Liebe Freunde und Leser,
ich muss euch von einem Vorfall erzählen, der mir vor zwei Wochen hier in Kalasin passiert ist. Es war einer dieser Momente, die einem zeigen, wie schnell sich alles ändern kann – und wie wichtig es ist, vorbereitet zu sein.
Seit drei Jahren lebe ich nun schon mit meiner Frau hier in Thailand. Sie ist Thailänderin und hat mir das Leben hier sehr erleichtert. An diesem Tag war sie aber zu Hause geblieben, um den Garten zu pflegen, während ich allein zum BigC gefahren bin, um unseren Wocheneinkauf zu erledigen.
Die Fahrt nach Kalasin kenne ich inzwischen wie meine Westentasche. Gegen halb drei am Nachmittag passierte es dann: Aus einer Seitenstraße schoss plötzlich ein Motorradfahrer heraus und krachte direkt in meine Beifahrerseite. Obwohl ich schon drei Jahre hier lebe, war ich in diesem Moment wieder der hilflose Ausländer.
Der Schreck war groß, aber zum Glück waren wir beide unverletzt. Was dann aber folgte, war fast schlimmer als der Unfall selbst. Der thailändische Motorradfahrer begann sofort zu schreien und auf mich zu zeigen. Obwohl ich inzwischen ein paar Brocken Thailändisch verstehe, reichte es nicht für eine komplizierte Situation wie diese. Seine Botschaft war klar: Ich war schuld.
Als die Polizei kam, wurde meine Situation noch schwieriger. Normalerweise ist meine Thai Frau bei solchen Terminen dabei und übersetzt für mich. Aber diesmal war ich allein. Der Beamte sprach nur sehr gebrochenes Englisch, und meine Versuche, den Unfallhergang zu erklären, schienen ins Leere zu laufen. Der andere Fahrer konnte seine Version ausführlich auf Thailändisch erzählen, während ich mit meinen wenigen thailändischen und englischen Brocken kaum durchdrang.
Ehrlich gesagt hatte ich richtig Angst. Hier stand ich, nach drei Jahren in Thailand immer noch der Ausländer, der bei wichtigen Dingen auf seine Frau angewiesen ist. „Farang schuld!“, rief der Motorradfahrer immer wieder auf Englisch. Es fühlte sich an, als wäre ich automatisch der Schuldige, nur weil ich nicht von hier bin. Der Polizist notierte sich hauptsächlich das, was der Thai erzählte, und schaute mich skeptisch an.
In diesem Moment fiel mir meine Dashcam ein. Als wir vor einem Jahr unser Auto gekauft hatten, hatte meine Frau darauf bestanden, dass wir eine kleine Kamera einbauen lassen. „Hier in Thailand ist das wichtig“, hatte sie gesagt. Ehrlich gesagt fand ich es damals übertrieben, aber jetzt war ich ihr unendlich dankbar dafür.
Auf dem Polizeirevier angekommen, zeigte ich den Beamten das Video. Es war kristallklar zu sehen: Der Motorradfahrer war ohne anzuhalten aus der Seitenstraße gefahren, während ich ordnungsgemäß geradeaus fuhr. Die Mienen der Polizisten entspannten sich sofort. Das Video sprach eine universelle Sprache, die jeder verstand.
Aber jetzt kommt der verrückteste Teil der Geschichte: Obwohl das Video eindeutig meine Unschuld bewies, gab der andere Fahrer nicht auf. Seine neue Erklärung war so absurd, dass selbst die thailändischen Polizisten lachen mussten. Er behauptete allen Ernstes, ich hätte ihn „mit meinen Gedanken angezogen“ und deutsche Ausländer hätten „böse Magie“. Ich weiß nicht, ob er das ernst meinte oder einfach nur verzweifelt war, aber es war surreal.
Als ich abends zu Hause ankam und meiner Frau alles erzählte, schüttelte sie nur den Kopf. „Manche Leute hier denken immer noch so“, sagte sie. „Gut, dass du die Kamera hattest.“ Am Ende wurde ich natürlich „freigesprochen“. Die Dashcam hatte alles aufgezeichnet, was nötig war. Gegen den Motorradfahrer wurde sogar ein Verfahren eingeleitet.
Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass man auch nach Jahren im Land noch verletzlich sein kann, besonders wenn man die Sprache nicht perfekt beherrscht und allein unterwegs ist. Obwohl ich hier lebe und Thailand meine zweite Heimat geworden ist, bin ich in manchen Situationen immer noch auf Hilfe angewiesen.
Ich kann jedem Deutschen, der hier lebt oder Thailand besucht, nur raten: Nehmt eine Kamera mit ins Auto. Sie kostet nicht viel, aber sie kann euch vor großen Problemen bewahren. Ohne sie wäre ich vermutlich als Schuldiger dagestanden, obwohl ich nichts falsch gemacht hatte.
Thailand ist nach wie vor meine Wahlheimat, und die meisten Menschen hier sind freundlich und hilfsbereit. Aber dieser Vorfall hat mir wieder einmal gezeigt, wie wichtig es ist, vorbereitet zu sein – auch nach drei Jahren hier.
Herzliche Grüße aus dem warmen Thailand, Heinrich



