Renten einfrieren, Frührente abschaffen?

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Fotostand / K. Schmitt/imago-images-bilder

Die Rente ist nicht sicher – und die Politik ignoriert die Diagnose

Deutschlands Altersvorsorge steht unter massivem Reformdruck. Die demographische Entwicklung, wirtschaftliche Schwächen und politische Fehlentscheidungen haben das System in eine Schieflage gebracht. Doch statt mutiger Therapien verschreibt die Politik Placebos – mit teuren Nebenwirkungen.

Der Befund: Der Patient Altersvorsorge ist krank

Die Altersvorsorge in Deutschland wird seit Jahren nur notdürftig stabilisiert. Bereits heute hängt die gesetzliche Rentenversicherung am Tropf des Bundeshaushalts – im Jahr 2024 flossen 116 Milliarden Euro aus Steuermitteln in die Rentenkasse. Und das System ist damit noch lange nicht zukunftsfest: Rund ein Viertel aller Bundesausgaben dient bereits der Finanzierung der Rente.

Trotzdem verspricht die Bundesregierung Stabilität: Das Rentenniveau soll gesichert, das Renteneintrittsalter nicht angehoben, die „Rente mit 63“ beibehalten und die „Mütterrente“ sogar ausgebaut werden. Geht diese Politik weiter, steigen die Gesamtausgaben der Rentenkasse bis 2030 auf knapp 500 Milliarden Euro jährlich. Allein der Bundeszuschuss müsste dann fast 150 Milliarden Euro betragen – zusätzlich zu weiteren Milliarden für Grundsicherung im Alter.

Auch die Sozialbeiträge steigen: Laut Projektionen wird der Beitragssatz zur Rentenversicherung bis 2030 auf 20,6 Prozent anwachsen – zwei Prozentpunkte mehr als heute. Das bedeutet über 30 Milliarden Euro zusätzliche Kosten jährlich für Beschäftigte und Unternehmen.

Die Krankheiten: Demographie und Wachstumsschwäche

Die Hauptursache der Rentenkrise liegt im demographischen Wandel. 1960 kamen auf eine Person über 65 Jahre noch fünf Menschen im erwerbsfähigen Alter. Heute sind es nur noch halb so viele, und bis 2035 wird das Verhältnis auf unter zwei sinken. Ein Ehepaar muss dann statistisch gesehen sich selbst, seine Kinder und einen Rentner finanzieren.

Zusätzlich belastet die wirtschaftliche Stagnation das Rentensystem. Seit 2018 stagniert das reale Bruttoinlandsprodukt. Ohne Produktivitätszuwächse steigen auch die Löhne nicht – das gefährdet die Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Rente. Gleichzeitig bleibt vielen kaum Spielraum für private Rücklagen.

Fehlerhafte Therapien: Politische Entscheidungen verschärfen die Krise

Statt zukunftsfester Lösungen setzt die Politik auf Maßnahmen, die den Status quo sichern und kurzfristig Wählerstimmen bringen. Ein Beispiel ist die „Rente mit 63“ – eine teure Frühverrentung, die der alternden Gesellschaft zu Lasten der Jungen zugutekommt.

Zudem ist die Familienpolitik unzureichend: Eltern tragen hohe finanzielle Belastungen, erhalten aber nur geringe Entlastungen. Beitragsrabatte in der Rentenversicherung für Eltern fehlen ebenso wie flächendeckende und bezahlbare Kinderbetreuung. Die Folge: Kinder werden vor allem in der Mittelschicht zum finanziellen Risiko.

Auch die private Vorsorge ist durch übermäßige Regulierungen geschwächt. Kapitalgarantien in der betrieblichen Altersvorsorge verhindern renditestarke Anlagen. Bei der Riester-Rente führten diese Vorgaben zu einer faktischen Kapitalvernichtung, da das Geld in negativ verzinste Anleihen investiert wurde.

Wie das Ausland besser vorsorgt

Andere Länder zeigen, wie es besser geht: In den USA erlaubt der 401(k)-Plan steuerbegünstigte Einzahlungen bis zu 65.000 Euro jährlich – ganz ohne Kapitalgarantie. So konnte ein großer Teil der Altersvorsorge in Aktien investiert werden, mit hohen Renditen.

In den Niederlanden sorgen Tarifverträge dafür, dass 90 Prozent der Angestellten eine betriebliche Altersversorgung besitzen. Schweden hält den Beitragssatz zur gesetzlichen Rente seit Jahrzehnten konstant bei 18,5 Prozent. Darüber hinaus wurde ein kapitalgedeckter Teil eingeführt, in den breite Bevölkerungsschichten investieren – meist in globale Aktienfonds.

Kanada hat seit den 1990er-Jahren in allen drei Säulen der Altersvorsorge die Aktienanlage gestärkt. In Deutschland hingegen bleibt ein Großteil des Vermögens in Bankeinlagen und Bargeld gebunden – kaum verzinst, aber inflationsanfällig.

Wirksame Therapien: Was Deutschland jetzt braucht

Deutschland muss sich endlich ehrlich machen: Das Umlageverfahren in seiner jetzigen Form ist nicht zukunftsfähig. Das Renteneintrittsalter muss schrittweise auf 70 Jahre steigen. Frühverrentungsregelungen wie die „Rente mit 63“ gehören abgeschafft, großzügige Leistungen wie die „Mütterrente“ müssen hinterfragt werden. Gleichzeitig sollten niedrige Renten angehoben, hohe Renten eingefroren werden – so ließe sich die gesetzliche Rente zu einer Basisabsicherung umbauen.

Parallel dazu braucht es neue Impulse für die private Vorsorge. Beitragsgarantien in der betrieblichen Altersvorsorge sollten entfallen, um renditestärkere Anlagen zu ermöglichen. Statt der gescheiterten Riester-Rente könnte das „Altersvorsorgedepot“, wie es von Finanzminister Lindner vorgeschlagen wurde, attraktiver sein – mit internationalem Aktiensparen als langfristigem Ziel.

Zudem sollte der Staat Anreize für junge Familien schaffen – zum Beispiel durch gezielte Zulagen, um die Geburtenrate zu stabilisieren. Und nicht zuletzt braucht Deutschland wieder eine starke Wirtschaft. Ohne Wachstum gibt es weder höhere Rentenbeiträge noch private Sparfähigkeit.

Ausblick: Mut zu Reformen – im Interesse der kommenden Generation

Seit der Rentenreform von Franz Müntefering im Jahr 2007 ist kaum mehr Substanzielles passiert. Die Probleme sind bekannt, die Lösungen liegen auf dem Tisch – auch im Gutachten der Wirtschaftsweisen. Doch die politischen Programme scheuen den großen Wurf. Es wäre an der Zeit, die notwendigen Reformen entschlossen anzugehen.

Nicht nur, um das System für die heutigen Rentner zu sichern. Sondern vor allem, um der jungen Generation ein stabiles, gerechtes und zukunftsfähiges Altersvorsorgesystem zu hinterlassen.

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