Meine Erfahrungsgeschichte
Der Zusammenbruch mit 52
Mein Name ist Marcus, und ich bin 54 Jahre alt. Vor zwei Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich diese Zeilen aus einem kleinen Apartment in Chiang Mai schreiben würde. Damals arbeitete ich noch als Abteilungsleiter in einem mittelständischen Maschinenbauunternehmen in Baden-Württemberg – ein Job, der mich über 20 Jahre lang definiert hatte.
Die Burnout Symptome schlichen sich langsam ein. Zuerst waren es nur die schlaflosen Nächte, in denen ich gedanklich die Termine des nächsten Tages durchging. Dann kamen die Kopfschmerzen, die ständige Müdigkeit und schließlich die Panikattacken. Als Männer über 50 reden wir ungern über solche Probleme – ich dachte, ich müsste einfach durchhalten. Ein Fehler, wie sich herausstellte.
Der finale Zusammenbruch kam an einem regnerischen Donnerstag im März 2023. Mitten in einer Besprechung konnte ich plötzlich nicht mehr atmen, mein Herz raste, und ich musste den Raum verlassen. Der Notarzt diagnostizierte eine Panikattacke, aber für mich war klar: So konnte es nicht weitergehen.
Verluste und schwere Entscheidungen
Was folgte, war ein Dominoeffekt. Die Krankschreibung wegen Burnout führte zu Spannungen mit meinem Arbeitgeber. Nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit wurde mir nahegelegt, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Meine damalige Lebensgefährtin konnte mit meinem Zustand nicht umgehen – sie verließ mich nach 15 gemeinsamen Jahren.
Binnen weniger Monate hatte ich meinen Job, meine Beziehung und einen Großteil meines sozialen Umfelds verloren. Die private Krankenversicherung wurde unbezahlbar, nachdem mein Einkommen wegfiel. Ich musste zurück in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln, was mit enormen Nachzahlungen verbunden war.
In dieser Zeit begann ich, mich über Alternativen zu informieren. Das Thema Auswandern nach Thailand war mir nicht fremd – ein ehemaliger Kollege hatte bereits den Schritt gewagt und regelmäßig von seinen Erfahrungen berichtet. Thailand bot nicht nur niedrigere Lebenshaltungskosten, sondern auch die Möglichkeit eines kompletten Neuanfangs.
Der Mut zum Neuanfang
Im Oktober 2023 fasste ich den Entschluss. Mit meiner Abfindung, den Ersparnissen und dem Verkauf meiner Eigentumswohnung hatte ich etwa 180.000 Euro zur Verfügung. Genug, um den Schritt zu wagen und mir Zeit für die Neuorientierung zu verschaffen.
Das Leben in Thailand begann für mich in Bangkok, wo ich zunächst drei Monate in einem Serviced Apartment verbrachte. Die Visa-Bestimmungen waren komplizierter als gedacht, aber mit Hilfe einer deutschen Beratungsagentur konnte ich zunächst ein Touristen- und später ein Non-Immigrant-Visa beantragen. Die Frage der Rente im Ausland beschäftigte mich ebenfalls – glücklicherweise hatte ich bereits 25 Beitragsjahre in die deutsche Rentenversicherung eingezahlt.
Heilung durch Ruhe und professionelle Hilfe
Der Wechsel von der deutschen Hektik in die entspanntere thailändische Atmosphäre war wie Balsam für meine angegriffene Psyche. Dennoch war mir klar, dass ein Ortswechsel allein nicht ausreichte. Über eine deutsche Plattform fand ich eine erfahrene Psychotherapeutin, die Online-Therapie anbot.
Die wöchentlichen Video-Sessions halfen mir dabei, die Ursachen meines Burnouts zu verstehen und neue Stressbewältigung-Strategien zu entwickeln. Besonders wertvoll war das Erlernen von Zeitmanagement verbessern-Techniken, die mir halfen, meinen Tag strukturierter anzugehen, ohne mich zu überlasten.
Parallel dazu stellte ich meine Lebensweise komplett um. Täglich eine Stunde Yoga am Morgen, ausgewogene thailändische Küche statt Fast Food, und vor allem: Zeit für mich selbst. Nach sechs Monaten fühlte ich mich körperlich und mental so gut wie seit Jahren nicht mehr.
Finanzielle Neuorientierung in der digitalen Welt
Mit der zurückgewonnenen mentalen Klarheit begann ich, mich intensiv mit meinen Finanzen zu beschäftigen. Ein Großteil meiner Ersparnisse lag bis dahin auf schlecht verzinsten Sparbüchern. Über YouTube-Kanäle und Finanzbücher lernte ich die Grundlagen des ETF investieren.
Anfangs war ich skeptisch – nach dem Verlust meines sicheren Jobs schreckte mich jedes Risiko ab. Doch nach monatelanger Recherche begann ich, monatlich 1.500 Euro in einen breit gestreuten MSCI World ETF zu investieren. Das Ziel: langfristig ein passives Einkommen aus Dividenden zu generieren, das meine Lebenshaltungskosten in Thailand decken könnte.
Erste Schritte ins Online Business
Thailand bot mir auch die Gelegenheit, mich mit dem digitalen Nomadentum auseinanderzusetzen. Die stabile Internetverbindung und die wachsende Community digitaler Arbeiter in Chiang Mai, wohin ich nach sechs Monaten umgezogen war, inspirierten mich.
Meine ersten Versuche, Online-Geld verdienen zu können, waren bescheiden. Über eine Freelancer-Plattform bot ich technische Übersetzungen an – meine Erfahrung im Maschinenbau zahlte sich aus. Die ersten 300 Euro im Monat fühlten sich wie ein kleiner Sieg an.
Ermutigt durch diesen Erfolg, baute ich mein Online-Angebot aus. Ich erstellte einen Blog über Maschinenbau-Themen und begann mit Affiliate-Marketing für technische Bücher und Kurse. Die Einnahmen waren zunächst gering – zwischen 50 und 200 Euro monatlich – aber sie wuchsen stetig.
Langsamer, aber stetiger Aufbau
Nach einem Jahr in Thailand hatte ich eine gewisse Routine entwickelt. Morgens Yoga und Meditation, dann vier bis fünf Stunden konzentrierte Arbeit am Computer, nachmittags Zeit für die lokale Kultur und abends entspannte Stunden bei einem Buch oder mit anderen Expats.
Mein kleines Online-Business warf mittlerweile etwa 800 Euro im Monat ab. Zusammen mit den ETF-Dividenden und den niedrigen Lebenshaltungskosten in Thailand reichte das für ein bescheidenes, aber zufriedenes Leben. Die finanzielle Freiheit war noch in weiter Ferne, aber ich war auf einem guten Weg.
Neue Perspektiven und Herausforderungen
Heute, eineinhalb Jahre nach meiner Ankunft in Thailand, kann ich sagen: Es war die richtige Entscheidung. Meine monatlichen Ausgaben liegen bei etwa 1.200 Euro – ein Bruchteil dessen, was ich in Deutschland benötigt hätte. Die Kombination aus ETF-Erträgen, Online-Einkünften und gelegentlichen Beratungsaufträgen deckt diese Kosten mittlerweile vollständig.
Natürlich ist nicht alles einfach. Die Visa-Verlängerungen sind bürokratisch, die Sprachbarriere manchmal frustrierend, und die Entfernung zur Familie in Deutschland schmerzt. Auch die Frage der langfristigen Krankenversicherung beschäftigt mich – die lokalen Angebote sind günstig, decken aber nicht alle Eventualitäten ab.
Ein Leben zwischen zwei Welten
Was mich am meisten überrascht hat: Ich bin nicht zum klassischen Auswanderer geworden, der Deutschland den Rücken kehrt. Stattdessen lebe ich bewusst zwischen zwei Welten. Drei bis vier Monate im Jahr verbringe ich mittlerweile wieder in Deutschland – besuche Familie, treffe alte Freunde und halte meine geschäftlichen Kontakte aufrecht.
Diese Flexibilität ist nur durch mein neues digitales Arbeitsmodell möglich geworden. Mein Laptop ist mein Büro, und solange eine Internetverbindung vorhanden ist, kann ich von überall arbeiten. Das gibt mir eine Freiheit, die ich in meinem alten Job nie hatte.
Rückblick ohne Verklärung
Wenn ich heute auf die vergangenen zwei Jahre zurückblicke, empfinde ich vor allem Dankbarkeit. Der Burnout war schmerzhaft und kostete mich viel, aber er zwang mich auch zu einer Neuorientierung, die ich sonst nie gewagt hätte. Thailand wurde zu meinem Ort der Heilung und des Neuanfangs.
Mein Leben ist heute ruhiger, bewusster und in vielerlei Hinsicht erfüllender als früher. Die großen Sprünge und spektakulären Erfolge blieben aus – stattdessen entwickelte sich alles in kleinen, aber stetigen Schritten. Manchmal ist das der bessere Weg.



