BANGKOK, THAILAND – Ein politischer Mord, ein Amoklauf mitten in der Stadt, milliardenschwere Online-Betrugsnetzwerke und Skandale in Polizei und Mönchsorden haben 2025 das Vertrauen in zentrale Institutionen schwer belastet. Die Verbrechen und Affären legten strukturelle Schwächen bei Kontrolle, Aufsicht und Strafverfolgung offen und lösten Debatten über Reformen aus.
Politischer Mord im Zentrum Bangkoks
Am 7. Januar wurde der 74-jährige ehemalige kambodschanische Oppositionspolitiker Lim Kimya im Herzen Bangkoks erschossen. Er war früher Abgeordneter der inzwischen aufgelösten Cambodia National Rescue Party (CNRP) und galt als scharfer Kritiker des früheren Premiers Hun Sen.
Lim war mit seiner Frau nahe dem Tempel Wat Bowonniwet im Bezirk Phra Nakhon unterwegs, als ein Schütze das Feuer eröffnete. Zeugen berichteten, Lim sei getroffen worden und trotz schneller Hilfe von Rettungskräften noch am Tatort gestorben.
Motiv offiziell ungeklärt
Die Polizei identifizierte den mutmaßlichen Schützen als Ekkalak Paenoi, einen ehemaligen Marine-Soldaten, der zunächst floh. Kambodschanische Behörden nahmen ihn später in der Provinz Battambang fest und lieferten ihn nach Bangkok aus. Ein thailändisches Gericht verurteilte ihn im Oktober wegen Mordes zunächst zum Tode, wandelte die Strafe nach seinem Geständnis aber in lebenslange Haft um.
Die Motivlage blieb offiziell ungeklärt, Beobachter gingen jedoch von einem politischen Hintergrund aus. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch verurteilten die Tat scharf. In einer Stellungnahme hieß es, dieser Fall zeige die Gefahren, denen politische Aktivisten in Südostasien ausgesetzt seien.

Amoklauf auf dem Or-Tor-Kor-Markt
Einer der schwersten Taten des Jahres ereignete sich am 28. Juli auf dem besonders bei Einheimischen und Touristen beliebten Or Tor Kor Market im Bezirk Chatuchak. Kurz vor Mittag eröffnete ein Einzeltäter in der offenen Markthalle das Feuer.
Die Polizei identifizierte den Schützen als Noi Praidan, 61, einen früheren Marktverkäufer. Mit einer 9mm CZ Shadow 2-Pistole zielte er zunächst auf Sicherheitskräfte des von der Marketing Organisation for Farmers (MOF) betriebenen Marktes und schoss anschließend auch auf umliegende Stände.
Sechs Menschen tot
In der Folge starben sechs Menschen: vier Sicherheitskräfte, eine Verkäuferin und der Schütze selbst, der sich auf einer Bank sitzend das Leben nahm. Zwei Frauen wurden verletzt und ins Krankenhaus gebracht, wo ihr Zustand als stabil gemeldet wurde. Zeugen schilderten anhaltenden und indiskriminierenden Beschuss, einige Opfer seien getroffen worden, als sie sich unter Stände und Tische zu retten versuchten.
Ermittler führten die Tat später auf einen jahrelangen persönlichen Konflikt zurück. Noi soll seit Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften in den Jahren 2019–2020 tiefe Verbitterung gehegt haben, nachdem sein Fahrzeug beim Warenanliefern beschädigt worden war. Der Fall löste eine landesweite Diskussion über Waffenbesitz, psychische Gesundheit und Konfliktlösung aus.

Offensive gegen Online-Betrug und Geldwäsche
Parallel dazu verschärfte die Regierung 2025 ihren Kampf gegen Online-Betrugsnetzwerke, die sich zu einer der gravierendsten Formen grenzüberschreitender Kriminalität entwickelt hatten. Die Royal Thai Police richtete das Anti Cyber Scam Center (ACSC) ein, eine rund um die Uhr arbeitende Schaltstelle zur Echtzeit-Unterstützung von Opfern und zur Störung laufender Operationen.
An der Spitze des Vorgehens stand Pol Lt Gen Jirabhop Bhuridej, Assistierender Nationaler Polizeichef mit Spezialisierung auf Cyberkriminalität. Unter seiner Leitung wurde die Zusammenarbeit mit Staaten wie China, USA und Japan deutlich verstärkt.
Yachten, Luxusfahrzeuge und Grundstücke beschlagnahmt
Einen Höhepunkt erreichte die Offensive am 3. Dezember, als Vizepremier und Innenminister Anutin Charnvirakul umfangreiche Ergebnisse einer landesweiten Aktion präsentierte. Polizei und Partnerbehörden durchsuchten 50 Objekte in 22 Provinzen, nahmen Verdächtige fest und beschlagnahmten Yachten, Luxusfahrzeuge, Grundstücke sowie Bankguthaben in Höhe von 10,1 Milliarden Baht.
Gegen 42 Beschuldigte wurden Haftbefehle erlassen, 29 von ihnen festgenommen, nach 13 wird weiter gefahndet. Unter den Gesuchten: der kambodschanische Geschäftsmann Lim Liak mit thailändischer Staatsbürgerschaft, seine thailändische Ehefrau und ein Komplize. Ermittler sehen den Fall als Teil eines transnationalen Geldwäschenetzwerks, das kambodschanische Betrugsbanden mit ausländischen Geschäftsinteressen verbindet.
Schäden in dreistelliger Millionenhöhe
Zwischen 30. November und 20. Dezember registrierte das ACSC über die Plattform thaipoliceonline.go.th mehr als 21.000 Fälle mit Schäden in dreistelliger Millionenhöhe in Baht. Obwohl die Fallzahlen insgesamt rückläufig waren, nahmen die durchschnittlichen Verluste pro Fall zu – ein Hinweis darauf, dass Täter weniger Opfer, aber höhere Summen anvisieren.
Behörden warnten eindringlich, dass Banden moderne Kommunikation nutzen, um sich als Beamte auszugeben, Scheininvestitionen zu bewerben oder Opfer mit angeblichen Gewinnen zu ködern. Besonders hohe Schäden entstanden durch:
• Preis- und Gewinnüberweisungs-Betrug
• Investment-Fraud mit falschen Anlageversprechen
• Telefonische Einschüchterung durch vorgetäuschte Behördenkontakte

Mönchsskandale erschüttern den Sangha
Auch der buddhistische Mönchsorden geriet 2025 massiv unter Druck. Nach Angaben des Central Investigation Bureau wurden landesweit 166 Mönche verhaftet, fünf ranghohe Geistliche in aufsehenerregenden Fällen laisierten und wegen Straftaten wie Geldwäsche, Veruntreuung und Betrug angeklagt.
Im Fokus stand insbesondere der Tempel Wat Rai Khing in der Provinz Nakhon Pathom. Ein verdeckter Ermittler sammelte dort acht Monate lang Beweise zu mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten. Der Abt Phra Thamma Wachiranuwat wurde festgenommen, nachdem Ermittler über 300 Millionen Baht an Spendenzahlungen rekonstruiert hatten, die über mehrere Konten zweckentfremdet worden sein sollen.
Ein Konto wurde mit Aranyawan Wangthapan in Verbindung gebracht, einem Verdächtigen in einem Online-Glücksspielfall. Auf dieses Konto sollen ebenfalls mehr als 300 Millionen Baht geflossen sein; die Behörden prüfen, ob sich die Gesamtsumme auf mehrere Milliarden Baht beläuft.
Das „Sika-Golf-Universum“
Ein weiterer Großfall wurde als „Sika-Golf-Universum“ bekannt. Ausgehend von Vorwürfen gegen einen früheren Abt des Tempels Wat Tri Thotsathep in Bangkok weitete sich die Affäre rasch auf andere Regionen aus. Die Polizei stellte verdächtige Transaktionen von mehr als 385 Millionen Baht über drei Jahre fest.
Zentralfigur war Wilawan „Sika Golf“ Emsawat, 35. Von ihrem Mobiltelefon stellten Ermittler über 80.000 Fotos und Videos sicher, die intime Beziehungen zu Mönchen sowie Gespräche über Geld zeigten. Insgesamt wurden 14 Mönche belastet, drei von ihnen wegen Pflichtverletzung und Geldwäsche festgenommen, elf weitere legten ihre Robe ab. Wilawan sieht sich unter anderem dem Vorwurf der Beihilfe zu Verfehlungen und Hehlerei ausgesetzt.
Missmanagement von Tempel- und Stiftungsmitteln
Ein dritter prominenter Fall betraf Luang Pho Alongkot Tikkapanyo, früherer Abt von Wat Phra Bat Nam Phu in der Provinz Lop Buri, bekannt für seine Arbeit mit HIV/Aids-Patienten. Ihm wurden Missmanagement von Tempel- und Stiftungsmitteln, Zweckentfremdung von Spenden und Geldwäsche vorgeworfen, woraufhin Behörden Grundstücke und Fahrzeuge sicherstellten.
Religionswissenschaftler und Juristen sahen in der Häufung der Fälle ein Symptom tiefer struktureller Defizite in der Verwaltung des Sangha, insbesondere bei Aufsicht und Rechenschaftsmechanismen.
Machtkampf und Sturz eines Spitzenpolizisten
Innerhalb der Royal Thai Police (RTP) setzte sich 2025 ein seit Jahren schwelender Konflikt fort. Im Zentrum stand der frühere stellvertretende Nationale Polizeichef Pol Gen Surachate „Big Joke“ Hakparn, der im März wegen mutmaßlicher Verbindungen zu einem Online-Glücksspielfall aus dem Dienst entfernt wurde.
Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit der BNKMaster-Plattform, die bereits 2023 zerschlagen wurde. Ermittler brachten Surachate mit einem Mule-Konto in Verbindung, das für das Glücksspielnetzwerk genutzt worden sein soll. Gegen ihn und vier Untergebene wurden Ermittlungen wegen Geldwäsche eingeleitet – ein schweres Disziplinarvergehen nach dem Royal Thai Police Act.
Surachate „Big Joke“ Hakparn entlassen
Am 7. März empfahl das Critical Disciplinary Committee seine Entlassung. Der Nationale Polizeichef Pol Gen Kittharath Punpetch unterzeichnete daraufhin persönlich den Ausweisungsbeschluss, ein ungewöhnlicher Schritt, da solche Entscheidungen selten direkt vom Behördenleiter genehmigt werden. Die Maßnahme schloss auch die Aussetzung der Pension ein.
Vier Tage später, am 11. März, wurden auch die vier untergeordneten Beamten aus dem Dienst entlassen, nachdem Ermittler ihre Verbindung zu demselben Online-Netzwerk festgestellt hatten. Alle fünf legten daraufhin Beschwerde bei der Police Ethics Protection Commission ein.
Am 4. Dezember wies die Kommission die Einsprüche zurück und erklärte das disziplinarrechtliche Vorgehen für rechtmäßig und angemessen. Surachate und seine früheren Kollegen können die Entscheidung innerhalb von 90 Tagen vor dem Obersten Verwaltungsgericht anfechten.
Vertrauensfrage für Staat und Gesellschaft
Von tödlicher Straßengewalt bis zu Skandalen an der Spitze von Polizei und Klerus hat das Jahr 2025 die Frage verschärft, ob Reform und Rechenschaftspflicht mit der Dynamik von Kriminalität und Machtmissbrauch Schritt halten können. Die anhaltenden Verfahren und Ermittlungen werden maßgeblich bestimmen, wie weit der Wiederaufbau öffentlichen Vertrauens gelingt.
🗣 Wenn alles gleichzeitig brennt
Ein Mord im Herzen Bangkoks. Ein Markt wird zum Tatort. Mönche, die fallen. Ermittler, die selbst unter Verdacht geraten.
2025 war kein einzelner Skandal – es war eine Kettenreaktion.
Die Frage ist nicht mehr, ob etwas schiefläuft, sondern wie tief die Probleme reichen.
Reichen Razzien, Urteile und Pressekonferenzen noch aus?
Oder steht Thailand vor der unbequemen Wahrheit, dass Vertrauen nur mit echten Reformen zurückgewonnen werden kann?



