Skandalöser Anruf entfacht politische und juristische Lawine
BANGKOK – Die thailändische Premierministerin Paetongtarn Shinawatra steht unter massivem juristischen und politischen Druck. Nach dem geleakten Telefongespräch mit dem ehemaligen kambodschanischen Premier Hun Sen, das Mitte Juni über dessen Social-Media-Kanal veröffentlicht wurde, formiert sich eine beispiellose Welle von Anklagen und Protesten. Kritiker werfen ihr unter anderem Verfassungsbruch, Amtsmissbrauch und Gefährdung der nationalen Sicherheit vor.
In dem brisanten Gespräch bezeichnete Paetongtarn den thailändischen Militärkommandeur Generalleutnant Boonsin Padklang als „jemanden aus dem gegnerischen Lager“ und bat Hun Sen: „Sag einfach, was du willst – wir regeln das für dich.“ Für viele Thais war dies nicht nur eine politische Entgleisung, sondern ein Kniefall vor einem ausländischen Machtpolitiker.
36 Senatoren wollen Paetongtarns sofortige Suspendierung
Am deutlichsten reagierten 36 konservative Senatoren: Sie reichten beim Verfassungsgericht eine Petition ein, um Paetongtarn ihres Amtes zu entheben. Gleichzeitig forderten sie beim Nationalen Antikorruptionskomitee (NACC) eine Untersuchung wegen schwerwiegenden Fehlverhaltens und Machtmissbrauchs.
„Wir erwarten, dass das Gericht den Fall annimmt und die Premierministerin umgehend suspendiert“, sagte Senator Chaiyong Manirungsakun, einer der Antragsteller. Auch ehemalige Verfassungsrichter wie Charan Pakdeethanakul rechnen mit einer Suspendierung. Das Gericht will am 1. Juli über die Annahme der Klage entscheiden.
„Das wird ein juristischer Krieg“, so Charan, „aber besser als ein Militärputsch oder Straßenschlachten.“
Nationalverrat?
Ermittlungen wegen Gefährdung der Souveränität
Noch gravierender ist eine separate Klage beim Central Investigation Bureau, in der Paetongtarn der Verstoß gegen Artikel 119 des Strafgesetzbuchs vorgeworfen wird. Dieser Artikel sieht vor:
„Wer das Königreich oder Teile davon unter fremde Souveränität stellt oder dessen Unabhängigkeit untergräbt, wird mit dem Tod oder lebenslanger Haft bestraft.“
Die Anzeige wurde unter anderem von Ex-Senator Somchai Sawangkan, dem Juristen Komsan Pohkong und dem Anwalt Nitithorn Lamluea eingereicht. Sie sehen in Paetongtarns Gespräch mit Hun Sen eine Gefährdung der thailändischen Souveränität – insbesondere im Hinblick auf den sensiblen Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha.
Weitere Klagen von Aktivisten, Juristen und politischen Gegnern
Auch bekannte politische Aktivisten wie Srisuwan Janya – trotz seines eigenen Skandals im letzten Jahr – haben beim NACC eine Beschwerde eingereicht. Parallel dazu stellte Ruangkrai Leekitwattana bei der Wahlkommission den Antrag, die Premierministerin auf mangelnde „offensichtliche Integrität“ hin zu prüfen.
In vier Provinzen – Ubon Ratchathani, Songkhla, Phitsanulok und Loei – haben lokale Gruppen separate Strafanzeigen gegen Paetongtarn gestellt. Besonders lautstark: Assoc. Prof. Jak Punchoopet, ein langjähriger Kritiker der Shinawatra-Familie, der mit rund 100 Bürgern zur Polizei in Phitsanulok marschierte. „Die Premierministerin gefährdet mit ihrem Verhalten die Sicherheit unseres Landes“, sagte er.
Politisches Erbe ihres Vaters als Schatten über der Affäre
Nicht nur juristisch, auch politisch ist die Lage für Paetongtarn desaströs. Ihre Nähe zu Hun Sen ist kein Zufall – ihr Vater Thaksin Shinawatra, Ex-Premier und Strippenzieher der Pheu Thai Partei, unterhielt jahrzehntelang enge Beziehungen zum kambodschanischen Langzeitherrscher. Viele Kritiker sehen in dem Gespräch eine Fortsetzung dieser persönlichen Machtachse auf Kosten nationaler Interessen.
Die Pheu Thai Partei gerät zunehmend ins Wanken. Schon die jüngste NIDA-Umfrage zeigte einen dramatischen Absturz – sowohl für die Partei als auch für Paetongtarn selbst. Politische Beobachter sprechen offen davon, dass ihr Rücktritt oder ihre Absetzung nur noch eine Frage der Zeit sei.