Systemfehler Thailand: Wenn Korruption kein Skandal mehr ist, sondern Alltag

Ein Minister stürzt – und niemand wackelt

Es gibt Skandale, die sind keine Ausrutscher, sondern Alltag mit grellem Licht. Der Fall des thailändischen Justizministers Police Colonel Thawee Sodsong gehört genau hierher: Ein Mann, der Korruption bekämpfen soll, wird aus dem Amt entfernt – weil er selbst verdächtigt wird, Teil eines gigantischen Stimmenkauf-Skandals zu sein. Man kann sich die Ironie nicht ausdenken, so lehrbuchhaft ist sie.

Das Verfassungsgericht hat Thawee suspendiert – wegen „begründetem Verdacht“. In bürokratischer Sprache klingt das harmlos. In politischer Realität bedeutet es: Der Mann steht bis zu den Knien im Morast. Die Sonderermittler (DSI), die er anführen sollte, haben offenbar selbst Beweise gegen ihn geliefert. Geheimgespräche, Millionenbeträge, 1.200 Verdächtige – ein politisches Schattenspiel, bei dem es längst nicht mehr um einen Einzelnen geht.

Und während Thawee fällt, bleibt das System nahezu unangetastet. Vizepremier Phumtham, der ebenfalls im Verdacht steht, darf weitermachen. Begründung: nicht genug Beweise. Oder nicht genug Interesse? Die Justiz trennt hier nicht nach Schuld, sondern nach Nützlichkeit. Thawee ist verbraucht, Phumtham noch brauchbar. Willkommen in der selektiven Aufklärung.

Machtspiele im Justizmantel

Die Klage gegen Thawee kam ausgerechnet vom Senatspräsidenten Mongkol Surasajja – einem Mann, der politisch so unabhängig ist wie ein Zigarettenautomat in einem Tabakladen. Es geht nicht um Gerechtigkeit. Es geht um Kontrolle, Einfluss, Rache. Thawee war ein Ziel, kein Zufall. Und seine Suspendierung könnte weniger mit dem Gesetz zu tun haben als mit dem Wunsch, unliebsame Figuren vom Spielfeld zu fegen.

Aber vielleicht ist diesmal wirklich etwas anders. Vielleicht ist der Skandal zu groß, zu offen, zu dreckig, um wie sonst im Schweigen zu versickern. Vielleicht ist Thawee der Erste – und nicht der Letzte. Vielleicht ist das keine Inszenierung der Macht, sondern ihr Anfang vom Ende.

Oder vielleicht bleibt alles wie immer. Und das wäre der wahre Skandal.

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