Liebes Bangkok,
bevor wir anfangen – du weißt, dass ich dich liebe, oder? Wirklich. Alles, was ich dir jetzt schreibe, schreibe ich aus Liebe. Du bist mein Zuhause. Aber wir müssen reden.
Fangen wir bei deinem Wohnen an. In deiner Stadt zählt nicht der Quadratmeterpreis. Erfolg misst man hier in BTU – der Kühlleistung der Klimaanlage. Oder daran, wie nah du an der MRT oder BTS wohnst. Noch besser: ob der Grab-Fahrer überhaupt dein Condo findet.
Wohnungen bewertet man hier nicht nach Parkettboden, sondern nach WLAN-Stärke. Wer kein gutes WLAN hat, hat schon verloren. In der Nähe eines 7-Eleven zu wohnen? Das ist das wahre Lebensglück. Und Tageslicht? Wer braucht das schon, Bangkok?
Die Expats, die sich ein Reihenhaus gönnen – Familien, Langzeit-Junggesellen oder chinesische Touristengruppen – merken schnell: Du meinst es ernst, Bangkok. Zwischen Ameisenkriegen, biblischen Überflutungen und Nachbarn, die ein „Nein“ nicht akzeptieren, ist das Leben hier nichts für Zartbesaitete.
Die Ausländer denken, eine Waschmaschine zu besitzen sei Luxus. Aber wir Einheimischen wissen: Wahrer Luxus ist es, nie selbst waschen zu müssen. Dafür gibt es Tanten, Hausmädchen oder Großmütter, die wie durch Zauberhand alles erledigen.
Deine Kinder sind kleine Superhelden mit iPad
Bangkok, ich muss dir eines lassen: Deine Kinder sind kleine Wunder. Mit sechs sprechen sie drei Sprachen, mit zwölf gründen sie ein Startup. Der Akzent? Amerikanisch. Die Mathefähigkeiten? Koreanisch. Das Selbstbewusstsein? Indisch – also jenseits aller Skalen. Ausländer sagen immer, deine Kinder seien so höflich. Klar, sie haben die in Sydney noch nicht getroffen.
Moderne Kindererziehung in Bangkok? Ganz einfach: Man wirft das Kind in ein Montessori-Coding-Yoga-Camp und streamt das Ganze dann live auf Facebook. Fertig.
Du willst New York sein, aber du bist Bangkok
Bangkok, du versuchst so verzweifelt, New York oder Singapur zu sein. Dabei bist du längst faszinierend genug. Deine Kunstausstellungen sind voller Influencer, die alles fotografieren – nur nicht die Kunst. Du hast mehr Podcasts als Zuhörer. Jeder Rooftop hat einen DJ. Und irgendwo ist immer eine Party. Deine kleinen Straßen quellen über vor Pflanzen, die mehr Pflege bekommen als so mancher Ehemann.
Deine traditionelle Kultur? Die lebt noch – auf Jahrmärkten, beim Tanzvideo der Thai Airways und bei der Tante, die gegrillten Tintenfisch neben dem Riesenrad verkauft. Das ist Bangkok. Magie, Chaos, Wahnsinn.
Verkehr? Ein täglicher Nervenzusammenbruch
Bangkok, dein Verkehr ist keine Fortbewegung – das ist ein emotionales Trauma für 500 Baht pro Tuk-Tuk-Fahrt. Ausländer, die 600 Meter zu Fuß gehen? Werden von den Einheimischen nur mitleidig angeschaut, während diese unter UV-Schirmen Schutz suchen.
Wenn es regnet, wirst du zu Venedig. Nur dass hier keine Gondeln fahren, sondern Grab-Bikes – und die Gondoliere sind Warane. Motorradtaxis? Das ist kein Transport, das ist ein Vertrauensbeweis ans Universum. Du steigst auf, gibst dein Leben in die Hände eines Flip-Flop-Fahrers, der einen Mundschutz trägt – aber keinen Helm. Und das Schönste: Der Stau macht alle gleich. Reiche, Arme, Influencer, Mönche – alle sitzen im selben stehenden Auto.
Essen ist in Bangkok Religion
Bangkok, dein Essen ist kein Bedürfnis – das ist ein Glaubensbekenntnis. Gemessen wird nicht in Kalorien, sondern in Instagram-Likes. Ausländer behandeln Pad Thai wie einen heiligen Gral. Thais essen es nur, wenn sie am Flughafen gestrandet sind. Alle tun mutig – bis die Som-Tam-Papaya ihnen den Magen zerreißt.
Essen ist nie „mal eben“. Du bist entweder auf einer spirituellen Nudelsuche oder gibst auf und landest im Food Court. Egal wie – es ist immer lecker.
Bangkok, du bist ein Widerspruch, und genau deshalb lieben wir dich
Du bist glänzender Seidenschal und verschwitztes T-Shirt in einem. Du bist unhöflich und herzensgut, uralt und trotzdem jeden Tag neu. Wo sonst kann man auf dem Motorrad weinend durch die Nacht fahren, fünf Mahlzeiten vor Mittag schaffen und sich in jemanden verlieben, der nie nach der eigenen Meinung fragt?
Genau deshalb bleiben wir hier. Vor allem jetzt – wo wir endlich unser DTV haben.
In Liebe,
ein völlig überhitzter, aber hoffnungslos treuer Bewohner von Bangkok



