Von unserer thailändischen Reporterin Sirinya Chaisamut, vor Ort in Sa Kaeo
Es ist kurz nach Mittag am 25. Juni 2025. Ich stehe direkt an der kambodschanisch-thailändischen Grenze in Klong Luek, Provinz Sa Kaeo. Die Luft flimmert, es sind über 35 Grad. Und vor mir: eine Menschenmenge, dicht gedrängt, erschöpft und laut. Hunderte kambodschanische Bürger wollen zurück in ihr Heimatland – aber die Grenze ist zu.
Seit dem frühen Morgen warten sie. Männer, Frauen, Kinder – einige sitzen auf Kartons, andere liegen auf Decken am Boden. Eine ältere Frau mit einem Krückstock stützt sich an der Absperrung ab. „Ich war nur zum Arbeiten hier“, sagt sie zu mir. „Jetzt will ich zurück zu meiner Familie.“ Ihre Stimme zittert.
Hitze, Frust – und keine Informationen
Ich spreche mit einem jungen Mann, der aus Chachoengsao gekommen ist. Er zeigt mir seine offiziellen Papiere, alles scheint in Ordnung. „Wir haben gearbeitet, Steuern gezahlt – warum dürfen wir nicht einfach gehen?“, fragt er mich. Hinter ihm schreit ein Kind, seine Mutter versucht, es mit einem Stück Wassermelone zu beruhigen.
Viele der Wartenden wissen nicht, warum die Grenze geschlossen ist. „Keiner erklärt uns was“, höre ich immer wieder. Ein Beamter am Kontrollpunkt sagt mir leise: „Es gibt keine offizielle Freigabe aus Bangkok. Wir können nichts machen, solange kein Befehl kommt.“ Ich sehe, wie Polizisten Wasserflaschen verteilen. Eine Geste – aber sie reicht nicht, um die wachsende Anspannung zu lösen.
„Wir schlafen heute auf dem Boden, wenn nötig“
In der Hitze schwinden nicht nur die Kräfte, sondern auch die Geduld. Gegen 16 Uhr verdichten sich die Rufe in der Menge. Immer wieder fordern Menschen lautstark: „Öffnet die Grenze!“ Eine Frau, Anfang 30, zeigt mir ihr Busticket nach Phnom Penh. „Ich sollte längst unterwegs sein. Stattdessen warte ich hier seit sechs Stunden.“
Trotzdem bleibt alles weitgehend friedlich. „Wir wissen, dass Gewalt nichts bringt“, sagt ein älterer Mann, der mit seiner Enkelin gekommen ist. „Aber wir geben nicht auf. Wir schlafen heute auf dem Boden, wenn es sein muss.“ Ich sehe viele wie ihn – erschöpft, aber entschlossen. Und ich beginne zu begreifen, wie sehr diese Grenze nicht nur eine Linie, sondern ein Hindernis im Leben der Menschen ist.
Durchbruch am Abend – für 90 Minuten
Dann, kurz vor 19 Uhr, Bewegung. Beamte telefonieren hektisch, Grenzposten werden besetzt. Und schließlich: Die Durchsage. Die Grenze wird geöffnet – für eineinhalb Stunden. Zwischen 19.00 und 20.30 Uhr dürfen kambodschanische Staatsbürger passieren. Ich sehe, wie sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet.
Jubel bleibt aus – stattdessen herrscht stille Erleichterung. Die Menschen stehen langsam auf, packen ihre Sachen, halten ihre Dokumente bereit. „Ich danke Gott“, sagt ein Mann mit Tränen in den Augen. Als sich das Tor öffnet, gehen sie geordnet, ruhig – fast feierlich. Ein Beamter flüstert mir zu: „Wir hatten Angst vor einem Sturm. Stattdessen haben wir Würde gesehen.“
Der Tag endet – die Frage bleibt
Um 20.30 Uhr schließen sich die Tore wieder. Zurück bleibt eine leere Straße, verstreute Rucksäcke, Plastikflaschen – und ich. Ein Polizeioffizier sagt mir beim Gehen: „Wir brauchen eine bessere Lösung. So etwas darf nicht zur Routine werden.“ Ich nicke. Auch ich habe heute gespürt, wie schnell eine Grenze zu einer Belastungsprobe für Menschlichkeit wird.
Dieser Tag wird mir in Erinnerung bleiben. Nicht wegen der Zahlen, sondern wegen der Gesichter. Die Gesichter jener, die nur nach Hause wollten – und die es mit Würde, Geduld und Hoffnung getan haben. Ich verlasse den Grenzübergang mit einem tiefen Respekt vor den Menschen, die heute gewartet, gehofft – und den Schritt über die Grenze geschafft haben.
Wenn’s doch für die Nationale Sicherheit notwendig ist.