Politisches Beben in Thailand: Volkspartei unterstützt Anutin als Premier
BANGKOK – Thailands politische Landschaft hat sich am Mittwoch dramatisch verändert. Die Volkspartei („People’s Party“), die derzeit über die meisten Sitze im Parlament verfügt, entschied sich überraschend, Bhumjaithai-Chef Anutin Charnvirakul als 32. Premierminister zu unterstützen – und nicht wie erwartet die regierende Pheu-Thai-Partei. Damit musste Pheu Thai ihren Plan zur Auflösung des Parlaments aufgeben. Die Abstimmung über den neuen Regierungschef ist nun für den 5. September angesetzt.
Königliche Zustimmung blockiert
Das Büro des Kronrats, das Dokumente für die königliche Prüfung vorbereitet, wies am 3. September den Entwurf eines königlichen Dekrets zur Parlamentsauflösung an den Kabinettssekretär zurück. Begründung: Das Dokument sei nicht ordnungsgemäß eingereicht worden und werfe rechtliche Fragen auf, da unklar sei, ob eine Übergangsregierung überhaupt einen solchen Antrag stellen dürfe.
Auch der Generalsekretär des Staatsrats stellte klar, dass eine geschäftsführende Regierung keine Auflösungsdekrete einreichen dürfe – damit war eine königliche Zustimmung ausgeschlossen.
Unterdessen reichte ein Abgeordneter der New-Democrat-Partei Strafanzeige gegen den geschäftsführenden Premierminister Phumtham Wechayachai ein. Der Vorwurf: Verstoß gegen Artikel 112, das umstrittene Majestätsbeleidigungsgesetz, weil er den Entwurf zur königlichen Prüfung vorbereitet habe. Kritiker bemängeln seit Jahren, das Gesetz werde politisch instrumentalisiert, um Gegner auszuschalten.
Unerwartete Allianzen
Die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass nicht nur Pheu Thai politisch unter Druck steht. Die Volkspartei, auch als „orange Partei“ bekannt, entschied sich für ein Bündnis mit der „blauen Partei“ Bhumjaithai – eine Konstellation, die viele Beobachter überrascht.
Demokratie-Aktivisten und Menschenrechtsgruppen, die traditionell hinter der Volkspartei stehen, reagierten mit heftiger Kritik. Viele von ihnen fordern seit Jahren eine Reform von Artikel 112, für die Bhumjaithai hingegen konsequent eintritt. Für die Unterstützer bedeutet die Entscheidung einen Bruch mit den bisherigen Grundsätzen der Partei.
Kritik an der Strategie
Die Volkspartei begründete ihre Entscheidung in einer langen Stellungnahme mit dem Ziel einer raschen Parlamentsauflösung. Doch Kritiker fragen, warum die Partei nicht den Pheu-Thai-Kandidaten Chaikasem Nitisiri unterstützte, der ähnliche Ziele verfolgte – nämlich eine schnelle Auflösung und eine Reform der Militärverfassung von 2017.
Parteienübergreifend wird der Volkspartei-Führung vorgeworfen, aus Rache gegen Pheu Thai zu handeln. Hintergrund: Nach den Wahlen 2023 hatte Pheu Thai die Volkspartei im Zuge der Regierungsbildung fallen gelassen.
Historische Brüche
Pheu Thai betont bis heute, dass ihre Abgeordneten zweimal für Pita Limjaroenrat, den damaligen Spitzenkandidaten der Move Forward Party (heute Volkspartei), gestimmt hätten. Doch Move Forward scheiterte an mangelnder Unterstützung der Senatoren und auch an der Bhumjaithai-Partei, die ihre Zustimmung von einer Abkehr von der 112-Reform abhängig machte.
Als Move Forward nicht nachgab, schmiedete Pheu Thai eine breite Koalition – und ließ die stärkste Partei in der Opposition zurück. Seither sind die Fronten verhärtet.
Scharfe Worte von Aktivisten
Prominente Aktivisten wie der im Exil lebende Parit Chiwarak meldeten sich nun zu Wort. Auf Facebook schrieb er:
„Ja, Pheu Thai hat ihr Versprechen gebrochen, und die Wähler werden sie bestrafen. Aber das ist kein Grund, sich mit Anutin und Bhumjaithai einzulassen. Das bedeutet, einem Tiger Flügel zu verleihen – ihm als Premierminister alle staatlichen Mittel in die Hand zu geben. Am Ende werden sie euch verraten und diese Macht gegen euch und die Demokratiebewegung einsetzen.“
Zahlen und Mehrheiten
Nach Berechnungen thailändischer Medien könnte Bhumjaithai eine Minderheitsregierung mit 146 Sitzen anführen, darunter 58 Überläufer von der Regierungsseite. Mit den zusätzlichen 143 Stimmen der Volkspartei käme Anutin bei der Premierministerwahl auf 289 Stimmen im Parlament.
Parteichef Natthaphong Ruengpanyawut betonte, dass seine Partei nach der Wahl in der Opposition bleiben werde. Man wolle die Regierung kontrollieren und gleichzeitig an der Vereinbarung mit Bhumjaithai festhalten: Innerhalb von vier Monaten solle das Parlament aufgelöst oder eine verfassungsgebende Versammlung eingesetzt werden.
Begrenzter Einfluss
Politische Analysten sehen das Abkommen jedoch kritisch. Die Volkspartei habe kaum Druckmittel gegenüber der Regierung und müsse nun die Verantwortung für ihre Entscheidung tragen, Anutin und Bhumjaithai ins Amt zu heben. Sollte die neue Regierung die Erwartungen nicht erfüllen, könnte sich dies direkt gegen die Volkspartei wenden.
Die Ereignisse zeigen, wie alte Rivalitäten und taktische Überlegungen das demokratische Lager in Thailand weiter spalten. Beide großen progressiven Parteien stehen nun unter Druck – und müssen sich den Konsequenzen ihrer Entscheidungen stellen.




Irgendwie kann ich die Entscheidung der PP schon nachvollziehen. Auch wenn es mir persönlich lieber gewesen wäre Anutin als MP zu verhindern, ist es nachvollziehbar, dass sie die Pheu Thai nach der Vorgeschichte nicht mehr stützen wollen. Die Vorstellung einer Anutin-Regierung nicht beizutreten ist dabei konsequent. Weicht ein MP Anutin auch nur ein Jota von der Vereinbarung mit der PP ab, kann man ihm ganz schnell die Unterstützung im Parlament entziehen. Seien wir mal ehrlich, eigentlich hatte die PP derzeit nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Sollten sie bei den versprochenen Neuwahlen binnen 4 Monaten jedoch Erfolg haben, dann stehen ihnen diesmal hoffentlich die Tür weit offen. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt.