Drei Jahre nach Legalisierung: Cannabis wird zum nationalen Risiko

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Nach dem grünen Rausch kommt der Kater

Ein Artikel von Kilian Borchert

Drei Jahre nach dem historischen Schritt, als Thailand am 8. Februar 2022 als erstes asiatisches Land Cannabis entkriminalisierte, wächst die Sorge um die Folgen. Experten schlagen Alarm, Gesundheitskosten explodieren und das Vertrauen in eine sinnvolle Regulierung bröckelt. Was einst als Fortschritt gefeiert wurde, droht zum politischen Bumerang zu werden.

Zwar war die ursprüngliche Absicht, den medizinischen Nutzen von Cannabis zu fördern. Doch in der Realität hat sich ein völlig unkontrollierter Markt entwickelt – mit weitreichenden Konsequenzen für die Gesellschaft.

Kostenexplosion und Kontrollverlust

Laut Dr. Ratsamon Kalayasiri, Leiterin des Zentrums für Suchtstudien, haben sich die gesundheitlichen Kosten durch Cannabisgebrauch rasant gesteigert. „Allein im Jahr 2023 beliefen sich die Kosten auf 15,82 Milliarden Baht [ca. 398 Millionen Euro],“ berichtet sie. Die Zahlen stammen aus einer umfassenden Studie in Kooperation mit der Thammasat- und Chulalongkorn-Universität.

Seit der Legalisierung schossen Cannabis-Geschäfte wie Pilze aus dem Boden – besonders in Touristen-Hotspots wie der Khaosan Road. Doch die Kontrolle? Nahezu nicht existent.„Die meisten Shops halten sich nicht einmal an die Alterskontrolle“, warnt Kalayasiri. Offiziell liegt das Mindestalter bei 20 Jahren, doch die Realität sieht anders aus: Der Anteil der Konsumenten im Alter von 18-19 Jahren stieg von 0,9 % im Jahr 2019 auf erschreckende 9,7 % im Jahr 2022.

Zerstörte Träume und verlorene Kontrolle

Auch Gemeindeführer wie Rangsan Chuenprasert schlagen Alarm. „Jahrelange Arbeit gegen Drogen wurde durch die Legalisierung von Cannabis zunichte gemacht,“ klagt er. In seinem Viertel, Wat Amphawa, seien Cannabis-Pflanzen inzwischen in vielen Vorgärten zu finden, Shops gäbe es an jeder Straßenecke.

Die Sorge: Jugendliche könnten von Cannabis auf härtere Drogen wie Heroin umsteigen. „Wir brauchen dringend ein Gesetz zur Kontrolle von Cannabis,“ fordert Rangsan mit Nachdruck.

Sechs Gesetzesvorlagen, keine Entscheidung

Trotz der eskalierenden Lage liegt noch immer kein verbindliches Gesetz vor. Mindestens sechs Gesetzesvorlagen, unter anderem von der Thai Drug Watch Group (TDWC), warten auf parlamentarische Behandlung.

Dr. Niyada Kiattiying-Angsulee, Leiterin des TDWC, betont: „Unser Gesetzesentwurf zielt auf Verbraucherschutz – besonders für junge Menschen.“ Doch bisher herrscht ein rechtliches Vakuum, das den Wildwuchs fördert.

Auch Dr. Paisan Limsathit von der Thammasat-Universität kritisiert die frühzeitige Streichung von Cannabis von der Betäubungsmittelliste. „Das gefährdet nicht nur die öffentliche Gesundheit, sondern verstößt auch gegen internationale Vereinbarungen.“

Internationale Kritik und nationale Folgen

Die internationale Kritik lässt nicht auf sich warten. Länder warnen ihre Bürger vor dem Mitbringen von Cannabis aus Thailand – wo es legal ist – in ihre Heimat, wo es nach wie vor strafbar ist. Auch thailändische Botschaften raten Reisenden zur Vorsicht.

Watcharapong Poomchuen von der Substance Abuse Academic Foundation bringt es auf den Punkt: „Unsere verfehlte Cannabis-Politik hat die Jugend zum Opfer gemacht. Die Träume ganzer Generationen stehen auf dem Spiel.“

Die Frage, die viele stellen: Wer profitiert eigentlich vom Cannabis-Boom – wenn nicht die Bevölkerung?

Regierung reagiert spät, aber immerhin

Nun hat das Gesundheitsministerium unter Minister Somsak Thepsuthin reagiert. Innerhalb von 40 Tagen soll die Thai Traditional and Alternative Medicine Authority (DTAM) neue Regeln umsetzen.

Geplant sind unter anderem:

  • Pflichtrezepte für medizinische Anwendungen (z. B. bei Epilepsie, Schlafstörungen)
  • Mengenbeschränkung: max. 30 g Cannabis pro Person und Monat
  • Qualitätskontrollen nach EU-Richtlinien (GACP)
  • Lizenzerneuerung alle 3 Jahre, bei Verstößen droht Lizenzentzug

Dr. Somlerk Jeunsmarn, Generaldirektor des DTAM, bestätigt: „Derzeit arbeiten rund 47 Farmen nach diesen Standards und beliefern etwa 17.000 bis 18.000 Shops – meist kleine Betriebe.“

Die überarbeitete Verordnung war bis zum 15. Juni zur öffentlichen Kommentierung freigegeben.

Ein Hoffnungsschimmer?

Ob diese Maßnahmen genügen, ist offen. Viele fordern mehr Transparenz: Wie viele Shops wurden kontrolliert? Wie viele verloren ihre Lizenz? Wie viele Betreiber stehen unter Anklage?

Smith Srisont, Präsident des Gerichtsmedizinischen Verbands Thailands, fordert genaue Zahlen und ein Ende der Intransparenz. Auch Dr. Niyada stellt klar: „Medizinische Anwendung ist sinnvoll – aber nur unter klarer Aufsicht.“

Thailand steht am Scheideweg. Nur mit einem effektiven Gesetz, konsequenter Kontrolle und gesellschaftlichem Rückhalt kann der Umgang mit Cannabis in geordnete Bahnen gelenkt werden.

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