Handelskrieg droht: Thailand setzt auf Exportstrategie und Boeing

Werbeanzeige

BANGKOK – Die thailändische Regierung setzt alles daran, eine von der US-Regierung unter Präsident Donald Trump angedrohte Strafzollwelle in Höhe von 36 % auf Exportgüter abzuwenden. Im Zentrum der Bemühungen steht ein umfangreiches Angebot an zusätzlichen Handelszugeständnissen gegenüber den Vereinigten Staaten – darunter ein erleichterter Marktzugang für amerikanische Agrar- und Industrieprodukte sowie umfangreiche Einkaufszusagen für US-Energie und Flugzeuge von Boeing.

Finanzminister Pichai Chunhavajira erklärte am Sonntag gegenüber Bloomberg, Thailand wolle das bilaterale Handelsvolumen deutlich ausbauen und gleichzeitig den bestehenden Handelsüberschuss von aktuell rund 46 Milliarden US-Dollar gegenüber den USA innerhalb von fünf Jahren um 70 % reduzieren. Ziel sei es, in sieben bis acht Jahren ein ausgeglichenes Handelsverhältnis zu erreichen – deutlich schneller als der zuvor vorgeschlagene Zeitraum von zehn Jahren.

Handelskonflikt auf der Zielgeraden

Der neue Vorschlag soll noch vor Mittwoch, dem Ende der von Präsident Trump verhängten 90-tägigen Zollpause, eingereicht werden. Wird das Angebot akzeptiert, könnten eine Vielzahl der bestehenden Importzölle und nichttarifären Handelshemmnisse auf US-Waren unmittelbar aufgehoben werden. Für einen kleineren Teil von Produkten ist ein schrittweiser Abbau vorgesehen.

„Wir bieten ihnen einen Vorschlag, der beidseitig vorteilhaft ist“, betonte Minister Pichai. „Die USA erhalten besseren Zugang zum thailändischen Markt – und wir nutzen die Gelegenheit, unsere Prozesse zu modernisieren und bürokratische Hürden abzubauen.“

Das überarbeitete Angebot folgt auf das erste Treffen auf Ministerebene zwischen Pichai und US-Handelsvertreter Jamieson Greer sowie Vizefinanzminister Michael Faulkender am Donnerstag. Laut Pichai seien viele der US-Produkte, für die ein erleichterter Marktzugang gewährt werden solle, derzeit in Thailand ohnehin knapp – negative Auswirkungen auf lokale Produzenten seien daher nicht zu erwarten.

Druck durch Nachbarländer wächst

Thailand ist nicht das einzige Land in der Region, das derzeit unter Hochdruck versucht, ein Handelsabkommen mit Washington zu erzielen. Vietnam etwa konnte vergangene Woche ein Abkommen unterzeichnen, das einen 20 %igen Zollsatz auf Exporte vorsieht – und 40 % für als „transshipment“ eingestufte Produkte.

Vor diesem Hintergrund strebt Thailand eine „Best-Case-Lösung mit 10 % Zoll“ an, so Pichai. Ein akzeptabler Rahmen liege jedoch auch zwischen 10 und 20 %. „Das Schlimmste wäre, wenn wir den schlechtesten Deal aller Nachbarländer bekommen.“

Ein Scheitern der Verhandlungen mit den USA, Thailands größtem Exportmarkt, hätte erhebliche wirtschaftliche Folgen. Analysten schätzen, dass allein die Einführung des Strafzolls die jährliche Wachstumsrate um einen Prozentpunkt senken könnte. Hinzu kommen Belastungen durch hohe private Verschuldung und eine weiterhin schleppende Binnenkonjunktur.

Strategische Einkäufe sollen Ungleichgewicht mildern

Teil des umfassenden Ausgleichspakets ist eine aggressivere Einkaufspolitik seitens Thailands gegenüber US-Energie und Luftfahrttechnik. Im Fokus steht insbesondere Flüssiggas (LNG) aus den Vereinigten Staaten, das künftig verstärkt nach Thailand geliefert werden soll.

So hat etwa PTT, Thailands staatlicher Energiekonzern, signalisiert, über einen Zeitraum von 20 Jahren jährlich zwei Millionen Tonnen LNG aus dem Alaska-Gasprojekt beziehen zu wollen. Auch SCG Chemicals und PTT Global Chemical planen, ihre Ethanimporte aus den USA zu erhöhen. Zudem befinden sich staatlich kontrollierte Unternehmen in Gesprächen über eine mögliche Mitentwicklung des Projekts in Alaska.

Ein weiteres Schwergewicht im Ausgleichsportfolio: Boeing-Flugzeuge. Die nationale Fluggesellschaft Thai Airways prüft den Kauf von bis zu 80 Maschinen in den kommenden Jahren – eine Entscheidung, die den Handelsbilanzsaldo nachhaltig beeinflussen könnte.

Politische Unsicherheit als zusätzlicher Risikofaktor

Die wirtschaftspolitische Dringlichkeit wird zusätzlich durch die politische Lage in Thailand verschärft. Nach der gerichtlich verordneten Suspendierung von Premierministerin Paetongtarn Shinawatra infolge eines mutmaßlichen Verstoßes bei der Grenzverwaltung zu Kambodscha, herrscht Unsicherheit auf den Finanzmärkten. Ein erfolgreicher Handelsdeal mit den USA könnte daher nicht nur die Exporte sichern, sondern auch das Vertrauen der Investoren stabilisieren.

Exportzahlen profitieren kurzfristig von Zollpause

Interessanterweise haben Thailands Exporte in den ersten fünf Monaten des Jahres deutlich zugelegt – rund 15 %, was auf eine Vorverlagerung von Aufträgen in Erwartung der möglichen Strafzölle zurückzuführen ist. Diese kurzfristige Entlastung dürfte jedoch bei Einführung der 36 %-Tarife schnell verpuffen.

Thailand versucht mit einem diplomatischen Kraftakt und marktwirtschaftlichen Zugeständnissen, die Handelsbeziehungen zu den USA auf ein neues Fundament zu stellen. Die Strategie zielt auf eine strukturelle Reduktion des Handelsüberschusses mit den Vereinigten Staaten, kombiniert mit gezielten Investitionen in strategische Importgüter wie US-Flüssiggas und Boeing-Flugzeuge. Gleichzeitig adressiert Bangkok wichtige Themen wie tariff optimization, supply chain restructuring und den Zugang zu export financing für lokale Unternehmen. Sollte das Abkommen zustande kommen, könnte dies nicht nur die Zölle senken, sondern auch die Attraktivität Thailands für foreign direct investment deutlich steigern. Ein Erfolg wäre zudem ein wichtiges Signal für geopolitical risk management in der Region. Ob Washington das thailändische Angebot akzeptiert, wird sich in den kommenden Tagen zeigen – für die exportabhängige Wirtschaft des Landes steht viel auf dem Spiel.

Werbeanzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert