Der Chili-Wettkampf in Isaan

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Im staubigen, sonnenverbrannten Herzen von Isaan, wo die Luft nach Fischsauce und großen Träumen riecht, war der jährliche „Som Tam Feuerfresser-Wettkampf“ das Ereignis des Jahres. Tante Noi, eine 62-jährige Küchenlegende mit einem Lachen, das wie ein kaputter Traktor dröhnte, hatte dieses chili-getriebene Spektakel vor einem Jahrzehnt ins Leben gerufen. Ihr grüner Papayasalat war keine bloße Mahlzeit – er war eine Waffe, eine teuflische Mischung aus Chilischoten, die selbst einen Wasserbüffel zum Heulen bringen konnte. Die Regeln waren klar: Iss das schärfste Som Tam, ohne zu weinen, in Ohnmacht zu fallen oder nach Milch zu betteln. Der Preis? Angeberrechte und ein gratis Kokoswasser. Der wahre Lohn? Das überhebliche Grinsen von Tante Noi zu überleben.

Dieses Jahr summte das Dorf vor Aufregung. Ein schlaksiger Schwede namens Lars, mit Haaren wie ein Wikinger und dem Selbstbewusstsein eines Touristen, der gerade Pad Thai entdeckt hat, stolzierte in die Arena. „Schweden kennen auch Schärfe!“, verkündete er und reckte die Brust, als wäre er mit Geisterchilis großgezogen worden. Die Menge, eine bunte Mischung aus zahnlosen Bauern und kichernden Kindern, brach in Gelächter aus. Tante Noi, die sich die Hände an einer abgenutzten Schürze abwischte, schob ihm eine Schüssel Som Tam hin. Die Chilischoten leuchteten wie Warnlichter in einem Atomreaktor. Lars, unbeeindruckt, schnappte sich einen Löffel, grinste breit und sagte: „Das ist ja wie Köttbullar!

Zwei Sekunden später glühte sein Gesicht wie eine reife Tomate. Seine Augen tränten wie ein undichter Wasserhahn, und er griff nach einer Wasserflasche – ein Anfängerfehler, der die Kinder in schallendes Gelächter ausbrechen ließ. „Wasser macht’s schlimmer, Farang!“, krächzte Tante Noi und hielt ihm einen rostigen Ventilator vor die Nase. „Atme, atme!“ Lars keuchte, sein nordischer Stolz zerbröselte schneller als ein alter Reiscracker. Die Menge skandierte „Farang! Farang!“, während er fuchtelte wie ein Wikinger in einem Meer aus Capsaicin.

Am selben Tisch saß Khun Pong, der örtliche Taxifahrer und amtierende Chili-König. Mit der stoischen Ruhe eines Mannes, der Staus, betrunkene Touristen und entlaufene Hühner überlebt hatte, kaute er sein Som Tam, als wäre es ein harmloser Gurkensalat. Schweißperlen rannen über seine Stirn, doch seine Würde blieb unversehrt. Neben ihm versuchte Dave, ein australischer Backpacker, der „für die Erfahrung“ dabei war, drei Bissen, bevor er in eine existenzielle Krise stürzte. „Ich seh… bunte Lichter, Mate“, murmelte er und starrte ins Leere. Die Dorfkinder, gnadenlos wie immer, stießen ihn mit Stöcken an, um zu prüfen, ob er noch lebte.

Dann kam der Überraschungskandidat: Tante Nois 10-jähriger Neffe Somchai. Mit einer Schüssel, die doppelt so groß war wie sein Kopf, schaufelte der Junge Som Tam, als wäre es Eiscreme. Kein Zucken, keine Träne. Die Menge verstummte, fassungslos, als er die Schüssel leerte und nach Nachschlag fragte. Lars, der inzwischen Kokosmilch wie ein Besessener trank, klatschte schwach. „Respekt“, krächzte er und verdiente sich seinen neuen Spitznamen: „Der rote Wikinger“. Tante Noi zwinkerte, ihre Augen funkelten vor Schadenfreude. „Chili ist Liebe“, sagte sie, „aber ohne Kuscheln.“ Das Dorf plante bereits das nächste Duell, und Lars, trotz seiner verbrannten Geschmacksknospen, schwor, er käme wieder.

Auf der anderen Seite Thailands, an den neongetränkten Stränden von Koh Phangan, braute sich ein weiteres Spektakel zusammen. Preecha, ein selbsternannter Yoga-Guru mit einem Bart, der schrie „Ich zahle seit 1973 keine Steuern mehr“, hatte eine Vision: den „Vollmond-Yoga-Marathon“. Eine 12-stündige Yoga-Session während der berüchtigten Full Moon Party. „Warum tanzen, wenn du inneren Frieden finden kannst?“, fragte er, während im Hintergrund Technobässe wummerten und betrunkene Backpacker mit Neonfarbe im Gesicht herumtorkelten. Sein Bart reichte bis zur Brust, und seine Batik-Hose hatte Löcher, die mehr preisgaben, als sie sollten.

Seine Gruppe bestand aus zehn Teilnehmern: drei Schweden auf der Suche nach „Spiritualität“, eine Kanadierin, die einfach nur ihren Kater vom Vorabend ausschwitzen wollte, und ein Holländer, der dachte, es sei ein Tanzkurs. Preecha führte sie zu einer Plattform am Strand, direkt neben einem Stand, der Eimer mit Sangsom-Whisky verkaufte. „Atmet tief ein“, rief er, während eine Wolke aus Glitzer und Zigarettenrauch vorbeizog. Die Schweden versuchten, im Lotussitz zu balancieren, die Kanadierin murmelte etwas von „schlechter Lebensentscheidung“, und der Holländer machte versehentlich Breakdance-Moves. Die erste Stunde lief gut, bis ein betrunkener Brite auf die Matte stolperte und versuchte, Preecha zu umarmen. „Du bist wie Jesus, Mann!“, lallte er, bevor er in den Sand kippte.

Preecha, ungerührt, leitete seine Gruppe in die nächste Asana. Gegen Mitternacht, als die Party ihren Höhepunkt erreichte, wurde es surreal: Eine Schwedin fiel in eine tiefe Meditation – oder schlief ein, niemand war sicher. Die Kanadierin gab auf und bestellte einen Eimer-Drink. Der Holländer hatte inzwischen die Party entdeckt und schwang einen Feuerstab. Preecha blieb standhaft. „Frieden ist, wo du ihn suchst“, sagte er, während über ihm ein Feuerwerk explodierte. Am Ende der Nacht waren nur noch zwei Schweden übrig, die behaupteten, „ihre Chakren gespürt“ zu haben. Preecha nickte weise, obwohl er heimlich einen Schluck Sangsom aus einem Eimer stibitzt hatte. Der Marathon wurde zum Inselgespräch, und Preecha plante bereits die nächste Session. „Nächstes Mal“, sagte er, „machen wir Yoga auf einem Boot.“

Doch das war nicht das Ende der Geschichte. Denn, oh ja, das Schicksal hatte einen Plan. Tante Noi, die in ihrer Freizeit neben Chiliwettkämpfen auch ein Auge auf die neuesten Trends warf, hörte von Preechas Yoga-Wahnsinn. „Yoga?“, schnaubte sie. „Das ist doch nur Strecken für Leute, die zu faul zum Chiliessen sind!“ Aber die Aussicht auf eine neue Herausforderung kitzelte ihre sadistische Ader. Also packte sie ihre Schürze, ihre Chilischoten und ihren Neffen Somchai und machte sich auf nach Koh Phangan. „Wenn dieser Hippie Frieden will“, sagte sie, „geb ich ihm Chili-Frieden.

Die Begegnung war episch. Preecha, gerade in einer Sonnengruß-Pose, blickte auf und sah Tante Noi, die mit einem Korb voller Chilischoten und einem Grinsen wie ein Bond-Schurke auf ihn zukam. „Yoga-Marathon? Pfft“, sagte sie. „Ich fordere dich zu einem Chili-Yoga-Duell!“ Die Idee: Eine sechsstündige Yoga-Session, bei der die Teilnehmer zwischen jeder Pose einen Löffel von Tante Nois Som Tam essen mussten. Preecha, der nie eine Herausforderung ablehnte (oder vielleicht nur den Sangsom-Eimer nicht mehr losließ), stimmte zu.

Die Inselbewohner und Partytouristen versammelten sich, als die Plattform am Strand zur Arena wurde. Lars, der rote Wikinger, war zurück, diesmal mit einem Eimer Kokosmilch bewaffnet. Die drei Schweden vom Yoga-Marathon meldeten sich an, zusammen mit der Kanadierin, die inzwischen süchtig nach Sangsom war, und dem Holländer, der immer noch dachte, es sei eine Tanzparty. Somchai, Tante Nois Geheimwaffe, stand bereit, mit einem Lächeln, das selbst Preecha nervös machte.

Die erste Runde begann mit einer einfachen Baum-Pose. Preecha führte an, während Tante Noi Schüsseln mit Som Tam verteilte. Lars nahm einen Bissen und schwankte, aber er hielt die Pose. Die Kanadierin verschluckte sich und fiel in den Sand. Der Holländer aß, tanzte und aß weiter, bis er versehentlich einen Handstand machte. Somchai? Der Junge balancierte wie ein Zen-Meister und mampfte Chili, als wäre es Popcorn. Die Menge tobte.

Stunde zwei brachte die Krieger-Pose und eine noch schärfere Runde Som Tam. Preecha, der inzwischen schwitzte, behauptete, es sei „Teil der spirituellen Reinigung“. Lars wurde wieder tomatenrot, aber er kämpfte tapfer weiter. Eine der Schwedinnen, die behauptete, ihre Chakren seien „in Flammen“, gab auf und rannte zum Sangsom-Stand. Stunde drei war der Tiefpunkt: Der Brite von der Full Moon Party tauchte wieder auf, stolperte in die Arena und versuchte, Tante Noi zu umarmen. „Du bist wie die Chili-Jesus!“, lallte er, bevor Somchai ihn mit einem gezielten Löffel Som Tam außer Gefecht setzte.

Am Ende, als die Sonne über Koh Phangan aufging, waren nur noch Preecha, Lars und Somchai übrig. Preecha, inzwischen leicht benebelt von Chili und Sangsom, murmelte etwas von „kosmischer Einheit“. Lars, der rote Wikinger, hatte sich in eine Art Chili-Trance versetzt und hielt durch puren Willen durch. Aber Somchai? Der Junge machte eine perfekte Lotussitz-Pose, aß die letzte Schüssel Som Tam und fragte dann: „Gibt’s Nachtisch?

Die Menge explodierte in Applaus. Tante Noi und Preecha schüttelten sich die Hände, beide heimlich beeindruckt vom anderen. Lars, inzwischen ein Inselheld, wurde mit Kokosmilch übergossen. Der Chili-Yoga-Marathon wurde zur Legende, und Tante Noi plante bereits die nächste Runde. „Nächstes Mal“, sagte sie, „machen wir’s auf einem Boot – mit Chili-Smoothies.“ Preecha, immer noch in der Lotussitz-Pose, nickte nur. „Frieden“, sagte er, „schmeckt nach Chili.

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