Leserbrief: Leben zwischen Buddha und Bürokratie

Liebe Wochenblitz Redaktion

Ich lebe nun seit über zehn Jahren in Thailand und habe Höhen und Tiefen erlebt. Als jemand, der das Leben in Deutschland noch gut kennt, fällt mir oft auf, wie unterschiedlich unsere beiden Welten doch sind. Es ist, als ob ich zwei Leben gelebt habe, eines in geordneten, oft auch zu engen Bahnen der alten Heimat, und eines hier im oft chaotischen, aber auch herzlich ehrlichen Alltag Thailands.

Ich bin 68 Jahre alt, lebe mit meiner thailändischen Frau im Randgebiet von Chiang Mai und habe mich längst von der Illusion verabschiedet, dass man im Alter irgendwo „ankommt“. Vielmehr lernt man jeden Tag neu, auch wenn man sich manchmal wünscht, es wäre nicht immer gleich eine Lektion in Geduld oder Demut.

Farang zu sein ist keine Rolle, es ist ein Zustand. Wer hier als Ausländer lebt, spürt schnell, dass man in vielerlei Hinsicht zwar willkommen, aber nie ganz Teil des Ganzen ist. Ich will das nicht negativ verstanden wissen. Die Thais sind ein freundliches, oft zurückhaltendes Volk, das mit einem Lächeln mehr sagen kann als manch Deutscher mit einem langen Vortrag. Aber hinter diesem Lächeln steckt nicht immer Verständnis. Und vor allem keine Geduld, wenn man versucht, westliche Logik auf thailändische Abläufe anzuwenden, ob im Straßenverkehr oder auf dem Amt.

Einer meiner größten Kulturschocks war, wenig überraschend der Umgang mit der Immigration. Die jährliche Verlängerung meines Renter-Visums ist inzwischen Routine, aber sie bleibt jedes Mal eine Übung in Frustration. Ob nun mit dem berühmten „800.000 Baht auf dem Konto“ oder der Einkommensbescheinigung das Regelwerk ist ein Chamäleon. Es verändert sich gern, still und plötzlich. Ich kenne Fälle, da wurde jemand abgewiesen, weil die monatlichen Einzahlungen ein paar Tage zu spät ankamen – nachweislich! Oder man wechselte von der Pauschalmethode zur Einkommensmethode, nur um dann doch wieder auf die erste zurückgezwungen zu werden, weil die vorherige Basis eben so war. Logik? Fehlanzeige.

Aber die Damen und Herren dort machen ihren Job. Oft streng, manchmal freundlich, selten wirklich entgegenkommend. Man lernt, Dokumente dreifach auszudrucken, sie in Klarsichthüllen zu sortieren und immer auch mit einem freundlichen „Wai“ zu erscheinen. Das hilft mehr als jede Argumentation.

Ich bin seit sieben Jahren mit meiner Frau verheiratet, einer ruhigen, fleißigen Nordthailänderin, die ihr ganzes Leben hier verbracht hat. Unsere Ehe ist gut, auch wenn wir aus zwei Welten kommen. Sie liebt ihre Familie über alles, für mich manchmal schwer verständlich, wenn der halbe Lohn an entfernte Cousins überwiesen wird. Aber so ist es hier: Familie geht vor allem. Ich habe gelernt, dass man sich nicht über alles den Kopf zerbrechen muss. Manchmal reicht es, einfach dabei zu sein.

Es ist nicht immer einfach. Unsere Gespräche sind oft eine Mischung aus Englisch, etwas Thai und vielen Gesten. Aber sie kocht besser als jedes Restaurant, kennt die Preise auf dem Markt auswendig und hat ein Gespür für Menschen, das mir oft fehlt. Dafür bringe ich meine „deutsche Ordnung“ ein sei es beim Haushaltsbudget oder bei der Terminplanung. Ein Austausch auf Augenhöhe, wenn auch manchmal in Zeitlupe.

Was mir zunehmend auffällt: Die Expats hier sind ein sehr durchmischter Haufen. Es gibt freundliche, hilfsbereite Menschen, mit denen man sich gern auf einen Kaffee trifft oder beim Arzt austauscht. Aber es gibt auch die anderen. Die Meckerer, die über alles schimpfen, was nicht deutsch genug ist. Die, die die thailändische Lebensweise nicht verstehen wollen oder schlimmer noch: nicht respektieren.

Ich finde, wer hier lebt, muss sich zumindest bemühen, die Kultur anzunehmen. Nicht alles verstehen, aber wenigstens versuchen. Leider gibt es viele, die seit Jahren hier wohnen und kein Wort Thai sprechen, aber sich lautstark über den „Service“ beschweren. Das ist traurig.

Die Gesundheitsversorgung ist ein Thema, das mit den Jahren immer wichtiger wird. Ich habe mich in einem privaten Krankenhaus in Chiang Mai einschreiben lassen, weil ich weiß, dass man im Notfall schnell handeln muss. Die Versorgung ist, wenn man es sich leisten kann, hervorragend. Moderne Geräte, kompetente Ärzte, viele sprechen Englisch. Aber es hat seinen Preis und eine gute Auslandskrankenversicherung ist Pflicht.

Was mir Sorgen macht, ist die Zeit, wenn ich einmal nicht mehr mobil bin. Dann wird Thailand plötzlich weitläufig, und Busse mit Stufen oder unebene Gehwege werden zur Herausforderung. Noch geht es, aber ich mache mir keine Illusionen. Vielleicht kehre ich eines Tages doch nach Deutschland zurück zumindest für den letzten Abschnitt.

Thailand ist kein billiges Land mehr. Die Mieten in Chiang Mai sind zwar noch moderat, aber Essen, Dienstleistungen und vor allem alles, was „westlich“ ist, wird spürbar teurer. Auch Strom, Internet und Medikamente ziehen an. Wer mit einer kleinen Rente kommt und auf deutsche Verhältnisse hofft, wird enttäuscht. Es braucht eine gewisse Planung und Disziplin.

Trotzdem: Ich genieße mein Leben hier. Ich schätze das Klima (auch wenn es im April zu heiß wird), ich liebe die Märkte, die einfachen Gespräche mit den Nachbarn, das Gefühl, noch gebraucht zu werden. Ich habe in Thailand gelernt, dass Zeit relativ ist und dass man mit weniger oft mehr hat.

Ich bin dankbar für die Jahre hier. Sie haben mich gelehrt, ruhiger zu werden, nicht alles zu bewerten und öfter mal loszulassen. Aber ich bin auch nicht blind für die Probleme die Bürokratie, die soziale Ungleichheit, die Sprachbarriere, den manchmal aufgesetzten Respekt.

Thailand ist kein Aussteiger-Paradies. Es ist ein Land mit Geschichte, Stolz und Widersprüchen. Wer hier leben will, muss sich einfügen aber ohne sich selbst zu verlieren. Wer das schafft, kann hier ein erfülltes Leben führen, auch im Alter.

In diesem Sinne, möge der Weg noch eine Weile weitergehen. Und möge der nächste Behördentermin etwas freundlicher verlaufen als der letzte.

Mit freundlichen Grüßen aus Chiang Mai

Ein deutscher Rentner im Land des Lächelns

Der Leserbrief wurde redaktionell behutsam überarbeitet, wobei Inhalt und Aussage des Verfassers unverändert erhalten blieben. Für die Richtigkeit der angegebenen Informationen übernimmt die Redaktion keine Haftung. Reaktionen und Kommentare bitten wir ausschließlich über die Kommentarfunktion auf unserer Facebook-Seite oder in unserem Online-Forum zu teilen. Antworten per E-Mail können aus zeitlichen Gründen nicht berücksichtigt werden.

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