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Pattayas Schmerz: Wenn Liebeskummer tödlich endet

Pattaya: Tourist springt aus 6. Stock und Überlebt!
Amarin TV

Ein wiederkehrendes Muster erschüttert Pattaya: Ausländer stürzen nach Beziehungs- oder Liebeskrisen aus Hotels oder Wohnhäusern. Ein datenbasierter Blick auf Suizidfälle zwischen Einsamkeit, Alkohol, Visastress und enttäuschter Hoffnung – und wo Betroffene sofort Hilfe finden.

Ein Mittwochmorgen in Jomtien

An einem Februarmorgen 2024 meldet die Bangkok Post einen weiteren tragischen Tod: Ein 58-jähriger Deutscher springt vom siebten Stock eines Apartmenthauses in Jomtien. Im Zimmer findet die Polizei leere Bierdosen und eine Chat-Historie, in der der Mann einer Barangestellten Liebesschwüre schreibt, die unbeantwortet bleiben. Der Fall klingt erschreckend vertraut. Laut Bangkok Post vom 15. Februar 2024 registrierte Pattayas Polizei in den vorangegangenen zwölf Monaten 39 vergleichbare Suizide ausländischer Männer.

Die bedrückende Zahlenlage

Die Weltgesundheitsorganisation weist für Thailand im Jahr 2022 eine landesweite Suizidrate von 14,4 pro hunderttausend Einwohnern aus, deutlich höher als der weltweite Durchschnitt von 9,0. Für Chonburi, die Provinz mit Pattaya, nennt das thailändische Department of Mental Health in seinem Jahresbericht 2023 sogar 18,7 pro hunderttausend. Bei ausländischen Staatsangehörigen in Pattaya schätzt die Touristenpolizei die Rate auf 22 bis 25 pro hunderttausend, wobei es sich dabei um keine offizielle Erhebung handelt.

Wer sind die Betroffenen?

Die Statistik zeichnet ein klares Bild: Zu 92 Prozent sind es Männer. Das Alter der Betroffenen liegt überwiegend zwischen 45 und 65 Jahren, der Median beträgt 53 Jahre. Großbritannien, Deutschland, Russland, Australien, die USA und skandinavische Länder stellen zusammengenommen rund 70 Prozent der Fälle. Knapp die Hälfte sind Touristen mit einfachem Einreisevisum, die andere Hälfte Langzeit-Expats mit Retirement-Visa, Education-Visa oder im Overstay, wie eine interne Fallauswertung der Pattaya City Police für die Jahre 2021 bis 2023 zeigt.

Warum der Sprung vom Balkon?

Der Sprung von Balkon oder Hoteldach macht in Pattaya 48 Prozent aller dokumentierten Suizide unter Ausländern aus. Landesweit liegt der Anteil dieser Methode nur bei 9 Prozent. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Viele hohe Gebäude und leicht zugängliche Flachdächer prägen das Stadtbild. Es ist wenig Vorbereitung nötig, impulsives Handeln wird möglich. Alkohol und Drogen enthemmen zusätzlich, und die vermeintliche Endgültigkeit eines Sprungs verringert mögliche Zweifel, erklärt die DMH-Studie „Tourist Suicides in Coastal Cities“ aus dem Jahr 2022.

Alkohol als tödlicher Katalysator

Bei 71 Prozent der Leichnamproben wird ein Blutalkoholwert über 0,5 Promille festgestellt, bei 18 Prozent zusätzlich Methamphetamin oder Benzodiazepine, so der Jahresbericht 2023 des Chonburi Forensic Institute. Alkohol dient im Pattaya-Nachtleben sowohl als sozialer Katalysator als auch als Selbstmedikation gegen Einsamkeit oder Depression. Ein verhängnisvoller Kreislauf entsteht: Alkohol steigert Impulsivität, enthemmt und kann suizidale Tendenzen dramatisch verstärken.

Das Muster gescheiterter Beziehungen

Viele Betroffene erleben eine schnelle, oft kommerzialisierte Beziehung. Liebesbekundungen und finanzielle Erwartungen prallen aufeinander. Missverständnisse über Exklusivität sind häufig, da Partnerschaften hier oft Teil des Einkommensmodells der Frauen sind. Der durchschnittliche Altersunterschied von zwanzig Jahren führt zu völlig unterschiedlichen Zukunftsvorstellungen. Scheitert diese Beziehung, fallen manche Männer in einen doppelten Verlust: emotionale Zurückweisung plus finanzieller Ruin. Eine Studie von Kõlves und Kollegen im Journal of Affective Disorders aus dem Jahr 2020 belegt, dass Trennungen das Suizidrisiko um das Zwei- bis Dreifache erhöhen, bei Männern noch stärker als bei Frauen.

Wenn Männlichkeit zerbricht

Das westliche Ideal des Versorgers kollidiert mit plötzlicher Abhängigkeit von einer jüngeren Partnerin in Pattaya. Wird der Mann verlassen, trifft ihn nicht nur Liebeskummer, sondern auch ein verletztes Selbstbild. Schamgefühle und das Empfinden, alles verloren zu haben, sind nachgewiesene Risikofaktoren für suizidales Verhalten bei Männern, wie Wong und Kollegen 2021 in der Fachzeitschrift Asia-Pacific Psychiatry darlegten.

Die Visafalle und der finanzielle Abgrund

Die Visaketten sind fragil: dreißig Tage Touristenvisum, neunzig Tage Education-Visa. Sobald Geld fehlt oder sich die Beziehung löst, droht Overstay, Strafzahlung oder Abschiebung. Häufig haben Betroffene Schulden oder zerbrochene Familienbindungen in der Heimat, kein soziales Netz, das sie auffangen könnte. Die Sorge, im Ausland krank zu werden ohne Versicherung, erhöht den psychischen Druck zusätzlich, wie die Jahresstatistik 2023 des Thai Immigration Bureau zeigt.

Die Stadt als Risikolandschaft

Der städtische Raum Pattayas bietet Alkoholverfügbarkeit rund um die Uhr, kurzfristig mietbare Hochhauszimmer und geringe soziale Kontrolle. Niemand fragt, wie es dem Gast wirklich geht. Kriminologen sprechen von „situational facilitators“, also Orten, die Suizidhandlungen erleichtern, wie Rossow und Kõlves 2019 in ihrer Studie ausführten.

Sprachbarrieren und fehlende Hilfe

In Pattaya gibt es nur zwei staatlich angestellte Psychiater auf hundertzwanzigtausend Bewohner, Dolmetscher sind selten. Viele Expats wissen nicht, dass das Bangkok Hospital Pattaya eine 24-Stunden-Psychiatrie anbietet oder dass die Samaritans of Thailand auch auf Englisch beraten, wie der Workforce Report 2023 des Department of Mental Health aufzeigt.

Wenn Medien töten helfen

Lokale Online-Portale posten oft Fotos vom Tatort und nennen die Nationalität der Opfer. Die Weltgesundheitsorganisation warnt eindringlich: Sensationalismus erhöht das Risiko von sogenannten Werther-Effekten, also Nachahmungssuiziden, um bis zu 13 Prozent. Seriöse Medien vermeiden Details, doch Klickzahlen treiben den Boulevard, mahnt die WHO-Ressource für Medienschaffende von 2017.

Kulturelle Distanz als Risikofaktor

Eine aktuelle australisch-thailändische Vergleichsstudie von Nguyen und Kollegen im Lancet Psychiatry 2022 fand heraus, dass Fernbeziehungen mit großer kultureller Distanz besonders vulnerabel sind. Metaanalysen belegen, dass akute Beziehungskrisen wie Trennung, Untreue oder Scheidung in den ersten sechs Monaten das Suizidrisiko signifikant erhöhen. Faktoren sind der Verlust der sozialen Rolle, Einsamkeit und inadäquates Coping-Verhalten.

Stimmen von der Front

Polizeioberst S. Kittisak, Leiter der Kriseneinheit Pattaya, berichtet aus Gesprächen im Februar 2024: „In mehr als zwei Dritteln der Fälle finden wir Chatverläufe, die kurz vor dem Sprung beendet wurden, oft nach einer Absage oder Geldforderung.“ Dr. W. Anurat, Psychiaterin am Bangkok Hospital, betont: „Viele westliche Patienten glauben, Therapie sei kompliziert und teuer. Ein Erstgespräch kostet hier 1500 Baht, das ist weniger als ein Abend in der Walking Street.“ Ein Freiwilliger der Samaritans, der anonym bleiben möchte, erzählt: „Manche rufen an und sagen nur: ‚She told me she loves me‘, immer wieder derselben Satz, der nicht wahr wurde.“

Erste Erfolge in der Prävention

Seit 2022 erhält die Touristenpolizei Schulungen in Krisenintervention und setzt sogar Drohnen für Balkon-Verhandlungen ein. Das Bangkok Hospital Pattaya betreibt eine psychiatrische Notaufnahme mit Dolmetscherservice. Die Samaritans of Thailand bieten anonyme Beratung via Telefon und Facebook-Messenger auf Englisch und Thai an. Erste interne Auswertungen zeigen Erfolge: Im Jahr 2023 wurden 27 versuchte Sprünge durch Polizeiverhandlungen verhindert, wie der Monatsreport der Tourist Police Region 2 vom Januar 2024 dokumentiert.

Warnsignale erkennen

Abschiedsformeln wie „I won’t bother you anymore“, das Verschenken von Wertsachen oder plötzliche Ruhe nach heftiger Krise sind Alarmzeichen. Ebenso die Suche nach hohen Zimmern oder Dachzugang, die Erwähnung von Visaproblemen oder Geldmangel sowie erhöhte Alkoholzufuhr allein im Zimmer. Diese Signale sollten niemals ignoriert werden.

Konkrete Schritte für Angehörige

Nehmen Sie Alarmwörter wörtlich, auch per Chat. Bleiben Sie physisch oder online erreichbar. Rufen Sie bei Zweifel die 24-Stunden-Hotline 1323 an, dort ist englischsprachige Betreuung möglich. Informieren Sie die Hotelrezeption, denn in Pattaya sind Mitarbeitende angewiesen, bei Verdacht Zimmernummern an die Polizei weiterzugeben. Bestehen Sie auf ärztlicher Abklärung, ein Taxi zur Notaufnahme kostet unter zweihundert Baht.

Hilfe ist da

Die Samaritans of Thailand sind unter 02-113-6789 rund um die Uhr auf Thai und Englisch erreichbar, auch über Facebook Messenger. Die Department of Mental Health Hotline 1323 bietet ebenfalls 24-Stunden-Betreuung. Das Bangkok Hospital Pattaya betreibt eine psychiatrische Notaufnahme unter +66 38 259 999. Für Betroffene aus Deutschland gilt die 0800 111 0 111, für Österreich die 142, für die Schweiz die 143 und für Großbritannien die 116 123.


Wenn du dich gerade in einer Krise befindest oder Suizidgedanken hast: Bitte such sofort Hilfe. In Thailand: Samaritans of Thailand Telefon 02-113-6789 (Thai/English), Department of Mental Health Hotline 1323. Internationale Hilfen: Befreundete Notruf-Hotlines oder nationale Krisentelefone in deinem Heimatland. Wenn du akut in Lebensgefahr bist, rufe den lokalen Notruf an.

An Angehörige und Freunde: Bleib bei der Person, gib keine Vereinfachungen, frag direkt nach Suizidgedanken, entferne mögliche Hilfsmittel, hol professionelle Hilfe. Notiere Ort, Zeiten und Verhalten und rufe medizinische Notdienste oder die nächstgelegene psychologische Krisenstelle.

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Dieser Artikel ist auch auf Englisch verfügbar. (This article is also available in English.) → English version

3 Kommentare zu „Pattayas Schmerz: Wenn Liebeskummer tödlich endet

  1. Ich denke, jeder ist selber schuld, der sich so um den Finger wickeln lässt und blauäugig ist! Bar Bekanntschaften sind meist nicht von langer Dauer. Der Farang wird nur als Gelmaschine angesehen und ausgenommen wie eine Weihnachtsgans! Wenn die Geldquelle versiegt, ist es aus mit der vorgetäuschten Liebe und das nächste Opfer wird gesucht.

  2. Ich kann mir so machen guten Grund vorstellen, sich sein eigenes Leben zu nehmen. Ob man dafür unbedingt springen muss, steht auf einem anderen Blatt. Aber Liebeskummer steht dabei sowieso ganz bestimmt nicht auf meiner Liste. Ich kann das auch wirklich nicht nachvollziehen.

Kommentare sind geschlossen.