Riskante Reform: Thailands neues Alkoholgesetz macht Wirte für die Taten ihrer Gäste haftbar – Verkaufsverbot an Betrunkene als Kernstück der Novelle
Mit dem Inkrafttreten des neuen Alkoholkontrollgesetzes (Nr. 2) BE 2568 am 18. Dezember 2025 steht Thailand vor einer drastischen Veränderung. Während alle Welt auf die gelockerten Uhrzeiten blickt, verbirgt sich die wahre Sprengkraft im Detail: Ab sofort ist der Verkauf von Alkohol an bereits berauschte Personen strikt verboten.
Diese Regelung markiert einen Paradigmenwechsel in der thailändischen Gesetzgebung. Der Fokus verschiebt sich weg von reinen Zeitbeschränkungen hin zu einer individuellen Verhaltens- und Zustandskontrolle des Kunden.
Neue Haftungsfalle für Gastronomie und Handel
Die Reform bürdet den Betreibern ein enormes, bisher unbekanntes Risiko auf. Wer Alkohol an eine Person verkauft, die bereits das Bewusstsein verliert oder offensichtlich stark betrunken ist, macht sich angreifbar.
Verursacht dieser Kunde im Anschluss einen Schaden, kann der Verkäufer nun zivilrechtlich in die Haftungskette einbezogen werden. Das bedeutet im Klartext: Der Wirt haftet potenziell für den Unfall seines Gastes.
Das Personal als erste Verteidigungslinie
Diese Gesetzesänderung setzt Kassenkräfte und Servicepersonal unter massiven Druck. Sie müssen in Sekundenbruchteilen entscheiden, ob ein Kunde noch bedient werden darf oder ein unkalkulierbares Risiko darstellt.
Eine Fehleinschätzung kann für den Arbeitgeber teure juristische Konsequenzen haben. Die Arbeitsrealität in Bars, Clubs und 7-Eleven-Filialen wird sich dadurch grundlegend verändern.
Definitionsprobleme im praktischen Alltag
Kritiker bemängeln die schwammige Formulierung des Gesetzes, die viel Raum für Interpretation lässt. Ohne klare Promillegrenzen oder Testmöglichkeiten vor Ort bleibt die Definition von „betrunken“ rein subjektiv.
Dies dürfte unweigerlich zu Konflikten führen. Verkäufer werden aus Angst vor persönlicher oder betrieblicher Haftung den Dienst verweigern müssen und treffen dabei auf potenziell aggressive Kunden.
Schulungsoffensive statt Umsatzjubel
Die erste Reaktion der Branche ist daher verhalten und pragmatisch. Statt die erweiterten Verkaufszeiten zu feiern, investieren große Hotelketten und Einzelhändler derzeit massiv in Notfallschulungen und Rechtsberatung.
Das Personal muss juristisch und psychologisch geschult werden. Es geht darum, die feine Gratwanderung zwischen thailändischer Gastfreundschaft und der neuen gesetzlichen Abweisungspflicht zu meistern.
Ein Tauschhandel: Freiheit gegen Verantwortung
Der Gesetzgeber verfolgt mit diesem Paket eine klare politische Strategie. Die Liberalisierung der Verkaufszeiten gibt es nur gegen eine drastische Verschärfung der sozialen Kontrolle durch die Hintertür.
Die Regierung will weg von pauschalen Zeitverboten hin zu einer Prüfung im Einzelfall. Sie delegiert die Verantwortung dafür aber fast vollständig an die Privatwirtschaft.
Endlich durchgängige Verkaufszeiten
Als „Zuckerbrot“ zur „Peitsche“ der Haftung wurden die Verkaufszeiten massiv liberalisiert. Alkohol darf nun endlich durchgängig von 11:00 Uhr vormittags bis Mitternacht verkauft werden.
Dies beendet das jahrzehntelange Wirrwarr gestückelter Öffnungszeiten. Das Bild von Touristen, die ratlos vor abgesperrten Kühlregalen stehen, gehört damit der Vergangenheit an.
Das Ende der historischen Nachmittagssperre
Damit fällt auch die berüchtigte Verkaufspause zwischen 14:00 und 17:00 Uhr, die vielen Urlaubern ein Rätsel war. Diese Regelung, die oft zu absurden Szenen an Supermarktkassen führte, ist nun Geschichte.
Die Aufhebung gilt als wichtiges Signal an den internationalen Tourismus. Die Branche hatte sich lange und lautstark über die Bevormundung der Urlauber am Nachmittag beschwert.
Abschied vom Erbe des Jahres 1972
Die nun gekippte Nachmittagsruhe war ein juristisches Relikt. Sie basierte auf dem Dekret Nr. 253 von 1972 und hielt sich über ein halbes Jahrhundert.
Ursprünglich sollte die Vorschrift trinkende Beamte disziplinieren. In einer modernen, global vernetzten Tourismusnation wie Thailand wirkte sie jedoch längst wie ein Fremdkörper.
Warum die alten Verbote scheiterten
Die Abkehr von der 1972er-Regelung ist auch ein spätes Eingeständnis ihres Scheiterns. Statistiken zeigten immer wieder, dass die Zwangspause den Konsum nicht reduzierte, sondern lediglich verlagerte.
Der gesundheitspolitische Nutzen der dreistündigen Sperre war faktisch nicht nachweisbar. Stattdessen befeuerte sie Hamsterkäufe vor 14 Uhr oder den Schwarzmarkt.
Wirtschaftliche Interessen setzten sich durch
Hinter den Kulissen hatten Wirtschaftsverbände massiven Druck auf die Regierung ausgeübt. Thailand benötigt nach den Krisenjahren dringend und nachhaltig steigende Tourismuseinnahmen.
Die Abschaffung der als „sinnlos“ empfundenen Sperrzeiten war eine der Hauptforderungen der Hotellerie. Es ging darum, die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber liberaleren Nachbarländern zu stärken.
Verkehrssicherheit bleibt das Sorgenkind
Trotz der neuen Haftungsregeln bleibt die Sorge vor alkoholbedingten Unfällen im Verkehrsministerium groß. Thailand hat traurigerweise eine der höchsten Unfallraten weltweit.
Kritiker befürchten, dass die verlängerten Verkaufszeiten kontraproduktiv wirken könnten. Die Angst ist, dass trotz des Verbots an Betrunkene die absolute Zahl der Trunkenheitsfahrten steigen wird, da die Verfügbarkeit insgesamt zunimmt.
Keine Änderungen beim Jugendschutz
Unangetastet von der Reform bleibt das strikte Mindestalter von 20 Jahren. Hier kündigen die Behörden sogar eine „Null-Toleranz-Politik“ für die kommende Zeit an.
Um den Vorwurf zu entkräften, man würde das Land in eine reine Partyzone verwandeln, sollen Ausweiskontrollen verstärkt werden. Die Liberalisierung der Zeiten geht Hand in Hand mit strengerer Überwachung der Jugend.
Der schwierige Spagat mit konservativen Werten
Die Regierung versucht, mit dem Gesetz zwei völlig unterschiedliche Lager zu bedienen. Die Wirtschaft bekommt ihre Zeiten, die religiösen Gruppen bekommen die moralische Strenge durch das Verkaufsverbot.
Es ist der komplexe Versuch, buddhistische Werte in ein modernes Handelsgesetz zu integrieren. Ob dieser Kompromiss den gesellschaftlichen Frieden wahrt, bleibt abzuwarten.
Internationaler Sonderweg bei der Haftung
Mit der Einführung der Händlerhaftung betritt Thailand juristisches Neuland in Südostasien. Während liberale Verkaufszeiten internationaler Standard sind, ist die direkte Haftung des Ausschanks eine Härte.
Investoren und Barbesitzer werden die Risiken in Zukunft genau prüfen müssen. Thailand geht hier einen eigenen, riskanten Weg der Regulierung, der die Geschäftswelt noch lange beschäftigen wird.



