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Der Fall „PoorSucker“

Stellen Sie sich vor, Sie leben seit 20 Jahren in Thailand. Sie arbeiten für eine Firma, die zwar thailändisch registriert ist, aber eigentlich nur einem schwedischen Besitzer gehört und Kunden in Skandinavien betreut. Plötzlich steht die Kündigung im Raum. So ergeht es einem Nutzer in einem Forum, der sich unter dem Pseudonym „PoorSucker“ an die Community wandte. Die Unsicherheit ist greifbar: Gilt für ihn überhaupt thailändisches Recht? Was ist mit dem nicht gewährten Urlaub? Und vor allem: Gibt es Geld?

Die Situation ist klassisch für viele Expats. Man wähnt sich in einer rechtlichen Grauzone, weil der Chef Ausländer ist und die Kunden in Übersee sitzen. Doch der Schein trügt. Wer einen Arbeitsvertrag mit einer thailändischen „Co., Ltd.“ hat und Sozialversicherung zahlt, sitzt im selben Boot wie jeder thailändische Angestellte. Und dieses Boot ist 2025 stabiler, als viele Arbeitgeber zugeben wollen.

Hintergrund: Das thailändische Arbeitsrecht 2025

Der Labour Protection Act (LPA) ist das Schwert des Arbeitnehmers im Königreich. Anders als in vielen westlichen Ländern, wo Abfindungen oft Verhandlungssache sind, sind sie in Thailand gesetzlich strikt geregelt. Es gibt keine „at-will employment“ wie in den USA. Wer geht, muss oft bezahlt werden – und zwar fürstlich.

Im Jahr 2025 gelten angepasste Regelungen, die besonders langjährige Mitarbeiter schützen. Die wichtigste Währung hierbei ist die Betriebszugehörigkeit. Je länger Sie an Bord waren, desto teurer wird der Rauswurf für den Chef. Doch Vorsicht: Es gibt Fallstricke, die den Geldsegen zunichtemachen können.

Ihr Recht auf Geld im Detail

Wer hat überhaupt Anspruch?

Anspruch auf gesetzliche Abfindung hat grundsätzlich jeder Arbeitnehmer, der in Thailand arbeitet und einen unbefristeten Vertrag mit einer in Thailand registrierten Firma hat – egal ob er Thailänder oder Expat mit gültiger Work Permit ist. Entscheidend ist, dass das Beschäftigungsverhältnis nach dem thailändischen Arbeitsrecht geführt wird.

📌 Keine Abfindungspflicht besteht, wenn z. B. ein befristeter (fixed-term) Vertrag regulär ausläuft – hier kann es je nach Situation anders bewertet werden, ob es sich um ein echtes unbefristetes Arbeitsverhältnis handelt (kann rechtlich geprüft werden).

Die magische 120-Tage-Grenze

Ein Entlassener hat nur dann Anspruch auf Severance Pay, wenn er mindestens 120 aufeinanderfolgende Arbeitstage beschäftigt war. Unter 120 Tagen besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung.

Gesetzliche Abfindung nach Dienstzeit

Nach dem thailändischen Labour Protection Act gelten folgende Mindestansprüche (bezogen auf den letzten Monatslohn):

Dienstzeit (ununterbrochen)Mindest-Severance Pay
≥120 Tage aber < 1 Jahr30 Tage Lohn
≥1 Jahr aber < 3 Jahre90 Tage Lohn
≥3 Jahre aber < 6 Jahre180 Tage Lohn
≥6 Jahre aber < 10 Jahre240 Tage Lohn
≥10 Jahre aber < 20 Jahre300 Tage Lohn
≥20 Jahre400 Tage Lohn

📌 Diese Abstufungen sind gesetzlich festgelegt, nicht verhandelbar nach unten (nur nach oben durch Vertrag möglich).

Kleiner, aber wichtiger Hinweis zur Probezeit

Das Gesetz selbst spricht nicht ausdrücklich von „Probezeit“, aber in der Praxis gilt oft, dass ein Beschäftigungsverhältnis erst nach 120 Tagen Abfindungsansprüche auslöst.

Beispiele zur Veranschaulichung

  • 9 Monate Beschäftigung → 30 Tage Lohn Abfindung
  • 2,5 Jahre → 90 Tage Lohn Abfindung
  • 7 Jahre → 240 Tage Lohn Abfindung
  • 25 Jahre → 400 Tage Lohn Abfindung

Steuerfreibetrag 2025: Neue 600.000-Baht-Regel

Wichtig für das Steuerjahr 2025:
Seit einer Änderung durch Ministerial Regulation No. 394 (B.E. 2567) gilt:

👉 Severance Pay ist steuerfrei bis zu
✔ dem Betrag entsprechender 400 Tagesgehälter
✖ jedoch höchstens THB 600.000.
Alles, was darüber hinausgeht, muss versteuert werden.

➡ Diese Steuerregel gilt rückwirkend ab dem 1. Januar 2023 für Abfindungen bei Kündigungen.

Wichtige Zusatzpunkte

Work Permit & Staatsangehörigkeit: Kein Einfluss auf den Abfindungsanspruch — entscheidend ist der Arbeitgeberstatus in Thailand.
Grobe Pflichtverletzungen / Fehlverhalten: In bestimmten schweren Fällen entfällt der Anspruch auf Severance Pay.

Kündigung „ohne Grund“

Abfindung gibt es nur, wenn die Kündigung „ohne Grund“ (without cause) erfolgt. Das ist der Regelfall bei betriebsbedingten Kündigungen, Umstrukturierungen oder wenn der Chef einfach „jemanden Neuen“ will.

Was bedeutet „mit Grund“?

Wer beim Klauen erwischt wird, die Arbeit verweigert oder dem Unternehmen vorsätzlich Schaden zufügt, wird „mit Grund“ (for cause) gefeuert. In diesem Fall gibt es keinen einzigen Baht Abfindung. Die Beweislast liegt jedoch beim Arbeitgeber.

Payment in Lieu of Notice

Neben der Abfindung muss der Arbeitgeber Kündigungsfristen einhalten (meist eine Zahlungsperiode, also 30 Tage). Kündigt er Sie sofort und schickt Sie nach Hause, muss er diese Zeit zusätzlich bezahlen (Payment in Lieu of Notice).

Nicht genutzter Urlaub

Thailändisches Recht sieht vor, dass nicht genutzter Urlaub bei Vertragsende ausbezahlt werden muss. Im Fall von „PoorSucker“, der angab, nie Urlaub bekommen zu haben, könnte hier eine beträchtliche Nachzahlung fällig werden.

Krankentage und Auszahlung

Krankentage (Sick Leave) sind in Thailand für bis zu 30 Tage pro Jahr bezahlt. Anders als Urlaubstage werden nicht genutzte Krankentage am Ende des Arbeitsverhältnisses jedoch nicht ausbezahlt.

Die Berechnungsgrundlage

Die Abfindung berechnet sich nach dem letzten Gehalt. Zulagen können Teil davon sein, wenn sie fix sind. Variable Boni zählen meist nicht dazu. Bei einem Gehalt von 50.000 THB (1.360 Euro) ist die Rechnung simpel: 50.000 / 30 * Tage-Anspruch.

Sozialversicherung (SSO)

Auch nach der Kündigung haben Sie Rechte bei der Sozialversicherung (Social Security Office). Sie sind noch 6 Monate krankenversichert, wenn Sie sich nicht weiter freiwillig versichern. Zudem gibt es ein kleines Arbeitslosengeld (50% des Lohns, gedeckelt auf 15.000 THB Basis) für bis zu 180 Tage.

Der Ruhestand als Kündigung

Wichtig zu wissen: In Thailand gilt der Eintritt in den Ruhestand (oft mit 60 Jahren) rechtlich als Kündigung durch den Arbeitgeber. Das bedeutet, man bekommt zur Rente seine volle Abfindung (bis zu 400 Tage) ausgezahlt!

Ausländische Firmen ohne Sitz

Arbeiten Sie für eine Firma, die keine thailändische Niederlassung hat (reines Remote-Work für Übersee ohne lokale Entity), gilt das thailändische Arbeitsrecht meist nicht. Dies war die Sorge im Forum, die sich jedoch als unbegründet herausstellte, da die Firma lokal registriert ist.

Anwälte und das Arbeitsgericht

Das thailändische Arbeitsgericht (Labour Court) ist extrem arbeitnehmerfreundlich, oft kostenlos und benötigt in erster Instanz nicht zwingend teure Anwälte. Mediatoren versuchen oft, vor dem Urteil eine Einigung zu erzielen.

Die „Unfair Dismissal“ Klage

Zusätzlich zur gesetzlichen Abfindung kann man auf „Unfair Dismissal“ (ungerechtfertigte Kündigung) klagen. Dies ist ein separater Anspruch, der Schadenersatz für den Verlust des Arbeitsplatzes fordert. Die Summen sind hier aber Ermessenssache des Richters.

Verjährungsfristen beachten

Warten Sie nicht zu lange. Während manche Ansprüche lange geltend gemacht werden können, sollten Sie bei einer Kündigungsschutzklage schnell handeln. Sammeln Sie alle Beweise: Verträge, Gehaltszettel und E-Mails.

Happy End für Lars?

Zurück zu unserem Fall im Forum: Der Nutzer „PoorSucker“ stellte klar, dass sein Arbeitgeber eine thailändische Firma ist und er Sozialversicherung zahlt. Damit stehen die Chancen exzellent, dass er im Falle einer Kündigung die volle gesetzliche Härte spüren darf – im positiven Sinne. Wenn er tatsächlich 20 Jahre dort war, reden wir von 400 Tagen Gehalt plus ausstehendem Urlaub und Kündigungsfrist.

Das oft belächelte „Mai Pen Rai“ (Macht doch nichts) der thailändischen Kultur endet abrupt, wenn es um das Arbeitsgesetz geht. Arbeitgeber, die versuchen, diese Zahlungen zu umgehen, landen oft vor Gericht und zahlen am Ende drauf – inklusive Zinsen. Für Arbeitnehmer in Thailand gilt 2025 mehr denn je: Kennen Sie Ihren Wert und unterschreiben Sie niemals vorschnell einen Aufhebungsvertrag, der Sie schlechter stellt als das Gesetz.

Anmerkung der Redaktion:

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