Arbeiten statt Schule? Thailands Jugend im Fokus

Arbeiten statt Schule? Thailands Jugend im Fokus
Illustration via OpenAI (2025).

Ein emotionaler Einstieg

Als 15‑Jährige hatte „Nut“ in Bangkok das Schulgebäude nur noch selten betreten. Während ihre Klassenkameradinnen die weißen Hemden glattstrichen und den Morgenappell abwarteten, stand sie oft schon vor Sonnenaufgang in der kleinen Küche der Familie.

Jeden Morgen klingelte ihr Wecker um 6 Uhr, manchmal früher, wenn die Monsunwolken schwer über den Gassen hingen. Sie wusch sich rasch, band die Haare zusammen, nahm den Songthaew – jene roten Pick-ups, die in den Seitenstraßen als Sammeltaxis dienen – und fuhr dorthin, wo die Pfannen klapperten, der Duft von Knoblauch und Thai-Basilikum die Luft füllte und die ersten Büroangestellten ihren Kaffee bestellten.

Im kleinen Familienbetrieb lernte Nut, mit flinkem Blick Wechselgeld abzuzählen, Gemüse zu schneiden und sich im Gedränge der Rushhour zu behaupten.

Hintergrund: Pflichtschule und Arbeitsrecht

Eigentlich träumte sie davon, Auszubildende zu werden: vielleicht in einer Bäckerei, um die Kunst der süßen Pandan-Brötchen zu lernen, oder in einem Kosmetiksalon, wo ruhige Hände und Geduld zählen. In Thailand gibt es dafür Wege – Berufsbildungszentren, sogenannte Vocational Colleges, und zunehmend duale Programme, in denen Betriebe und Schulen zusammenarbeiten.

Doch selbst wenn die offizielle Schulbildung zwölf Jahre lang gebührenfrei ist, bleiben die versteckten Kosten: Schuluniformen, Fahrten, Bücher, die tägliche Mahlzeit. Für Nuts Familie, die mit schwankenden Einnahmen aus der Garküche die Miete, Strom und den Reis bezahlen musste, war jeder Baht verplant. Die finanzielle Not ließ ihr kaum eine Wahl.

Arbeit ist oftmals wichtiger

Ihre Lehrerin vermisste das stille Mädchen mit dem wachen Blick, doch im Klassenbuch blieb häufig nur ein Strich: abwesend. Auf dem Heimweg sah Nut manchmal die anderen Jugendlichen im Bus, die Ordner voller Hefte auf dem Schoß; in solchen Momenten stach der Wunsch besonders: noch einmal richtig zu lernen, einen Abschluss zu schaffen, vielleicht das „Vocational Certificate“, das viele Türen öffnet. Doch dann dachte sie an die Eltern, an den kleinen Bruder, der neue Schuhe brauchte, an die Gasflasche, die bald leer sein würde.

Nuts Geschichte steht stellvertretend für viele Jugendliche, die in Thailand früh die Schulbank gegen den Arbeitsalltag tauschen. Gerade in den Außenbezirken Bangkoks und in ländlichen Provinzen pendeln sie zwischen Pflicht und Möglichkeit:

Die Verlockung

Der Arbeitsmarkt im informellen Sektor lockt mit sofortigen Einnahmen, während der Weg durch die Bildung Geduld und Puffer verlangt. Das thailändische Arbeitsrecht erlaubt Beschäftigung ab 15 Jahren unter strengen Auflagen, doch lange Schichten und unregelmäßige Zeiten erschweren den Schulbesuch. Gleichzeitig gibt es Initiativen, die gegensteuern: Stipendien für bedürftige Familien, der Equitable Education Fund zur Verhinderung von Schulabbrüchen, Mittagessensprogramme und neue Modelle der praxisnahen Berufsbildung. Sie alle versuchen, die Lücke zu schließen zwischen Traum und Alltag.

Wenn Nut morgens im Songthaew die glitzernde Silhouette der Stadt sieht, hält sie an diesen Gedanken fest. Zwischen klappernden Münzen und dem Klingeln der Stop-Glocke bewahrt sie ihren Plan wie ein gefaltetes Papier im Herzen: irgendwann, wenn die Schultern der Familie weniger Last tragen müssen, will sie zurück in ein Klassenzimmer – und als Auszubildende starten, nicht nur für sich, sondern auch für jene, die ihren Weg teilen.

Schulpflicht in Thailand

In Thailand beginnt die Grundschule sechs Jahre lang ab etwa sechs Jahren. Anschließend schließt sich die sogenannte mittlere Sekundarstufe an – die ersten drei Jahre der Sekundarschule (Matthayom 1–3, etwa bis 15 / 16 Jahre) gelten laut Bildungsgesetz als verpflichtend. Danach folgt die obere Sekundarstufe (Matthayom 4–6) – ihre Teilnahme ist nicht zwingend vorgeschrieben.

Mindestalter für Erwerbstätigkeit

Laut dem Gesetz zur Arbeits­schutz­ordnung ­(Labour Protection Act B.E. 2541) dürfen Kinder unter 15 Jahren nicht als Arbeitnehmer beschäftigt werden. Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren gelten als „Young Workers“ – sie dürfen arbeiten, aber unter speziellen Bedingungen: keine gefährliche Arbeit, keine Nacht- oder Überstunden.

Zwischen Pflicht und Realität
Wann darf ein Jugendlicher arbeiten?

Formell gilt: Ab dem Alter von 15 Jahren darf eine Person in Thailand eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass die Schule jederzeit verlassen werden darf. Die Pflicht zur Schulbildung endet mit der dritten Sekundarstufe – typischerweise im Alter von 15 / 16 Jahren. Arbeitgeber müssen zudem einen Jugendlichen (unter 18) bei Behörden melden und dürfen ihn nicht nachts (22:00 – 06:00) oder in gefährlichen Branchen beschäftigen.

Praktische Fälle und Motive

Viele Jugendliche verlassen die Schule nach Matthayom 3 (also etwa im Alter von 15 / 16 Jahren), um zu arbeiten – sei es im familiären Betrieb, im Handel oder im informellen Sektor. Dies geschieht oft aus finanziellen Gründen: Familie braucht Einkommen, es gibt wenig Perspektive auf weiterführende Schule oder Berufsausbildung. Ein Beitrag im Forum nennt:

Mit fünfzehn Jahren erreicht man einen Wendepunkt: Ab diesem Alter dürfen sie die Schule legal verlassen.

Doch hier tauchen Spannungen auf: Obwohl das Mindestalter für formelle Arbeit 15 ist, deckt dies nicht automatisch den Teil „Schule verlassen“. Und häufig erfolgt Arbeit informell – ohne Arbeitgebermeldung, ohne Schutz.

Risiken und Gesetzeslücken

Obwohl das Gesetz Jugendliche unter 18 schützt, ist der informelle Arbeitssektor groß. Laut International Labour Organization (ILO) haben Kinder unter 18 in Thailand gearbeitet – zum Beispiel in Landwirtschaft oder Tourismus, teils unter riskanten Bedingungen. Zwar sind gefährliche Arbeiten für Jugendliche verboten – z. B. unter Tage, mit schweren Maschinen, in Bars oder Massagesalons. Doch die Kontrolle ist schwieriger im informellen Sektor. Dies erhöht das Risiko, dass Jugendliche früh arbeiten und ihre Bildung leidet.

Bildungs- und Arbeitsmarktfolgen

Wenn Jugendliche früh aus der Schule aussteigen, sinken ihre Chancen auf qualifizierte Arbeit erheblich. Auch wenn eine frühe Erwerbstätigkeit kurzfristig die Familie entlastet – langfristig sind die Verdienstmöglichkeiten geringer. Die Statistik zeigt: Thailand steht vor der Herausforderung, qualitativ hochwertige Ausbildung und Jugendbeschäftigung besser aufeinander abzustimmen. Zudem verlangt die moderne Wirtschaft zunehmend Fachkräfte mit höherer Bildung.


Ausblick: Was bedeutet das für 2025/26?
Gesetzliche Entwicklungen

Die thailändische Regierung und internationale Organisationen haben sich verpflichtet, Kinder- und Jugend­arbeit weiter zu regulieren und die Qualität der Bildung zu stärken. Thailand hat etwa Minderjährigen unter 18 Jahren Schutz vor gefährlicher Arbeit zugesichert. Zudem wird der informelle Sektor stärker in den Blick genommen.

Empfehlungen für Jugendliche und Eltern

Wenn ein Jugendlicher in Thailand nach Matthayom 3 die Schule verlassen möchte, bedeutet das: Technisch darf er arbeiten (ab 15), aber er verliert damit oft die schulische Anschluss­fähigkeit. Eltern und Jugendliche sollten daher abwägen: Ist eine Teilnahme an Matthayom 4–6 oder eine berufliche Ausbildung möglich? Gibt es staatliche Förderprogramme?

Arbeitgeber und gesetzliche Pflichten

Arbeitgeber, die Jugendliche beschäftigen, müssen die Meldungspflicht und Schutzregeln des Arbeits­schutz­gesetzes beachten – das gilt auch zunehmend in globalen Lieferketten. Verstöße können zu Bußgeldern oder Strafmaßnahmen führen.

Verständliche Klärung

Kurz gesagt: In Thailand dürfen Jugendliche ab 15 Jahren arbeiten, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Gleichzeitig endet die Pflichtschule typischerweise nach der dritten Sekundarstufe (Matthayom 3), also bei etwa 15-16 Jahren. Das bedeutet: Wer früh aus der Schule geht und arbeitet, tut zwar nichts grundsätzlich Gesetzes­widriges – er oder sie gibt aber zumeist die Chance auf weiterführende schulische Bildung auf. Jugendliche, Eltern und Arbeitgeber sollten deshalb das Zusammenspiel zwischen Schulbildung, Arbeitsmöglichkeit und gesetzlichen Schutzvorschriften gut bedenken.

Anmerkung der Redaktion:

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