Washington/Bangkok – Die diplomatische Offensive Thailands endet im Stillstand: Die Gespräche über ein Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten sind gescheitert. Während die Nachbarn Deals sichern und Zölle senken, kehrt Finanzminister Pichai Chunhavajira mit leeren Händen zurück. Der Preis der Verzögerung? Steigende Zölle, fallende Wachstumsprognosen – und ein wachsendes Gefühl außenpolitischer Isolation.
Was sich am Donnerstagabend in Washington abzeichnete, wurde am Freitag zur Gewissheit: Thailand bleibt außen vor. Weder gelang es, eine Senkung des aktuellen US-Einfuhrzolls von 36 Prozent zu erzielen, noch eine Übergangslösung zu vereinbaren. Vietnam und Kambodscha hingegen haben sich Positionen gesichert – zu deutlich besseren Konditionen. Der Unterschied ist mehr als symbolisch: Er könnte strukturelle Wettbewerbsnachteile für thailändische Exporteure nach sich ziehen, insbesondere in der Elektronik- und Agrarbranche.
Enttäuschte Erwartungen nach hochrangigen Gesprächen
Dabei war die Erwartungshaltung vor der Reise hoch. Pichai hatte sich in Washington mit führenden Vertretern der US-Regierung getroffen – darunter dem stellvertretenden Finanzminister sowie Jamieson L. Greer, dem zentralen Architekten der neuen amerikanischen Handelspolitik unter Präsident Trump. Auch Wirtschaftsvertreter der Agrarindustrie waren involviert, einem traditionell einflussreichen Sektor in Washington. Und doch blieb der Durchbruch aus.
„Wir haben kein Abkommen geschlossen“, erklärte Pichai in einer Videobotschaft während eines Zwischenstopps in Seoul. Er bemühte sich, das Positive zu betonen: Die Gespräche hätten wichtige Einblicke in die Erwartungen der US-Seite geliefert. Das sei ein Fundament für die nächste Verhandlungsrunde. Doch selbst das ursprünglich angestrebte Ziel – eine Reduktion auf 8 Prozent – ist in weite Ferne gerückt. In Bangkok spricht man inzwischen davon, mit 10 Prozent zufrieden zu sein. Realistisch sei derzeit aber selbst das nicht.
Wirtschaftlicher Gegenwind
Das Scheitern der Verhandlungen trifft Thailand in einer Phase wirtschaftlicher Fragilität. Die Weltbank korrigierte am Freitag ihre Wachstumsprognose für 2025 von 2,9 auf nur noch 1,8 Prozent – ein drastischer Rückschlag. Für 2026 liegt der Ausblick bei nur 1,7 Prozent. Begründet wird die Revision mit schwachem Exportwachstum, einem anhaltenden Rückgang chinesischer Touristen und nachlassender Binnennachfrage.
Das Problem ist tiefgreifend. Thailands Wirtschaft stagniert nicht nur konjunkturell, sondern strukturell. Die Staatsverschuldung liegt inzwischen bei 64,4 Prozent des BIP – vor der Pandemie waren es noch 41,4 Prozent. Der Haushaltsdefizit erreichte im ersten Halbjahr 6,3 Prozent. Gleichzeitig bleibt die Inflation mit voraussichtlich 0,3 Prozent auf einem Niveau, das nicht geldpolitischen Erfolg, sondern Nachfrageschwäche signalisiert.
Nachbarn sichern sich Vorteile – Thailand bleibt außen vor
Während Bangkok auf Zeit spielt, sichern sich andere südostasiatische Staaten strategische Vorteile. Vietnam akzeptierte eine Importsteuer von 20 Prozent auf eigene Waren – im Gegenzug entfallen Zölle auf US-Güter. Kambodscha senkte seinen Zollsatz von 49 auf 20 Prozent. Indonesien lockte mit einer Reduktion von Verbrauchssteuern auf US-Waren und strebt nun einen bevorzugten Zollsatz von 10 Prozent an.
Thailand hingegen droht, auf einem Strafzollniveau von 36 Prozent festzusitzen. Die USA bereiten derzeit die formale Schließung der Verhandlungsrunde vor. Ohne Einigung bis zum 9. Juli könnten neue Tarife in Kraft treten – ohne Aussicht auf Entlastung.
Politische Paralyse erschwert Kurswechsel
Zur wirtschaftlichen Unsicherheit tritt eine politische. Premierministerin Paetongtarn Shinawatra ist suspendiert, Proteste destabilisieren die Hauptstadt. Der Haushaltsentwurf ist blockiert, Infrastrukturprojekte verzögern sich. All dies trägt dazu bei, dass Investoren zögern. Die ohnehin schwache private Investitionstätigkeit könnte weiter einbrechen.
Deputy Finance Minister Julapun Amornvivat äußerte sich am Freitag besorgt: „Wir verhandeln weiterhin, aber es wird eng.“ Er deutete an, dass ein Notfallfonds in Höhe von zehn Milliarden Baht bereitsteht, um von Zöllen betroffene Unternehmen zu unterstützen. Doch ob das ausreicht, bleibt fraglich.
Kurskorrektur dringend geboten
Die Weltbank mahnt zu Reformen. Sie fordert gezielte Investitionen in Digitalisierung, Infrastruktur und Bildung. Thailand müsse seine Handelsstrategie diversifizieren und die Produktivität steigern. „Der alte Wachstumsmechanismus trägt nicht mehr“, warnte Chefökonom Kiatipong Ariyapruchya. „Wir brauchen Innovation und Strukturwandel – jetzt.“
Ausblick: Ein Fenster schließt sich
Noch ist die Tür zu einem Handelsabkommen nicht endgültig verschlossen. Pichai kündigte an, das thailändische Angebot nachzubessern. Eine Rückkehr an den Verhandlungstisch sei geplant – vor dem 9. Juli, wenn die neue Zollrunde in Kraft treten könnte. Ob Washington jedoch gesprächsbereit bleibt, ist offen.
Klar ist: Die wirtschaftspolitischen Versäumnisse der Vergangenheit holen Thailand nun ein. Der Spielraum wird enger, der Preis der Untätigkeit steigt. Die kommenden Tage werden zeigen, ob Thailand wieder Anschluss findet – oder weiter abgehängt wird.