Vom „Bruder“ zum Feind
BANGKOK / PHNOM PENH – Es war eine politische Freundschaft, die Südostasien über Jahre prägte: Hun Sen, Langzeitherrscher und heute Senatspräsident Kambodschas, und Thaksin Shinawatra, ehemaliger Premierminister Thailands. Nun ist diese Allianz zerbrochen – lautstark, öffentlich und mit gefährlichen politischen Untertönen.
Am 26. Juni ließ Hun Sen bei einer Rede vor vertriebenen Bürgern in Preah Vihear kein gutes Wort mehr am einstigen „Gottbruder“: „Ich lasse mich lieber zuerst verraten, als selbst zu verraten. Aber jetzt, da ich verraten wurde, muss ich enthüllen, wie die Familie Thaksin ihrem Land den Rücken gekehrt hat.“
Drohungen vor laufender Kamera
Hun Sen kündigte an, er werde am 27. Juni in einer weiteren Rede „ausführlich die Höhen und Tiefen der kambodschanisch-thailändischen Beziehungen“ schildern – und dabei die thailändische Öffentlichkeit über den wahren Charakter der politischen Familie Shinawatra aufklären.
Er zeigte sich enttäuscht, dass ausgerechnet die Familie, die er einst unterstützte, nun an der Spitze Thailands für Unruhe sorge.
„Ich hätte nie gedacht, dass jene, die ich unterstützte, Premierminister werden – und dann solche Probleme verursachen.“
Besonders scharf formuliert waren seine Worte in Richtung Thaksins Tochter und aktueller Premierministerin Paetongtarn Shinawatra: „Du hast ein Kind als Premier, ich habe auch eines. Aber verwechsle mich nicht mit jemandem, den man übergehen kann. Ich schulde Thailand nichts.“
Persönlich und politisch
Ein Bruch mit Geschichte
Die Worte Hun Sens sind nicht nur politischer Natur – sie sind persönlich. Er erinnerte daran, dass sowohl Thaksin als auch seine Schwester Yingluck, ebenfalls ehemalige Premierministerin, in seinem Haus in Kambodscha Zuflucht fanden.
Doch jetzt sei das Vertrauen zerstört. „Ich will keine Dankbarkeit, ich will Gleichwertigkeit – ohne Einmischung“, betonte er. Offen bleibt, ob er damit auf ein mögliches thailändisches Vorgehen gegen kambodschanische Interessen anspielt.
Er warnte: „Wenn du dich überheblich verhältst, werde ich alles enthüllen, was du mir gesagt hast.“
Wer regiert Thailand wirklich?
Eine besonders brisante Bemerkung war die über die Machtverhältnisse in Bangkok. Hun Sen zweifelt offenbar an der Legitimität der derzeitigen Regierung:
„Wir wissen nicht, mit wem wir verhandeln sollen – das Militär, eine Partei, jemand im Hintergrund oder die Premierministerin?“
Diese Aussage trifft einen wunden Punkt in der thailändischen Innenpolitik, in der die tatsächliche Machtverteilung zwischen Militär, Monarchie und gewählten Politikern regelmäßig hinterfragt wird.
Hoffnung auf Dialog,
aber nicht um jeden Preis
Trotz der scharfen Worte betonte Hun Sen, dass Kambodscha nicht ganz Thailand als Gegner sehe:
„Wir betrachten nur eine kleine Gruppe von Extremisten als problematisch – einige Militärs, einige Politiker. Wir sind bereit, mit allen zu arbeiten – ob Gelbhemden, Rothemden oder andere.“
Er hofft auf eine Regierung in Thailand, die wirklich zum Dialog bereit ist – und lässt durchblicken, dass er die derzeitige Führung dazu nicht zählt.
Diplomatischer Donnerschlag mit offenem Ausgang
Der politische Bruch zwischen Hun Sen und Thaksin ist mehr als nur eine persönliche Enttäuschung – er offenbart tiefe Risse in der Beziehung zwischen den beiden Ländern.
Ob es sich hier um einen kalkulierten politischen Schachzug handelt oder um ein echtes Zerwürfnis mit langfristigen Folgen, bleibt abzuwarten. Sicher ist nur: Diese Allianz ist Vergangenheit. Und was Hun Sen enthüllt, könnte Südostasien erschüttern.