Vom Hartz-IV-Held zum Euro-König

Werbeanzeige

Thailand. Traumstrand, tropische Temperaturen – und für viele deutsche Auswanderer vor allem ein Ort, an dem das Portemonnaie endlich aufatmen darf. Denn wenn man den Euro in Thai Baht umtauscht, passiert etwas Magisches:

Aus schnöden 1.000 Euro werden über 37.000 Baht. Das klingt nach Reichtum, nach unbegrenztem Chang-Nachschub und täglichen Massagen mit Happy End. In der Realität jedoch verwandelt sich der vermeintliche Reichtum oft in eine gefährliche Illusion.

Während der deutsche Rentner daheim jeden Cent zweimal umdreht, wird er am thailändischen Pool plötzlich zum selbsternannten Finanzmogul. Doch der Wechselkurs ist keine Gelddruckmaschine – auch wenn man sich mit 100-Baht-Scheinen fühlt wie Dagobert Duck auf Speed.

Sparfuchs wird Sonnenkönig – mit Plastikschlappen

In Deutschland war er noch der Discounter-König mit Payback-Karte. Jetzt sitzt er mit Dosenbier in Pattaya auf seinem Balkonthron und philosophiert über die Weltwirtschaft. Denn wer 1.000 Euro Rente bezieht, lebt in Thailand wie ein „reich gewordener Lebemann“ – zumindest bis zur nächsten Zahnbehandlung.

Der Mythos vom reichen Farang lebt – besonders in den eigenen Köpfen. Dass sich der Lebensstil eher aus Tankstellen-Grillhähnchen und günstigen Apartments mit Wellblechdach zusammensetzt, wird dabei charmant ausgeblendet. Und so wird aus dem deutschen Schnäppchenjäger ein tropischer König – mit Bauch, Sandalen und der festen Überzeugung, das Paradies entdeckt zu haben.

Der Realitätsverlust beginnt beim Frühstück

Zwei Spiegeleier, Toast, Bacon, Orangensaft, Kaffee – für 89 Baht. Da schmeckt das Frühstück nach Fünf-Sterne-Resort. Doch dieser kulinarische Luxus ist der erste Schritt in den süßen Wahnsinn. Denn wer jeden Morgen königlich tafelt, glaubt bald, Thailand sei ein Ort, an dem Geld keine Rolle spielt.

Die Konsequenz: Wochenmärkte werden ignoriert, weil sie „zu local“ sind, und im klimatisierten 7-Eleven wird geshoppt, als gäbe es kein Morgen. Es ist der Beginn einer Spirale, in der sich der Sparfuchs in einen Lifestyle-Löwen verwandelt – allerdings auf Pump, denn selbst in Thailand fliegt einem das Geld nicht automatisch in die Flipflops.

Pool statt Politik – der neue Stammtisch

Mit einem Chang-Bier in der Hand und Sonnenbrand auf der Stirn wird die Terrasse zum Epizentrum deutscher Außenpolitik. „Der Baht ist stabiler als der Euro“, tönt es selbstbewusst aus dem Liegestuhl.

Man hat schließlich mal Wirtschaft auf RTL geschaut. Der tägliche Smalltalk am Pool ersetzt Tagesschau und Handelsblatt. Alles wirkt entspannter – weil es mit Fakten nicht mehr so genau genommen wird.

Hauptsache, der Wechselkurs stimmt. Und wenn der Nachbar 2.000 Euro pro Monat bekommt, wird er zur lokalen Forbes-Legende. Willkommen im neuen Club der Tropen-Millionäre – wo die Realität mit Sonnenöl eingerieben wird, bis sie glänzt.

Wenn die Freundin mehr Baht versteht als man selbst

Sie heißt Fon, Gift oder Apple – und sie weiß ganz genau, wie viele Baht ein Euro wert ist. Während der Farang noch stolz seine Reichtumstheorie erläutert, hat sie längst das Budget für die nächsten Monate durchgerechnet – inklusive neuem iPhone und einem Besuch bei Mama im Isaan.

Der vermeintliche Wechselkurs-Gewinner merkt oft zu spät, dass er nicht der Finanzminister der Beziehung ist, sondern nur der Sponsor. Das Klischee lebt – und manchmal sogar sehr luxuriös. Für sie. Für ihn endet es häufig beim Pfandautomaten – allerdings in Bangkok.

Die unsichtbare Inflation schlägt zurück

Was der Neu-Thai nämlich gerne vergisst: Auch in Thailand steigen die Preise. Besonders da, wo viele Farangs wohnen, wird kräftig draufgeschlagen. Der Massagesalon wird teurer, die Miete sowieso – und das Bier, das früher 50 Baht kostete, kratzt inzwischen an der 100er-Grenze.

Doch wer sich zu lange an die Traumwelt des günstigen Lebens klammert, wird früher oder später von der Realität eingeholt. Dann heißt es plötzlich: Nur noch eine Pizza die Woche, Fon muss aufs neue Handy verzichten – und statt Pool gibt’s wieder Planschbecken.

Vom Luxusleben zur Rückflug-Panik

Wenn das Geld alle ist, wird’s in der Palmenwelt ganz schnell ungemütlich. Denn wer sich in Thailand reich gefühlt hat, muss beim Blick aufs Konto oft feststellen: Der König ist nackt. Rücklagen? Fehlanzeige.

Krankenversicherung? Zu teuer. Rückflugticket? Vielleicht im Sonderangebot. Die goldene Wechselkurs-Zeitung reißt, wenn das Baht-Konto leer ist und die „günstige“ Behandlung beim Zahnarzt plötzlich 20.000 Baht kostet. Und so endet so mancher Lebemann in Bangkok am Schalter der deutschen Botschaft – mit Flipflops, Sonnenstich und einem Antrag auf Rückführung.

Klischees glänzen nur von außen

Natürlich ist das Leben in Thailand günstiger – aber nicht kostenlos. Und wer sich vom Wechselkurs blenden lässt, landet schnell in einer Seifenblase, die beim ersten Krankenhausbesuch platzt. Der Mythos vom reichen Farang hält sich hartnäckig, wird genährt von Facebook-Gruppen, Cocktailbildern und Sonnenuntergangs-Postings.

Doch hinter der goldenen Fassade steckt oft nur ein deutscher Durchschnittsbürger mit Tropenbrille und Illusionen im Gepäck. Der Wechselkurs macht dich nicht reich – nur kurzzeitig besser gelaunt. Bis zur nächsten Stromrechnung.

Newsletter abonnieren

Newsletter auswählen:
Abonnieren Sie den täglichen Newsletter des Wochenblitz und erhalten Sie jeden Tag aktuelle Nachrichten und exklusive Inhalte direkt in Ihr Postfach.

Wir schützen Ihre Daten gemäß DSGVO. Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.
Werbeanzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert