sind die Investoren in diesen Leerstand in aller Regel wenige, aber sehr vermögende Leute. Ein bisschen Steuern darauf wird die nicht veranlassen wesentliche Korrekturen nach unten für Mieten und/oder Kaufpreise vorzunehmen. Da gab es doch mal so einen Satz von den Peanuts, oder?
Leerstands-Steuer wäre trotzdem immer noch ein Eingriff in das Eigentumsrecht,
ob sie nun was bringt, oder nicht. Aber wann hat das staatliche Finanz-Syndikat jemals
nach Bürger- oder Privatrechten gefragt.
Und wenn die Blase platzt,….geht’s halt wieder einmal in die Hose……