Kremlchef stellt Organisation als Gegenmodell dar
Russlands Präsident Wladimir Putin hat beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in der chinesischen Hafenstadt Tianjin eine fundamentale Abkehr vom Westen gefordert. Vor den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten erklärte er, das eurozentrische und euroatlantische Modell habe seine Zeit hinter sich gelassen. Die Zukunft liege in einer neuen Ordnung, die sich nicht länger an Europa und den Vereinigten Staaten orientiere.
„Die Zukunft gehört einem System, das die Interessen eines maximal großen Kreises an Ländern berücksichtigt und wahrhaftig ausbalanciert ist“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Tass den Kremlchef. In diesem Kontext präsentierte Putin die SOZ als Kernstück eines solchen Modells. Sie sei nicht nur ein Sicherheitsbündnis im eurasischen Raum, sondern auch ein Instrument, um globale Machtverschiebungen sichtbar zu machen. Priorität habe dabei die innere Stabilität der Mitgliedsstaaten und der Schutz ihrer Außengrenzen. Darüber hinaus würdigte Putin die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Extremismus und Drogenhandel.
Erinnerung an Treffen mit Trump
Putin knüpfte seine Ausführungen an die jüngsten außenpolitischen Gespräche mit den Vereinigten Staaten. So berichtete er von seinem Treffen mit US-Präsident Donald Trump im August in Alaska. Im Mittelpunkt habe dort der Krieg in der Ukraine gestanden. Einmal mehr stellte der Kremlchef den russischen Angriff auf das Nachbarland als Reaktion auf das Bestreben des Westens dar, die Ukraine in die NATO zu integrieren. Vor rund dreieinhalb Jahren hatte Putin den Befehl zum Einmarsch gegeben.
Die Darstellung fügt sich in die Linie ein, die der russische Präsident seit Kriegsbeginn verfolgt: Russland als Opfer einer aggressiven westlichen Strategie darzustellen und die eigene Politik in eine vermeintlich defensive Logik einzubetten.
Xi warnt vor Blockkonfrontation
Gastgeber Xi Jinping nutzte den Gipfel, um vor einer Rückkehr zur Blockbildung nach dem Muster des Kalten Krieges zu warnen. Angesichts globaler Krisen und wachsender Handelskonflikte forderte Chinas Staats- und Parteichef von den Mitgliedsstaaten der SOZ mehr Geschlossenheit. „Wir sollten nach Gemeinsamkeiten suchen und Unterschiede beiseitelassen“, sagte Xi in seiner Rede. Es gelte, eine Mentalität der Blockkonfrontation ebenso wie Schikane und Druckpolitik abzulehnen.
Xi stellte die SOZ zugleich als wirtschaftlich bedeutendes Bündnis dar. Nach seinen Angaben erreichen die Mitgliedsstaaten zusammen eine jährliche Wirtschaftsleistung von knapp 30 Billionen US-Dollar. Darüber hinaus kündigte er Unterstützung in Höhe von zwei Milliarden Yuan (rund 239,5 Millionen Euro) für die Mitgliedsländer an. Die Organisation müsse, so Xi, ihrer Verantwortung für Frieden, Stabilität, Entwicklung und Wohlstand in der Region gerecht werden.
Modi und Putin demonstrieren Nähe
Neben Xi traten auch Irans Präsident Massud Peseschkian und Indiens Premierminister Narendra Modi auf. Die Staats- und Regierungschefs wollten im Anschluss an die Beratungen eine gemeinsame Erklärung verabschieden.
Besondere Aufmerksamkeit erregten jedoch die bilateralen Begegnungen am Rande des Gipfels. So war Putin für Gespräche mit Modi und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan angekündigt. Bilder, die den russischen Präsidenten und den indischen Premier vor der Zeremonie Hand in Hand durch die Konferenzhalle zeigten, gingen umgehend durch die internationalen Medien. Die Szene wurde als symbolträchtiges Zeichen der engen Partnerschaft zwischen Moskau und Neu-Delhi gedeutet.
Ein Signal an den Westen
Der Gipfel in Tianjin war in seiner Inszenierung auf Geschlossenheit bedacht. Dass Putin seine Absage an die westlich geprägte Weltordnung so prominent platzierte und Xi vor einer Mentalität des Kalten Krieges warnte, dürfte in Washington, Brüssel und Berlin aufmerksam registriert werden. Während sich die westlichen Demokratien weiter mit der Unterstützung der Ukraine befassen, versuchen Russland, China und ihre Partner, die SOZ als Gegengewicht zu präsentieren – wirtschaftlich wie sicherheitspolitisch.



