Rentner erzählt: Leben, Familie und Alltag

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Lieber Leser,
mein Leben in Thailand fühlt sich manchmal wie ein Traum an. Ich heisse Urs M., bin 65 Jahre alt und lebe seit fünf Jahren in Nordthailand, nahe Chiang Mai. Ploy, meine Frau, und unsere beiden Kinder begleiten mich. Das ältere Kind (14) aus meiner früheren Ehe pendelt noch zwischen Schweiz und Thailand.. Die Entscheidung, vorzeitig in die Altersvergütung zu gehen, war richtig, auch wenn es kompliziert schien.

Die ersten Wochen hier waren ein Kulturschock. Hitze, Straßenverkehr, Märkte, fremde Gerüche – alles war neu und überwältigend. Ich erinnere mich, wie ich beim ersten Marktbesuch kämpfte, während Ploy herzlich lachte. Heute kenne ich die Verkäufer beim Namen, weiss, wo es die besten Mangos, Drachenfrüchte und frischen Fisch gibt, und die Kinder haben ihre Lieblingsstände längst entdeckt.

Ploy ist ein Energiebündel. Sie managt Haus, Kinder, Einkäufe, Termine und ihre eigenen Projekte. Ich helfe, wo ich kann: Frühstück vorbereiten, Kinder wecken, Einkäufe erledigen. Trotzdem merke ich oft, dass meine Schweizer Effizienz auf ihre thailändische Gelassenheit trifft. Es ist ein ständiges Ausbalancieren, das Geduld und Humor erfordert, aber auch Freude macht.

Unsere Kinder bringen Leben in jeden Tag. Morgens begleite ich das jüngere Mädchen in den Kindergarten, nachmittags hole ich sie ab. Auf dem Weg bestaunen wir Reisfelder, kleine Straßen, Handwerker bei der Arbeit und Wasserbüffel. Solche alltäglichen Erlebnisse, kleine Marktbesuche oder Begegnungen mit Nachbarn, machen das Leben bunt und bereichern unser Familienleben ungemein.

Finanziell könnte man denken, es sei einfach. Die Altersvergütung aus der Schweiz ist solide. Das Haus, das Auto und die Solaranlage auf dem Dach sind abbezahlt und gehören uns. Trotzdem summieren sich Lebenshaltungskosten, Versicherungen, Strom, Wasser, Internet, Lebensmittel und kleinere Reparaturen. Ploy und ich planen alles gemeinsam, legen Rücklagen an und kalkulieren größere Ausgaben, um finanziell auf der sicheren Seite zu bleiben.

Die Steuersituation ist komplexer als erwartet. Dank meines Schweizer Freundes in Pattaya, der als Steuerberater arbeitet, behalte ich den Überblick. Er hilft bei Doppelbesteuerung, prüft Unterlagen und gibt Tipps, welche Zahlungen notwendig sind. Ohne seine Unterstützung wäre vieles kaum machbar, insbesondere die Einkünfte aus der Schweiz in Kombination mit den thailändischen Vorschriften.

Krankenversicherung war anfangs ein Rätsel. Thailand bietet öffentliche, private und Zusatzoptionen. Wir wählten eine private Versicherung, die Routine- und Notfallbehandlungen abdeckt, ergänzt durch eine Zahnzusatzversicherung. Die Beiträge sind hoch, aber die Sicherheit, im Notfall schnell behandelt zu werden, ist es wert. Gerade im Alter beruhigt es, zu wissen, dass medizinische Hilfe sofort verfügbar ist.

Unser Haus ist ein echtes Herzensprojekt. Die Solaranlage liefert ausreichend Strom, benötigt jedoch Pflege: Module reinigen, Batterien kontrollieren, kleinere Reparaturen. Der Garten vor dem Haus hat einen kleinen Gemüsegarten, Kräuterbeete, Obstbäume und einen Gartenteich mit Koi-Fischen. Besonders an sonnigen Tagen empfinde ich diese Projekte als bereichernd. Ploy und ich arbeiten oft zusammen, pflegen die Pflanzen und genießen die Natur.

Die Tage sind unterschiedlich. Manche beginnen ruhig: Kaffee auf der Terrasse, Sonnenaufgang über den Reisfeldern, Vögel zwitschern. Andere Tage beginnen hektisch: Kinder, die nicht anziehen wollen, Ploy, die Einkäufe erledigt oder Behördengänge erledigt. Geduld und Flexibilität sind unerlässlich. Thailand lehrt mich, dass Pläne gut sind, aber oft angepasst werden müssen.

Wir unternehmen häufig Ausflüge: Wandern in den Hügeln, Tempelbesuche, Märkte in Chiang Mai. Die Kinder lieben es, Neues zu entdecken, zu lernen und andere Kulturen kennenzulernen. Ich sehe, wie sie wachsen und neugierig die Welt erkunden, während wir ihnen gleichzeitig Schutz bieten. Es ist ein täglicher Balanceakt zwischen Freiheit und Sicherheit.

Integration ins Dorfleben ist uns wichtig. Wir nehmen an Festen teil, helfen bei Dorfgemeinschaftsprojekten und lernen Nachbarn kennen. Dadurch entstehen soziale Bindungen, die den Alltag erleichtern und ein Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln. Die Kinder profitieren enorm: zweisprachig aufwachsen, offen für Traditionen und Neues. Ich bin stolz, ihnen diese Umgebung bieten zu können.

Einkaufen ist oft ein Abenteuer. Märkte, kleine Läden, Supermärkte – alles funktioniert anders als in der Schweiz. Ich lerne, Preise zu vergleichen, Qualität zu prüfen, gelegentlich zu verhandeln. Ploy zeigt mir exotische Spezialitäten, die ich vorher nie probiert hätte. Auch die Kinder lernen spielerisch, Geduld, Aufmerksamkeit und ein Gefühl für Werte zu entwickeln.

Finanzielle Disziplin bleibt zentral. Unvorhergesehene Reparaturen, medizinische Kosten oder größere Anschaffungen müssen bedacht werden. Ich überprüfe regelmäßig Konten, bespreche alles mit Ploy, lege Rücklagen an. Gleichzeitig genießen wir das Leben: kleine Ausflüge, Freizeit, Kaffee mit Nachbarn. Thailand lehrt, dass man klug handeln sollte, ohne das Leben zu blockieren.

Abends sitzen wir oft auf der Terrasse, hören Nachtgeräusche, blicken auf Berge und unseren Gartenteich. Alles wirkt friedlich. Ich denke an mein Leben in der Schweiz und merke, dass wir hier etwas Besonderes aufgebaut haben: Natur, Familie, Freiheit. Verantwortung ist präsent – für Kinder, Haus, Auto und eigenes Wohlbefinden.

Die Routine hier ist angenehm, aber nie langweilig. Ich schreibe, helfe im Haus, unterrichte das ältere Kind gelegentlich und habe dennoch Zeit für Spaziergänge, Gespräche oder Nachdenken. Thailand hat mir gezeigt, dass man Pläne haben kann, aber flexibel bleiben muss, um das Leben wirklich zu genießen.

Ploy ist ein ständiger Anker. Partnerin, Freundin, Beraterin. Wir lachen, diskutieren, planen und lernen voneinander. Die Kombination aus Schweizer Struktur und thailändischer Lebensfreude ist nicht immer einfach, bereichert unser Leben jedoch immens.

Die Kinder überraschen mich täglich: Sprachen lernen, Traditionen aufnehmen, fordern mich. Sie brauchen Freiheit, aber auch Struktur. Ihre Neugier, ihr Lachen, ihre Entdeckungen machen mich stolz und zeigen mir jeden Tag, wie wertvoll die gemeinsame Zeit ist.

Technik ist manchmal eine Herausforderung: Internet schwankt, Geräte fallen aus, Anschaffungen kosten Zeit und Geld. Geduld ist notwendig. Trotzdem erleichtert Technik vieles, hält Kontakt zur Schweiz und bietet Sicherheit. Wir können Familie erreichen, Rechnungen bezahlen und Informationen einholen, ohne das Haus verlassen zu müssen.

Thailand ist ein tägliches Abenteuer. Märkte, Tempel, Natur, Nachbarn – alles prägt den Alltag. Ich fühle mich privilegiert, hier leben zu dürfen, trage aber Verantwortung für Balance: Familie, Finanzen, Haus, Kinder. Genau diese Mischung macht das Leben lebendig, spannend und manchmal herausfordernd.

Manchmal denke ich an die Schweiz. Ordnung, Präzision, Verlässlichkeit – hier ist vieles anders. Thailand lehrt mich loszulassen, flexibel zu sein und die Schönheit im Kleinen zu entdecken: Sonnenaufgang über Reisfeldern, Kinderlachen, freundlicher Nachbar – Momente, die unbezahlbar sind.

Jeder Tag bringt kleine Herausforderungen: kaputtes Auto, Papierstau, kränkliches Kind. Das Positive überwiegt jedoch: Frühstück auf der Terrasse, erster Kaffee, Naturgeräusche. Ich plane, reflektiere, verliere mich in Gedanken und merke immer wieder, wie privilegiert ich bin, dieses Leben führen zu dürfen.

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2 Kommentare zu „Rentner erzählt: Leben, Familie und Alltag

  1. Hört sich an wie tausend andere Geschichten die irgendwo in Thailand spielen. Der Norden, der Isaan, die Touristen Hochburgen in Pattaya und Phuket….alles ähnlich. Ich lebe auch zufrieden entspannt mein Leben hier unten….alles gut !!

  2. danke für diesen bericht
    habe aber einige fragen dazu:
    sprichst du thai?
    wenn nein spricht ploy deutsch oder englisch?
    warum wachsen die kinder 2 und nicht 3 sprachig auf ( also thai, deutsch und englisch)
    die krankenversicherung ist für die ganze familie oder nur für dich?
    danke für kommenden antworten

Kommentare sind geschlossen.