Leserbrief eines alten Farangs aus dem Isaan

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Seit über zehn Jahren lebe ich in Buriram, einem ruhigen Flecken im Isaan, fern vom Touristenrummel. Mit 67 Jahren, ursprünglich aus dem Raum Stuttgart, wo ich als technischer Zeichner arbeitete, habe ich mir dieses Leben bewusst ausgesucht. Thailand hat mich mit seiner Wärme, Herzlichkeit und Einfachheit von Anfang an gefangen. Meine Frau, eine bodenständige Isaan-Frau Mitte fünfzig, hat mir mehr über Geduld beigebracht als jeder Chef in Deutschland.

Ein Erlebnis hat mir besonders die Augen geöffnet. Ich wollte den Doi Inthanon, Thailands höchsten Berg, besuchen, 2.565 Meter hoch. In meiner deutschen Besserwisserei sagte ich: „Ich gehe in kurzer Hose, T-Shirt und Flip-Flops hoch. Thailand ist doch warm!“ Meine Frau lächelte nur und meinte: „Du wirst frieren.“ Ich winkte ab. Doch oben, bei 7 Grad Celsius, fror ich erbärmlich in meinen Flip-Flops, während sie in Jacke und Mütze gut vorbereitet war. Sie hatte recht – wie so oft. Thailand ist klimatisch vielfältiger, als ich dachte, und meine Frau kennt ihr Land besser, als ich es je könnte.

Solche Momente machen demütig. Thailand verlangt Anpassung. Die Bürokratie treibt einen in den Wahnsinn, einmal brauchte ich vier Monate, um ein Konto zu eröffnen. Geduld ist hier keine Schwäche, sondern eine Tugend. Auch der Alltag ist anders: Man grüßt mit einem Wai, spricht leise, bleibt gelassen. Meine Schwäger leben im Moment, während ich früher Pläne schmiedete. Heute schätze ich diesen „Sanuk“, diese Lebensfreude, auch wenn es Herausforderungen gibt.

Das Leben wird teurer, selbst in Buriram. Ein Mittagessen kostet heute oft doppelt so viel wie früher. Mit einer durchschnittlichen Rente lebt man nicht wie ein König, sondern landet schnell in der Realität. Auch die Gesundheitsversorgung ist zweigeteilt: Privatkliniken sind top, aber teuer; öffentliche Krankenhäuser können überfordert sein. Manche Expats machen es sich schwer, indem sie sich nicht anpassen und über alles meckern. Ich schäme mich manchmal für ihr Verhalten.

Trotzdem bereue ich nichts. Morgens, mit Kaffee auf der Veranda, während meine Frau mir Reis hinstellt, fühle ich mich angekommen. Thailand hat mich nicht gebraucht, aber aufgenommen. Dafür bin ich dankbar und werde künftig auf meine Frau hören, besonders bei Bergtouren.

Mit freundlichen Grüßen
Karl M. aus Buriram
(Ehemals Esslingen am Neckar)

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