Ein demütiger Wai
Ein offener Riss
Ein Artikel von Kilian Borchert
BANGKOK/UBON RATCHATHANI – Mit gefalteten Händen, einem traditionellen Wai und einem leisen „Ich entschuldige mich aufrichtig“ hat Premierministerin Paetongtarn Shinawatra versucht, die Wogen zu glätten. Adressiert war die Geste an Generalleutnant Boonsin Padklang, einen der mächtigsten Männer der thailändischen Streitkräfte – und das, nachdem ein privates Telefonat mit dem kambodschanischen Ex-Premier Hun Sen an die Öffentlichkeit gelangt war. Darin hatte sie Boonsin als jemanden „von der Gegenseite“ bezeichnet.
Der Schaden ist enorm – innenpolitisch wie diplomatisch.
Was im Verborgenen geschah, wird zum öffentlichen Desaster
Das geleakte Gespräch, angeblich 17 Minuten lang, hat eine Welle losgetreten, die die Regierung ins Wanken bringt. In dem Mitschnitt, den Hun Sen selbst veröffentlichte, hört man Paetongtarn von einem möglichen Abbau der Grenzkontrollen sprechen – betont allerdings, dass sie zuerst mit dem Verteidigungsministerium Rücksprache halten müsse. Auch eine klare Aussage gegen Krieg oder Gewalt ist enthalten. Doch das reicht nicht, um die Opposition zu besänftigen.
Für viele Kritiker ist das Gespräch ein Beleg politischer Naivität – für andere ein Verrat am Amt.

Opposition tobt
Rücktritt wird verlangt
Insbesondere die People’s Party, Anti-Thaksin-Gruppen und mehrere Akademiker fordern den sofortigen Rücktritt. „Wer einen ausländischen Führer ‚Onkel‘ nennt und sich dann von ihm bloßstellen lässt, kann nicht Premierministerin bleiben“, heißt es aus Oppositionskreisen.
Dem entgegnen Unterstützer der Pheu-Thai-Partei, dass Paetongtarn keineswegs gegen das nationale Interesse gehandelt habe. „Sie wollte nur eine friedliche Lösung“, sagen Regierungsnahe. Doch die Debatte spaltet das Land entlang alter Linien.
Bhumjaithai zieht sich zurück
Koalition in der Krise
Parallel zum öffentlichen Druck kommt der politische Kollaps: Die Bhumjaithai-Partei, zweitgrößter Koalitionspartner mit 69 Abgeordneten, erklärte Anfang der Woche ihren Rückzug. Parteichef Anutin Charnvirakul hatte sich geweigert, das Innenministerium abzugeben – und macht nun Paetongtarn direkt für den diplomatischen Eklat verantwortlich. In einem dramatischen Brief fordert die Partei: „Verantwortung übernehmen – oder gehen.“
Andere kleinere Koalitionsparteien bleiben zwar an Bord, doch auch dort rumort es gewaltig.
United Thai Nation zersplittert
Ein Land, zwei Richtungen
Auch die United Thai Nation Party (UTN), einst von Prayuth Chan-ocha mitbegründet, steckt im Chaos. Der Vorschlag, Paetongtarn durch den Pheu-Thai-Kandidaten Chaikasem Nitisiri zu ersetzen, hat die Partei in zwei Lager gespalten. Beide Gruppen halten exakt 18 Sitze – ein politisches Patt mit Sprengkraft.
Der UTN-Vizevorsitzende Juti Krairiksh droht offen: „Wenn die Premierministerin nicht geht, gehen wir.“
Der Senat greift ein – und will sie absetzen
Während das Parlament sich zerfleischt, zieht auch der Senat die Reißleine. Senatspräsident Mongkol Surasajja hat Petitionen beim Verfassungsgericht und der Anti-Korruptionskommission (NACC) eingereicht, um Paetongtarn wegen „Ehrverlustes für das Land“ aus dem Amt zu entfernen. Die Militärkommission des Senats erklärte: „Das Volk hat genug. Diese Regierung ist unfähig, das Land zu führen.“
Pikant: Mongkol selbst wird in einem anderen Skandal rund um angebliche Manipulationen bei der Senatswahl verhört – und steht unter dem Verdacht der Geldwäsche.
Hun Sen gießt Öl ins Feuer
Wie um Paetongtarn weiter zu demütigen, veröffentlichte Hun Sen am Freitag Fotos ihres Besuchs in seinem Haus im April. Dazu schrieb er süffisant, dass sie „die Schlafzimmer von Thaksin und Yingluck besucht habe“ – ein symbolischer Dolchstoß.
Politik wird hier zur Bühne der Blamage – mit internationaler Dimension.
Kabinettsumbildung als letzter Ausweg?
Paetongtarn bleibt nur wenig Zeit. Eine umfassende Kabinettsumbildung ist in Arbeit, möglicherweise schon in dieser Woche. Damit will sie die Koalitionspartner besänftigen und die Lage stabilisieren. „Thailand braucht eine starke Regierung zum Schutz seiner Souveränität“, betonte sie in einer Ansprache.
Doch die Uhr tickt – und das nächste Tonband könnte bereits existieren.