Als Rentner in Thailand zu leben fühlt sich manchmal an wie ein Lied, das ich nie ganz aus dem Kopf bekomme: eingängig, sonnig, mit ein paar schiefen Tönen. Ich liebe dieses Land, ich hasse es manchmal, und meistens sitze ich abends auf dem Balkon, schaue aufs Meer oder die Palmen und denke über genau dieses Hin und Her nach.
Was ich liebe, ist so offensichtlich, dass es fast kitschig klingt: das Licht hier am Morgen, die Hitze, die mir nach einem kalten europäischen Winter wie eine Umarmung vorkommt, die Thom Yam-Suppe, die Straßenmärkte mit ihrem Durcheinander an Düften und Farben. Ich habe das Gefühl, wieder in einen einfacheren Rhythmus zu fallen, wo ein Tag noch als „ein Tag“ zählt und nicht ständig unter Leistungsgesichtspunkten bewertet wird.
Und dann sind da die Menschen. Die Freundlichkeit, die ich erlebe, ist nicht immer laut, oft ist sie klein und sehr konkret: Nachbarn, die einem mit einer Tüte Papaya entgegenkommen, der kleine Händler, der beim Bezahlen lächelt, obwohl meine Thai-Aussprache mehrdeutig ist. Diese Alltagswärme macht vieles hier leichter, sehr vieles.
Doch ich hasse die Bürokratie. Nicht nur die Warteschlangen, sondern dieses Gefühl, dass ein einfaches Formular plötzlich zum Abenteuer wird. Naja, das liegt vielleicht auch an mir, dass ich mich immer wieder wundere, warum etwas nicht ganz einfach sein kann. Manchmal fühle ich mich wie ein Gast, der nicht ganz die Regeln kennt, und das ist frustrierend.
Gesundheit ist ein ständiges Thema, wenn man älter wird. Ich schätze die Kliniken, die oft modern sind, und ich bin dankbar für Ärzte, die sich Zeit nehmen. Gleichzeitig nervt mich die Sprachbarriere in medizinischen Situationen; Glück gehabt, wenn ein Dolmetscher da ist, Pech gehabt, wenn nicht. Ich lerne Thai, langsam, mit vielen Fehlern, aber es hilft. Sehr.
Finanziell ist es ein Auf und Ab in meinem Kopf. Die Lebenshaltungskosten hier erlauben mir ein anderes Leben als in meiner Heimat, das ist befreiend. Andererseits wächst die Unsicherheit, wenn Preise steigen oder wenn ich mich frage, wie lange meine Rente reicht. Ich habe Freunde, die darüber diskutieren, ob sie zurückgehen sollen — ich schwanke noch.
Was mich manchmal am meisten beschäftigt, ist dieses Gefühl von Zugehörigkeit. Ich habe hier Freundschaften, kenne Tempelrituale und winke zum Marktverkäufer. Trotzdem bleibt etwas Distanz: Erinnerungen an ein Leben anderswo, Traditionen, die mir fehlen, und die Gewissheit, dass ich genommen, aber nicht vollständig verwurzelt bin. Das tut manchmal weh, ehrlich gesagt.
Die Natur hier heiligt viele Dinge. Ein Sonnenuntergang über dem Meer kann alte Sorgen klein erscheinen lassen, ein lauter Regen am Nachmittag wäscht die Gedanken frei. Ich gehe oft spazieren, setze mich an den Strand und denke: Darum bin ich hier. Diese einfachen Rituale helfen mir, die Ärgernisse zu relativieren.
Manchmal frage ich mich, ob ich ein Leben in zwei Teilen führen kann, ohne mich zu sehr zu teilen. Ein Teil von mir liebt die Ruhe und das warme Klima, der andere Teil sehnt sich nach Vertrautem, nach Jahreszeiten und nach der Tiefe alter Freundschaften zu Hause. Ich versuche, beides auszuhalten, mit allen Widersprüchen.
Am Ende lerne ich, mit der Ambivalenz zu leben. Thailand ist für mich gleichzeitig Zuflucht und Herausforderung, liebevoll und reisig, tröstlich und nervig. Vielleicht ist das genau der Punkt: Ein Leben in der Fremde zwingt mich, die eigenen Widersprüche ernst zu nehmen und daran zu wachsen. Ich hoffe, andere Rentner, die hier sind oder kommen wollen, denken darüber nach, was sie wirklich suchen — und bleiben offen für beides, das Schöne und das Schwierige.
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