Thailands Zentralbank bekommt neuen Chef:
Regierung setzt auf linientreuen Kandidaten“
BANGKOK – In einer wegweisenden Entscheidung hat das thailändische Kabinett Vitai Ratanakorn zum neuen Gouverneur der Bank of Thailand ernannt. Der bisherige Chef der staatlichen Government Savings Bank wird am 30. September den umstrittenen Amtsinhaber Sethaput Suthiwartnarueput ablösen – ein Wechsel mit politischem Beigeschmack, der die Finanzwelt des Landes in Aufregung versetzt.
Das Ende einer Ära des Widerstands
Der scheidende Zentralbankchef Sethaput Suthiwartnarueput hatte sich während seiner fünfjährigen Amtszeit wiederholt mit der Pheu-Thai-Regierung angelegt. Besonders sein entschiedener Widerstand gegen das umstrittene 500-Milliarden-Baht-„Digital Wallet“-Konjunkturprogramm der Regierung sorgte für politische Spannungen.
Auch die wiederholten Forderungen der Regierung nach Zinssenkungen zur Wirtschaftsstimulierung stießen bei ihm auf taube Ohren. Sethaput beharrte stets auf der traditionellen Unabhängigkeit der Notenbank – eine Haltung, die ihm nun offenbar das Vertrauen der Regierung kostete.
Ein Kandidat nach dem Geschmack der Regierung
Finanzminister Pichai Chunhavajira setzte sich mit seiner Präferenz für Vitai Ratanakorn durch, einen Bankmanager, der als deutlich kooperativer gilt. Der 54-jährige bringt beeindruckende Qualifikationen mit: Nach einem Bachelor in Volkswirtschaft und zwei Master-Abschlüssen in Politischer Ökonomie sowie Wirtschaftsrecht an der renommierten Chulalongkorn-Universität erwarb er zusätzlich einen Master in Finance an der amerikanischen Drexel University.
Seine praktische Erfahrung sammelte er als Präsident der Government Savings Bank, einer wichtigen staatlichen Finanzinstitution. Doch sein entscheidender Vorteil im Rennen um den Spitzenposten war zweifellos sein Ruf als regierungsfreundlicher Technokrat, der die Geldpolitik enger mit den Plänen der Pheu-Thai-Partei abstimmen dürfte.
Vergeblicher Widerstand aus der Wissenschaft
Noch am Vortag der Entscheidung hatte eine Gruppe von 17 Wirtschaftsprofessoren, überwiegend von der angesehenen Thammasat-Universität, in einem dramatischen Appell versucht, die Ernennung zu verhindern. In ihrem Schreiben an den Finanzminister warnten sie eindringlich vor der „Erosion der Zentralbank-Unabhängigkeit“ – einem seit Jahrzehnten hochgehaltenen Grundsatz thailändischer Geldpolitik, der als wesentlicher Stabilitätsfaktor gilt.
Die Wissenschaftler argumentierten, dass Vitais Erfahrung im staatlichen Bankensektor ihn zwar für politisch gewünschte Maßnahmen empfänglich mache, aber genau die kritische Distanz zur Tagespolitik fehlen lasse, die eine Notenbank zur Wahrung der Preisstabilität benötige.
Folgen für die thailändische Wirtschaftspolitik
Finanzexperten erwarten nun eine deutliche Kursänderung in der Geldpolitik des südostasiatischen Königreichs. Die Wahrscheinlichkeit für Zinssenkungen noch in diesem Jahr wird als deutlich höher eingeschätzt, nachdem der bisherige Gouverneur solche Schritte stets mit Verweis auf die Inflationsrisiken abgelehnt hatte. Auch gegen weitere populäre, aber kostspielige Wirtschaftsprogramme der Regierung dürfte es weniger Widerstand geben.
Regierungssprecher Jirayu Huangsap verteidigte die Entscheidung mit dem Hinweis auf Vitaris einzigartige Kombination aus „makroökonomischer Expertise und praktischer Bankenerfahrung“, die ihn ideal für die Herausforderungen der Position qualifiziere.
Ein Paradigmenwechsel mit ungewissem Ausgang
Die Ernennung Vitaris markiert einen bedeutenden Paradigmenwechsel in Thailands Geldpolitik. Internationale Beobachter haben wiederholt die Unabhängigkeit der Notenbank als entscheidenden Stabilitätsfaktor für die robuste Wirtschaft des Landes gelobt. Die Regierung scheint nun jedoch bereit, diesen Grundsatz zugunsten einer stärker an ihren politischen Prioritäten ausgerichteten Geldpolitik aufzugeben.
Während Befürworter hoffen, dass dies zu einer stärkeren Konjunkturbelebung führen wird, warnen Kritiker vor den langfristigen Risiken für die Preisstabilität und das Vertrauen der internationalen Investoren. Die wahren Auswirkungen dieses Machtwechsels an der Spitze der thailändischen Zentralbank werden sich erst in den kommenden Monaten und Jahren zeigen.



