Die thailändische Politik befindet sich erneut in turbulenten Zeiten. Nach der vorläufigen Suspendierung von Premierministerin Paetongtarn Shinawatra durch das Verfassungsgericht am 1. Juli 2025 steht das Königreich vor einer Regierungskrise. In diesem Kontext wird der Vorsitzende der Bhumjaithai-Partei, Anutin Charnvirakul, als möglicher Übergangspremier gehandelt. Doch wie realistisch sind diese Spekulationen, und welche Rolle spielt die thailändische Verfassung in dieser Situation? Dieser Beitrag analysiert die Lage unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und aktuellen politischen Entwicklungen.
Hintergrund: Suspendierung von Paetongtarn Shinawatra
Am 1. Juli 2025 suspendierte das thailändische Verfassungsgericht Premierministerin Paetongtarn Shinawatra aufgrund einer Petition, die ihr einen „schwerwiegenden Verstoß gegen ethische Grundsätze“ vorwirft. Auslöser war ein durchgesickertes Telefonat mit dem ehemaligen kambodschanischen Regierungschef Hun Sen, in dem Paetongtarn ihn als „Onkel“ ansprach und einen hochrangigen thailändischen Militärvertreter in der Grenzregion als ihren „Gegner“ bezeichnete. Dieses Telefonat, das den schwelenden Grenzkonflikt im Smaragd-Dreieck betraf, löste öffentliche Empörung aus, da es als unterwürfig gegenüber Kambodscha und respektlos gegenüber dem thailändischen Militär interpretiert wurde. Die Suspendierung gilt, bis das Verfassungsgericht eine endgültige Entscheidung trifft, und Paetongtarn bleibt vorerst Kulturministerin.
Die Bhumjaithai-Partei, die zweitgrößte Koalitionspartei, verließ daraufhin die Regierungskoalition, was die Mehrheit der Pheu-Thai-Partei auf eine hauchdünne Basis reduzierte. Am Wochenende vor der Suspendierung protestierten Tausende in Bangkok, viele davon Anhänger der royalistischen „Gelbhemden-Bewegung“, und forderten Paetongtarns Rücktritt. Vize-Premier Phumtham Wechayachai übernahm kommissarisch die Regierungsgeschäfte
Anutin Charnvirakul: Kandidat für das Amt des Premiers?
Inmitten dieser Krise tauchten Spekulationen auf, dass Anutin Charnvirakul, Vorsitzender der Bhumjaithai-Partei, als Übergangspremier infrage kommen könnte. Diese Gerüchte wurden durch Berichte und Diskussionen in sozialen Medien angeheizt, insbesondere nach einem Treffen zwischen Anutin und Natthapong Ruangpanyawut, dem Oppositionsführer der Volkspartei. Anutin hat jedoch klargestellt, dass es keine offiziellen Gespräche innerhalb seiner Partei über eine solche Rolle gibt: „Die Idee, dass ich einspringe, ist reine Spekulation und widerspricht dem parlamentarischen Ablauf“
Nach der thailändischen Verfassung von 2017 erfordert die Ernennung eines Ministerpräsidenten eine Mehrheit von 376 Stimmen in der Nationalversammlung, die aus 500 Mitgliedern des Repräsentantenhauses und 250 vom Militär ernannten Senatoren besteht. Da Bhumjaithai nur 71 Sitze im Repräsentantenhaus hält, wäre Anutin auf eine breite Koalition angewiesen, einschließlich der Unterstützung von Parteien wie Pheu Thai oder der Volkspartei. Beide Optionen sind jedoch unwahrscheinlich: Pheu Thai steht unter Druck durch die laufende Krise, und die Volkspartei (ehemals Move Forward) verfolgt eine progressive Agenda, die mit Bhumjaithais konservativer Haltung kollidiert, insbesondere in Bezug auf die Reform des Majestätsbeleidigungsgesetzes.
Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen
Die thailändische Verfassung von 2017 legt klare Regeln für die Regierungsbildung und die Rolle des Verfassungsgerichts fest. Das Gericht hat die Befugnis, Regierungsmitglieder wegen Verstößen gegen den Ethikkodex, der für Kabinettsmitglieder, Abgeordnete und Senatoren gilt, zu suspendieren oder abzusetzen. Dieser Ethikkodex verlangt „eindeutige Rechtschaffenheit“, und Verstöße können, wie im Fall von Paetongtarn und ihrem Vorgänger Srettha Thavisin, zur Amtsenthebung führen. Die Suspendierung Paetongtarns zeigt die Macht des Verfassungsgerichts, das oft als Bollwerk des konservativen Establishments aus Militär und Monarchie wahrgenommen wird.
Sollte Paetongtarn dauerhaft abgesetzt werden, müsste das Parlament einen neuen Ministerpräsidenten wählen. Anutin betonte, dass jede Übergangslösung verfassungsrechtlich einwandfrei sein müsse: „Wir halten uns an das Gesetz, und jede Entscheidung braucht klare Mehrheiten im Parlament“. Dies schließt auch die Möglichkeit aus, dass ein Premier ohne breite Unterstützung ernannt wird, was die Spekulationen über Anutin als „Not-Premier“ unwahrscheinlich macht.
Bhumjaithai in der Opposition: Strategischer Schachzug?
Die Entscheidung der Bhumjaithai-Partei, die Regierungskoalition zu verlassen, hat ihre Position gestärkt, da sie nun als potenzieller „Königsmacher“ in einer zersplitterten politischen Landschaft gilt. Anutins Treffen mit Natthapong deutet auf eine mögliche Annäherung an die Volkspartei hin, obwohl ideologische Differenzen, insbesondere über Verfassungsreformen, eine Koalition erschweren könnten. Anutin betonte seine Offenheit für Dialog: „Wir sind bereit, zu sprechen, aber es wird keine Hinterzimmerdeals geben“. Dies unterstreicht seinen Fokus auf Transparenz und demokratische Prozesse.
Verfassungsreformen: Ein heikles Thema
Die Volkspartei, die aus der aufgelösten Move-Forward-Partei hervorgegangen ist, verfolgt eine progressive Reformagenda, insbesondere die Änderung des Majestätsbeleidigungsgesetzes (Artikel 112), das kritische Äußerungen gegen die Monarchie mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft. Bhumjaithai hat sich während des Wahlkampfs 2023 gegen solche Reformen ausgesprochen, und Anutin bleibt zurückhaltend: „Verfassungsänderungen brauchen breite Zustimmung und müssen parlamentarisch sauber geregelt werden.“ Dies entspricht der Verfassung, die für Änderungen eine Zweidrittelmehrheit und in bestimmten Fällen ein Referendum vorschreibt.
Die Auflösung der Move-Forward-Partei im August 2024 durch das Verfassungsgericht wegen ihrer Reformpläne zeigt, wie sensibel dieses Thema ist. Anutins vorsichtige Haltung könnte strategisch sein, um das konservative Establishment nicht zu verprellen, während er sich für mögliche Koalitionsgespräche positioniert.
Stabilität statt Spekulation
Die Spekulationen über Anutin Charnvirakul als Übergangspremier sind derzeit nicht durch konkrete Beweise gestützt. Die thailändische Verfassung und der Einfluss des Verfassungsgerichts stellen klare Hürden für eine solche Ernennung dar. Anutins Betonung auf gesetzeskonforme Prozesse und seine Gesprächsbereitschaft mit der Opposition deuten darauf hin, dass er seine Partei strategisch positioniert, ohne sich auf voreilige Machtspiele einzulassen. Die Regierungskrise bleibt jedoch akut, und die nächsten Wochen werden zeigen, ob das Parlament eine stabile Lösung finden kann.
Quellen:
Anuntin als PM waere ein Segen fuer Expats / Farangs. Er ist bekannt dafuer, dass er westliche Ausländer besonders mag.