NIDA-Umfrage erschüttert das politische Establishment
BANGKOK -Die neueste Umfrage des National Institute of Development Administration (NIDA) bringt das politische Gefüge Thailands ins Wanken. Zwischen dem 19. und 25. Juni 2025 befragte das Institut 2.500 Menschen im ganzen Land – mit einem klaren Ergebnis: Die erst kürzlich gegründete People’s Party, ein direkter Erbe der Move Forward Party, liegt mit 46,08 % Zustimmung unangefochten an der Spitze. Premierministerin Paetongtarn Shinawatra hingegen erleidet einen historischen Absturz. Ihre Pheu Thai Partei kommt nur noch auf magere 11,52 %.
Noch dramatischer ist der persönliche Einbruch der Premierministerin: Nur 9,20 % der Befragten halten sie noch für eine geeignete Regierungschefin. Damit fällt sie hinter Rivalen wie General Prayut (12,72 %) und sogar hinter Nattapong Ruangpanyawut von der People’s Party zurück, der mit 31,48 % klar führt.
„Das Vertrauen ist verloren“
Ein wachsender Ruf nach Wandel
Der rasante Aufstieg der People’s Party lässt sich vor allem durch die zunehmende Frustration mit dem politischen Establishment erklären. Junge und urbane Wähler zeigen sich enttäuscht von dynastischen Strukturen, Klientelismus und leerer Versprechen. „Wir brauchen eine neue Generation von Politikern, nicht nur neue Namen“, sagte ein Befragter.
Das progressive Profil von Nattapong und die klare Abgrenzung zur alten Politik geben vielen Wählern Hoffnung. Gleichzeitig ist die Popularität von Paetongtarn nach der umstrittenen Audioaufnahme mit Hun Sen massiv eingebrochen. Die neunminütige Aufnahme, in der sie gegenüber dem kambodschanischen Premier als zögerlich und abhängig wirkt, hat ihr politisches Image nachhaltig beschädigt.
Verfassungsgericht könnte Paetongtarn endgültig zu Fall bringen
Als wäre der Absturz in der öffentlichen Meinung nicht genug, droht nun auch noch ein gerichtliches Nachspiel. Das Verfassungsgericht wird in den kommenden Tagen über eine mögliche Verletzung der Verfassung durch Paetongtarn urteilen – unter anderem wegen des besagten Telefonats mit Hun Sen am 15. Juni.
Sollte das Gericht gegen sie entscheiden, müsste sie sofort zurücktreten. „Ein Rücktritt wäre unvermeidbar – und ein weiterer Sargnagel für die Pheu Thai Partei“, kommentierte ein politischer Analyst. Die einzige Alternative auf der Wahlliste von 2023 wäre der ältere Jurist Chaikasem Nitisiri – gesundheitlich angeschlagen und ohne jede Massenwirkung. Eine Rückkehr ins Vertrauen der Wähler scheint ausgeschlossen.
Macht liegt weiter bei Eliten – und beim Militär
Trotz des eindeutigen Wählerwillens bleibt der Weg zur Veränderung steinig. Die Machtverhältnisse im Parlament folgen nicht direkt dem Volkswillen. Premierminister werden nicht vom Volk, sondern von Abgeordneten gewählt. Diese sind häufig tief in lokale Patronagenetze verstrickt – genau jenes System, das die People’s Party zu überwinden sucht.
Das weckt düstere Erinnerungen: Bereits 2008 und 2014 wurden demokratisch gewählte Premierminister durch Gerichtsentscheidungen und Militärinterventionen entmachtet. „Demokratie in Thailand ist nie sicher – selbst nicht mit 46 % Unterstützung“, warnt ein Politikwissenschaftler.
Das Erbe des Verrats:
Warum die Pheu Thai so tief gefallen ist
Die Wurzeln der heutigen Misere reichen zurück zur Regierungsbildung nach der Wahl 2023. Damals entschied sich Pheu Thai entgegen aller Erwartungen gegen ein Bündnis mit der Move Forward Party – und damit gegen den erklärten Wählerwillen. Der Eindruck eines politischen Verrats hat sich tief ins kollektive Gedächtnis der Bevölkerung eingebrannt.
Die aktuelle NIDA-Umfrage zeigt, wie stark die Pheu Thai diesen Vertrauensverlust noch immer spürt. Und wie wenig sie bislang unternommen hat, um ihn wieder gutzumachen. Mit Paetongtarn als Frontfrau – angeschlagen, unbeliebt und möglicherweise bald verfassungswidrig im Amt – steht die Partei nun am Rand des politischen Abgrunds.
Das Fenster der Demokratie schließt sich – oder öffnet sich ganz
Thailand steht am Scheideweg. Eine echte Erneuerung scheint greifbar – doch nur, wenn das politische System die Zeichen der Zeit erkennt. Sollte Paetongtarn zurücktreten oder abgesetzt werden, wäre der Weg frei für einen politischen Neuanfang mit Nattapong Ruangpanyawut und der People’s Party. Doch viele fürchten, dass die alten Kräfte – Gerichte, Militär, konservative Eliten – diesen Wandel blockieren.
Der Ruf nach Demokratie war selten lauter. Aber auch die Gefahr einer erneuten Intervention war lange nicht mehr so real.