Staat versagt: 14-Jähriger verhungert in Wohngebiet

Niemand half rechtzeitig

Ein Artikel von Kilian Borchert

Thailand ist erschüttert: Inmitten eines ganz normalen Wohnviertels im Pak-Kret-Distrikt bei Bangkok ist ein 14-jähriger Junge verhungert. Seine Eltern überlebten nur knapp – sie hatten seit Wochen nichts als Leitungswasser zu sich genommen.

„Er ist einfach gestorben. Wir hatten nichts mehr“, soll der Vater bei seinem Notruf gesagt haben.

Was sich im zweistöckigen Haus der Familie Phonpibulsombhop abspielte, ist kaum zu begreifen. Es ist die Geschichte eines Jungen, der still verhungerte – mitten unter Menschen.

Ein Notruf, der das Land erschüttert

Am 18. Juni, um 7 Uhr morgens, ging ein Notruf bei der Por Tek Tung Foundation ein. Yongyosakorn Phonpibulsombhop (44) bat um Hilfe: „Mein Sohn ist gestorben. Wir haben kein Essen. Seit Monaten.“

Als die Helfer zusammen mit der Polizei das Haus betraten, bot sich ihnen ein Bild des Grauens: In der Mitte des Wohnzimmers lag der leblose Körper des Jungen Itthikorn, ausgemergelt bis auf die Knochen. Keine Lebensmittel, kein Müll, keine Geräusche – nur gespenstische Stille.

Seine Mutter Ananya (45) lag bewusstlos auf einem dünnen Kissen, völlig kraftlos. Auch sie war stark unterernährt. Der Vater saß entkräftet auf einem Stuhl – sein Blick leer, seine Stimme kaum hörbar.

„Wir hatten seit einem Monat nichts gegessen. Nur Wasser.“

Einst lebten sie vom Erbe – dann kam das Schweigen

Laut dem älteren Bruder des Vaters, Thotsaphon Phonpibulsombhop (45), hatte die Familie einst von einem Erbe gelebt: „Sie hatten Land verkauft und lebten davon. Aber irgendwann war das Geld weg.“

Er habe noch kürzlich eine Stromrechnung für seinen Bruder bezahlt – aber nicht gewusst, wie schlimm die Lage war. „Wir hatten keinen Streit, aber wir hatten kaum Kontakt.“

Dieses stille Auseinanderdriften der Familie wurde zu einer tödlichen Isolation. Niemand schaute genau hin. Und die Familie – zu stolz oder zu gebrochen – sagte nichts.

Ein Kind stirbt, und niemand greift ein

Nachbarn wie Herr Yan berichten, dass sie den Jungen manchmal still vor dem Haus sitzen sahen. „Er war dünn, aber wir dachten, es geht ihm gut. Man hat nichts gehört, nichts gesehen.“

Früher seien Lieferdienste gekommen, aber in den letzten Wochen sei alles still gewesen. „Wenn wir das gewusst hätten – wir hätten geholfen. Aber sie haben nie gefragt.“

In einer Zeit von Social Media und Nachbarschaftsgruppen stirbt ein Kind an Hunger – und niemand greift ein. Wie konnte das passieren?

Behörden unter Druck
Fragen nach Verantwortung

Die Polizei von Pak Kret und medizinische Ermittler haben die Untersuchung übernommen. Doch das öffentliche Entsetzen wächst. Der Ruf nach Reformen wird laut: „Wo war das Sozialamt? Wo war die Gemeinde? Gibt es keine Vorsorge für solche Fälle?“, fragen wütende Bürger in Onlineforen.

Fachleute fordern regelmäßige Hausbesuche, vor allem bei arbeitslosen oder älteren Menschen. „Es reicht nicht, nur Geld über E-Wallets zu verteilen. Man muss die Menschen sehen, hören, berühren,“ sagte eine Sozialarbeiterin aus Bangkok.

Ein Symbol für eine gescheiterte Fürsorge

Itthikorns Tod steht nun für ein Versagen, das tief im System wurzelt: Armut, Isolation, fehlende Kommunikation – all das kann tödlich sein.

In Thailand gibt es laut offiziellen Zahlen über 600 Milliarden Baht auf Konten ausländischer Investoren, während die soziale Sicherheit für Einheimische vielfach lückenhaft bleibt.

„In Vietnam feiern sie Gäste. Bei uns sterben Kinder,“ schrieb ein Aktivist auf X (ehemals Twitter).

Was bleibt: Wut, Trauer – und Hoffnung auf Wandel

Aktuell liegen die Eltern im Krankenhaus – schwer unterernährt, aber stabil. Die Obduktion des Jungen hat als vorläufige Todesursache Verhungern bestätigt.

Eine Beerdigung wird vorbereitet. Und ein ganzes Land fragt sich: Wie viele Menschen leiden noch im Stillen?

Diese Tragödie darf nicht vergessen werden. Sie zeigt, dass Hungertod in Thailand nicht nur eine ferne Schlagzeile ist – sondern manchmal nur eine Wand entfernt.

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