Zwischen Brathähnchen, Baht-Bussen und Beziehungsdramen

Leserbrief eines alten Hasen in Pattaya, gestern saß ich, wie so oft an meinem kleinen Lieblingskaffeestand in der Nähe der Soi LK, schlürfte gemächlich meinen Nachmittagskaffee und beobachtete das Treiben. Die Sonne brannte wie üblich vom Himmel, schwer und unerbittlich, der Geruch von gebratenem Huhn und den unvermeidlichen Baht-Bus-Abgasen hing wie eine dicke Decke über der Straße. Man gewöhnt sich daran. Irgendwann wird es zum Duft des Alltags.

Ich lebe nun schon über zehn Jahre in Pattaya. Ich bin kein Frischling mehr, auch wenn mich manche Farangs, die sich hier seit ein paar Monaten für die Erfinder der Tropen halten, manchmal so behandeln wollen. Nein, ich bin hier verwurzelt nicht verheiratet, aber auch nicht mehr auf der Jagd. Ich kenne die kleinen Tricks der Händler, das Lächeln hinter dem Lächeln der Damen, und ich weiß inzwischen ziemlich genau, wie viele Baht ein ehrliches Danke wert ist.

Und trotzdem, manchmal erwischt einen das Leben hier auf dem falschen Fuß. Oder besser gesagt, es erinnert dich daran, dass du nie ganz sicher sein kannst. Also ich sitze da, kümmere mich um meine eigenen Angelegenheiten, als dieses Mädchen auf einem Roller auftaucht. Ganz normal. Etwas gestresst, der Anlasser macht nicht mit. Sie schaut zu mir rüber, nickt höflich und fragt auf eine charmant schüchterne Weise, ob ich helfen könne. Natürlich helfe ich. Ich bin altmodisch, habe noch Anstand gelernt helfen ist Ehrensache.

Ein Schubs, ein Ruck, der Motor springt an. Sie strahlt. Dieses ehrliche, entwaffnende Lächeln, wie man es hier in Thailand noch öfter sieht, als man denkt. Nicht dieses aufgesetzte Lächeln der Bargirls, sondern ein Lächeln, das kurz die Sonne verdunkeln kann. Sie bedankt sich, nennt mich süß. Ich grinse innerlich, denke an früher, an andere Zeiten, andere Orte. Doch dann, ein paar Minuten später steht sie plötzlich wieder vor mir, drückt mir ihre Nummer in die Hand und meint, sie trinke auch gerne Kaffee. Vielleicht könnten wir uns ja mal treffen.

Ich bin, wie man so sagt, nicht mehr ganz taufrisch. Aber auch kein kompletter Depp. Ich nicke, sage etwas Höfliches, aber während ich noch überlege, ob das jetzt Zufall oder Absicht war, sehe ich auf der anderen Straßenseite einen jungen Thai, der mir einen Blick zuwirft, als hätte ich gerade sein Motorrad zerkratzt. Oder seine Schwester angegraben. Oder beides. Er schreit irgendetwas auf Thailändisch, ich verstehe nicht alles, aber der Tonfall war international verständlich. Ärger liegt in der Luft.

Und in diesem Moment wurde mir schlagartig klar, ich habe diesen Film schon mal gesehen. In verschiedenen Versionen. Mit anderen Darstellerinnen. Er beginnt immer mit einem netten Lächeln, vielleicht einem höflichen Danke. Und endet mit einer Szene im Polizeibüro, einem plötzlichen Unfall, oder einer Rechnung, die nicht mit dem übereinstimmt, was bestellt wurde.

Ich habe nichts gegen thailändische Frauen. Ganz im Gegenteil. Ich habe einige wirklich gute Menschen kennengelernt, die mehr Herzenswärme in sich trugen als viele meiner früheren Bekannten in Deutschland. Aber in Pattaya ist eben nichts so einfach, wie es scheint. Und nichts so unschuldig, wie es aussieht. Das Mädchen? Vielleicht wirklich nur nett. Vielleicht Kellnerin, vielleicht Bargirl. Vielleicht einfach nur freundlich. Oder vielleicht auf der Suche nach einem Trottel. Ich weiß es nicht. Und, ganz ehrlich, ich habe keine Lust mehr, es herauszufinden. Denn genau das ist der Unterschied, früher wäre ich neugierig gewesen. Heute bin ich wachsam. Vielleicht schreibe ich ihr eine SMS. Vielleicht auch nicht.

Pattaya ist ein faszinierender Ort. Ich liebe diese Stadt, trotz allem. Die Wärme, das Meer, die Herzlichkeit, die Spontaneität. Aber es ist auch ein Ort, der dir täglich zeigt, wie dünn die Grenze zwischen Romantik und Betrug, zwischen Hilfe und Ausnutzung, zwischen Begegnung und Geschäft ist.

Ich sehe viele alte weiße Männer hier verwundert, verliebt, verloren. Manche finden ihr Glück, andere ihr Unglück. Ich gönne jedem sein Happy End. Aber ich weiß inzwischen, in Pattaya sollte man mit offenen Augen träumen. Nicht mit geschlossenen.

In diesem Sinne an all die jüngeren oder frisch angereisten „Old Boys“: Helft, seid freundlich, genießt das Leben. Aber glaubt nicht, dass euer Kaffee nur nach Bohnen schmeckt. Manchmal mischt das Schicksal eine andere Zutat unter. Und die schmeckt dann bitter.

Mit besten Grüßen aus dem heißen Pattaya,

Ihr Helmut S. (67)

Rentner, Beobachter, Realist

(Ein bisschen verliebt in Thailand – aber mit Helm auf dem Kopf und einem wachsamen Auge im Herzen)

Der Leserbrief wurde redaktionell behutsam überarbeitet, wobei Inhalt und Aussage des Verfassers unverändert erhalten blieben. Für die Richtigkeit der angegebenen Informationen übernimmt die Redaktion keine Haftung. Reaktionen und Kommentare bitten wir ausschließlich über die Kommentarfunktion auf unserer Facebook-Seite oder in unserem Online-Forum zu teilen. Antworten per E-Mail können aus zeitlichen Gründen nicht berücksichtigt werden.

Newsletter abonnieren

Newsletter auswählen:
Abonnieren Sie den täglichen Newsletter des Wochenblitz und erhalten Sie jeden Tag aktuelle Nachrichten und exklusive Inhalte direkt in Ihr Postfach.

Wir schützen Ihre Daten gemäß DSGVO. Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert