Rentner verliert Herz in Bangkok – und 26.000 Euro

Rentner verliert Herz in Bangkok – und 26.000 Euro
Illustration via OpenAI (2025).

Die folgende Geschichte ist ein Werk liebevoller Satire. Sie spielt mit den Absurditäten des Alltags und den Eigenheiten menschlicher Zuneigung, ohne dabei Anspruch auf Wahrheit, Logik oder emotionale Seriosität zu erheben. Alle Figuren, Orte und Ereignisse sind frei erfunden – mögliche Ähnlichkeiten mit realen Personen, Beziehungsdramen oder kulturellen Gepflogenheiten wären purer Zufall … oder Schicksal mit Sinn für Humor

Wenn die Rente nicht für Rente reicht

Es ist 02:47 Uhr in Bangkok. Die Stadt schläft nie – sie macht nur kurz die Augen zu, um neue Neonlichter zu verdauen und sich auf die nächste Schicht Touristen vorzubereiten. Irgendwo zwischen der BTS-Station Nana und dem pulsierenden Chaos der Soi Cowboy liegt eine Bar, die keinen Namen braucht. Jeder kennt sie. Auch die Sparkasse – die nämlich regelmäßig Überweisungen von dort registriert, immer mit dem Vermerk „Urlaubskasse“ oder „Geschenk für Bekannte„.

Drinnen riecht es nach einer Mischung aus Zigarettenrauch, süßem Parfüm der Marke „Bin-gleich-bei-dir-Papa“ und dem Hauch von Verzweiflung, der sich in die durchgesessenen Kunstlederpolster gefressen hat wie Currysauce in ein weißes T-Shirt. Die Klimaanlage röchelt mit der Leidenschaft eines kettenrauchenden Bronchitis-Patienten. Man könnte meinen, sie hätte selbst zu viel Singha-Bier intus.

Der Held unserer Geschichte: Klaus-Dieter, Schlosser a.D.

Und mittendrin sitzt er: Klaus-Dieter, 67 Jahre alt, frisch pensionierter Schlosser aus Oberhausen, gekleidet in ein Hawaiihemd der Größe XXL, das aussieht, als hätte es schon drei Besitzer und mindestens sieben Festivals überlebt. Seine Brille wirkt, als hätte er sie in einem Wettbewerb gewonnen – und zwar beim Bingo im Altenheim Gelsenkirchen, Kategorie „ausrangierte Sehhilfen“. Die Bügel sind mit Tesafilm repariert. Mehrfach.

Klaus-Dieter ist Wiederholungstäter. Das ist wichtig zu wissen. Vor drei Jahren kam er zum ersten Mal nach Bangkok, „nur mal gucken“, wie er seiner Nachbarin erzählte. Vor zwei Jahren „nur mal ein Bier trinken“. Letztes Jahr „nur mal eine Woche entspannen“. Diesmal hat er zwei Wochen gebucht, einen Koffer voller Hoffnung dabei und ein Sparkonto, das ahnt, dass seine Tage gezählt sind.

Die Anatomie eines deutschen Rentners in Bangkok

Er sitzt an der Bar, einen Stapel 1.000-Baht-Scheine in der Hemdtasche – ordentlich gefaltet, wie es sich für einen Deutschen gehört. Sein Lächeln sagt: „Ich weiß genau, was ich tue.“ Seine Augen sagen: „Ich tue es trotzdem.“ Sein Sparkonto würde schreien, wenn es könnte.


Teil 1: Der erste Blick – oder wie man sich in 2,4 Sekunden ruiniert

Love at First Sight (und Last Money)

Es beginnt immer gleich. Die Tür geht auf. Bass dröhnt durch die Lautsprecher, als würde jemand mit einem Presslufthammer auf Mamas gutes Porzellan einschlagen. Und dann: Sie.

Heute heißt sie Fon. 26 Jahre jung, aus der Isan-Provinz, mit einem Lachen, das klingt wie Windspiele in der Monsunzeit – zart, melodisch und mit der versteckten Botschaft „Dein Geld oder dein Leben, Papa“. Sie trägt ein rotes Kleid, so eng, dass es vermutlich einen eigenen Reisepass, eine Haftpflichtversicherung und regelmäßige TÜV-Prüfungen braucht.

Klaus-Dieters Herz macht „flapp-flapp“, wie ein kaputter Ventilator an einem 40-Grad-Tag. Seine Vernunft macht „Warnung-Warnung“, aber die hört er schon lange nicht mehr.

Das universelle Bangkok-Begrüßungsritual

„Hallo, Papa!“, sagt Fon und setzt sich direkt neben ihn, so nah, dass Klaus-Dieter ihr Parfüm riechen kann – eine Mischung aus Blumenladen und Enttäuschung. In Bangkok ist „Papa“ kein Schimpfwort. Es ist ein Ehrentitel. Je älter der Papa, desto dicker vermutlich die Brieftasche. Je dicker die Brille, desto schlechter sieht er, was wirklich passiert.

Klaus-Dieter grinst wie ein Honigkuchenpferd auf Speed und bestellt zwei Tequila. Er denkt: „Zu Hause würde mich die Nachbarin Gertrud für so was mit dem Nudelholz lynchen und dem Pfarrer melden.“

Die Büffel-Story: Ein Thai-Klassiker

Fon redet. Viel. Sehr viel. Über ihre kranke Mutter (Klassiker Nummer eins), den Bruder im Gefängnis (Klassiker Nummer zwei), die Büffel, die sie unbedingt kaufen muss (der thailändische Jackpot). Klaus-Dieter nickt. Er versteht kein Wort. Sein Englisch reicht gerade so für „Beer please“ und „How much?“. Aber er nickt trotzdem. Weil Nicken in Bangkok billiger ist als Reden. Und weil er sich gerade fühlt wie George Clooney – nur mit 30 Prozent weniger Haar, 400 Prozent mehr Leberflecken und einem Bankkonto, das George Clooney zum Weinen bringen würde.

Nach genau einer Stunde – sie hat eine innere Uhr wie ein Schweizer Uhrwerk – fragt Fon: „Willst du mit mir gehen?

Klaus-Dieter, verwirrt: „Wohin?

Fon, sachlich wie eine Aldi-Kassiererin: „Short time. 2.000 Baht. Hotel nebenan. Sauber. Klimaanlage.

Klaus-Dieter schluckt. Sein Adamsapfel hüpft wie ein Tischtennisball im Sturm. Dann nickt er. Schon wieder. Das wird eine teure Angewohnheit.

Teil 2: Das Love Inn – Wo Träume auf Linoleum sterben

Romantik für 600 Baht die Stunde

Das Hotel heißt „Love Inn“ – was sonst. Der Name ist so subtil wie ein Vorschlaghammer bei einer Glastür-Reparatur. Die Rezeptionistin kaut Kaugummi und starrt auf einen Fernseher, auf dem eine Thai-Soap läuft, in der vermutlich gerade auch jemand für Liebe bezahlt. Sie nimmt 600 Baht für zwei Stunden, ohne aufzublicken, und reicht Klaus-Dieter einen Schlüssel mit einem rosa Plastikherz dran. Das Herz sieht aus, als hätte es schon Dinge gesehen, über die wir nicht sprechen sollten.

Fon zieht ihn die Treppe hoch, als wäre er ein Lottogewinn auf zwei Beinen – oder zumindest ein Rubbellos mit garantierter Auszahlung.

Zimmer 303: Eine Ode an den Geschmack

Im Zimmer: ein Bett, das quietscht wie ein Schwein auf Radikaldiät. Ein Spiegel an der Decke, der strategisch so platziert ist, dass man sein eigenes Scheitern in Echtzeit beobachten kann. Ein Kondom-Automat an der Wand, der aussieht, als hätte er schon bessere Jahrzehnte gesehen und vermutlich noch Bestände aus der Eiszeit. Die versprochene Klimaanlage macht Geräusche wie ein sterbender Roboter.

Fon verschwindet im Bad. Klaus-Dieter setzt sich aufs Bett, zieht vorsichtig die Schuhe aus und denkt: „Was machst du hier eigentlich, Alter? Du könntest jetzt zu Hause sein, Tatort gucken und ein vernünftiges Feierabendbier trinken.“

Der Moment der Wahrheit

Dann kommt sie raus. Nackt. Mit einem Lächeln, das sagt: „Keine Sorge, Papa, ich mach das nicht zum ersten Mal. Du vermutlich schon, aber das ist okay.“

Und plötzlich ist alles egal. Die schrumpfende Rente, die vergrößerte Prostata, die drei Enkel in Deutschland, die ihn „Opi“ nennen und sich für ihn schämen würden, wenn sie wüssten, wo er gerade ist. Hier, in diesem 15-Quadratmeter-Zimmer mit dem kaputtesten Spiegel Bangkoks, fühlt sich Klaus-Dieter wie ein König.

Teil 3: Die Rechnung kommt – immer

Der Morgen danach: Eine deutsche Tragödie

Am nächsten Morgen wacht Klaus-Dieter auf. Allein. Fon ist weg, wie ein Traum aus dem man aufwacht und feststellt, dass man 2.000 Baht ärmer ist. Auf dem Nachttisch: ein Zettel. „Thank you, Papa. Call me. 085-xxx-xxxx.“ Darunter ein Lippenstift-Kuss, der aussieht wie ein rosa Alien. Klaus-Dieter faltet den Zettel zusammen und steckt ihn in seine Brieftasche, direkt neben sein Foto von den Enkeln. Die Ironie merkt er nicht.

Er duscht mit kaltem Wasser (die Warmwasserleitung ist eine thailändische Legende), zieht sich an und geht frühstücken. Pad Thai für 60 Baht an einem Straßenstand, wo die Hygiene-Standards Fragen aufwerfen, die man lieber nicht stellt. Er fühlt sich neu geboren. Wie ein Phönix aus der Asche. Ein 67-jähriger, leicht übergewichtiger Phönix mit Geldproblemen.

Der Teufelskreis beginnt

Abends ist er wieder in der Bar. Natürlich. Wo sonst sollte er hin? Ins Nationalmuseum? Fon sitzt bereits auf dem Schoß eines Australiers, der aussieht wie ein abgehalfterter Rugby-Spieler. Sie winkt Klaus-Dieter zu, fröhlich, als wären sie alte Freunde auf einem Klassentreffen. Er winkt zurück. Und bestellt noch ein Bier. Das dritte. Es ist 20 Uhr.

So geht das eine ganze Woche. Jeden Abend Fon. Jeden Morgen ein Zettel mit einer neuen Telefonnummer (warum wechselt sie die eigentlich ständig? Fragen, die Klaus-Dieter nicht stellt). Jeden Mittag ein Anruf: „Hallo, Papa. Mama krank. Brauch 10.000 Baht. Für Medizin.“

Klaus-Dieter überweist. Jedes Mal. Per Western Union, mit dem Vermerk „Für medizinische Zwecke„. Die Dame am Schalter grinst. Sie kennt ihn schon.


Teil 4: Der Condo-Traum – Oder wie man 216.000 Baht für rosa Vorhänge ausgibt

Die große Liebe zieht ein

Nach zwei Wochen intensiven „Kennenlernens“ (Gesamtkosten bisher: 85.000 Baht) sagt Fon den entscheidenden Satz: „Ich will nicht mehr in Bar arbeiten. Will mit dir leben.“

Klaus-Dieters Herz explodiert fast vor Freude. Sein Sparkonto auch, aber aus anderen Gründen. Er schluckt. Dann nickt er. Diese verdammte Angewohnheit wird ihn noch ruinieren. Spoiler: Sie wird ihn ruinieren.

Wohnungssuche mit Hindernissen (und versteckten Kosten)

Sie finden eine Condo in On Nut, einem Stadtteil, der so weit vom Zentrum entfernt ist, dass man praktisch schon in Kambodscha ist. 42 Quadratmeter, 12. Etage, mit Blick auf die Skytrain – wenn man sich aus dem Fenster lehnt und den Hals verdreht. Miete: 18.000 Baht im Monat. Klaus-Dieter rechnet: Das sind etwa 450 Euro. In Oberhausen würde er dafür einen Parkplatz bekommen.

Er zahlt ein Jahr im Voraus. 216.000 Baht. Sein Sparkonto wimmert leise. Fon strahlt wie ein Weihnachtsbaum im Juli.

Die Einrichtung: Hello Kitty trifft deutsche Sparsamkeit

Sie kauft Vorhänge. Rosa. Mit Hello Kitty drauf. Klaus-Dieter findet sie furchtbar, sagt aber nichts. Er kauft auch ein neues Bett (32.000 Baht), einen Kühlschrank (15.000 Baht) und einen Fernseher (28.000 Baht), weil Fon meint, der alte sei „zu klein“. Der alte war 40 Zoll. Der neue ist 55 Zoll. Klaus-Dieter sieht den Unterschied nicht, bezahlt aber trotzdem.

Häusliches Glück (mit Preis)

Sie kochen zusammen. Fon lacht, wenn Klaus-Dieter versucht, Som Tam zu machen und dabei weint wie ein Kleinkind, weil die Chilis ihn innerlich verbrennen. Sie schlafen zusammen. Sie sagt „I love you“ – und meint es vielleicht sogar. Für fünf, maximal sechs Minuten.

Klaus-Dieter ist glücklich. So glücklich, dass er nicht merkt, wie seine Ersparnisse schmelzen wie Eis in der thailändischen Mittagssonne.

Teil 5: Die Familie – Oder wie aus einem Geldautomaten ein Familienpatriarch wird

Der erste Besuch: Die kranke Mutter

Dann kommt die Familie. Es fängt harmlos an, wie eine Grippe im November. Erst die Mutter. Sie ist angeblich todkrank. Braucht dringend eine Operation. 50.000 Baht. Klaus-Dieter überweist. Drei Wochen später sieht er die Mutter auf Fons Facebook – beim Karaoke, tanzend, fitter als er selbst.

Der Bruder: Ein Stammkunde im Gefängnis

Dann kommt der Bruder. Der ist im Gefängnis. Wofür? „Missverständnis“, sagt Fon. Klaus-Dieter fragt nicht weiter. Die Kaution: 80.000 Baht. Er zahlt. Der Bruder kommt raus, bedankt sich mit einem Nicken und verschwindet. Drei Tage später ist er wieder im Gefängnis. Anderes Missverständnis.

Die Verwandtschaftskette, die nie endet

Dann die Cousine mit dem kranken Baby. Der Onkel mit dem kaputten Motorrad (der sieht aus, als wäre er 140 Jahre alt und hätte noch nie ein Motorrad besessen). Die Tante, die ein neues Dach braucht. Der Neffe, der zur Universität will (Studiengebühren: 120.000 Baht – für ein Semester).

Klaus-Dieter wird zum wandelnden, atmenden, schwitzenden Geldautomaten. Mit PIN-Code: „Ja, natürlich helfe ich.“

Die Büffel-Saga

Und dann: die Büffel. Die verdammten Büffel. 50.000 Baht für ein Büffel-Baby. Klaus-Dieter fragt: „Warum braucht man einen Büffel?“ Fon erklärt etwas von Tradition und Landwirtschaft. Er nickt. Zahlt. Später erfährt er, dass „Büffel“ thailändischer Slang für „dummer Ausländer“ ist. Die Ironie.

Die Beerdigung, die nicht stattfand

20.000 Baht für eine Beerdigung. Der Opa ist gestorben. Großes Drama. Zwei Wochen später postet der „tote“ Opa Fotos auf Facebook. Aus Pattaya. Im Playboy-Bar. Er sieht ziemlich lebendig aus für einen Toten.

Klaus-Dieter sagt nichts. Weil Nein sagen in Thailand unhöflich ist. Und weil er sich insgeheim schämt, wenn er Nein sagt. Als wäre er geizig. Als wäre er kein guter Papa.

Teil 6: Der Knacks – Wenn die Liebe auszieht (aber nicht das Geld zurückgibt)

Der Tag, an dem alles endete (und nichts anfing)

Eines Tages – Klaus-Dieter ist gerade beim 7-Eleven um die Ecke, kauft Leo-Bier und Chips – ist Fon weg. Einfach weg. Kein Zettel. Kein Kuss. Nur die rosa Hello-Kitty-Vorhänge und ein leerer Kleiderschrank. Auch der 55-Zoll-Fernseher ist weg. Und der Kühlschrank. Und die Waschmaschine, die er letzte Woche erst gekauft hat.

Zurück bleiben: ein Bett, zwei Teller und Klaus-Dieter.

Die verzweifelte Suche

Er ruft an. Mailbox. Er ruft nochmal an. Mailbox. Er ruft 47-mal an. Immer Mailbox. Seine Telefonrechnung wird episch.

Er geht in die Bar. Die Mamasan – eine Frau, die aussieht, als hätte sie schon drei Kriege, fünf Wirtschaftskrisen und unzählige Klaus-Dieters überlebt – zuckt die Schultern: „Fon? New boyfriend. From Norway. Very handsome. Very rich.“

Die Message ist klar: Du warst nur Übergangsfinanzierung, Papa.

Die stille Verzweiflung

Klaus-Dieter setzt sich an die Theke. Bestellt ein Bier. Singha. Groß. Er weint. Nicht laut. Nicht dramatisch. Nur so. Ein bisschen. Tränen laufen über seine Wangen, vermischen sich mit dem Schweiß. Die Klimaanlage röchelt. Die Musik dröhnt. Niemand bemerkt ihn.

Außer einer anderen Deutschen, 62, mit Sonnenallergie und Leberproblemen. Sie setzt sich neben ihn: „Auch Geld verloren?“ Er nickt. Sie nickt. Sie stoßen mit Bier an. Auf die Dummheit. Auf Bangkok. Auf die Liebe, die keine war.

Teil 7: Der Abschied – Oder wie man mit minus 26.000 Euro nach Hause fliegt

Die Rechnung: Eine Abrechnung

Drei Tage später sitzt Klaus-Dieter im Taxi zum Flughafen. Der Taxifahrer versucht, ihm noch 200 Baht extra abzunehmen („Expressway, Sir!“). Klaus-Dieter zahlt. Er ist zu müde zum Verhandeln.

Die Bilanz nach vier Wochen Bangkok:

  • Ausgaben: ca. 300.000 Baht (knapp 8.000 Euro)
  • Plus Miete im Voraus: 216.000 Baht (5.400 Euro)
  • Plus Möbel: 150.000 Baht (3.750 Euro)
  • Plus „Familiennotfälle“: 350.000 Baht (8.750 Euro)
  • Gesamtschaden: ca. 1.016.000 Baht = 26.000 Euro

Von seinem Sparkonto von 28.000 Euro bleiben: 2.000 Euro. Und Schulden bei der Sparkasse.

Das Tattoo: Ein Andenken fürs Leben

Auf seinem linken Unterarm: ein Tattoo. „Fon & Klaus 4ever“. In Thai-Schrift. Er hat es sich vor zwei Wochen stechen lassen, in einem Studio in der Khao San Road, nachdem er zu viel Chang-Bier getrunken hatte. Kosten: 3.000 Baht.

Später stellt sich heraus: Die Schrift ist falsch. Statt „Fon & Klaus 4ever“ steht da „Dummes Huhn liebt Geld“. Der Tätowierer hat sich einen Scherz erlaubt. Klaus-Dieter erfährt es nie.

Der Flughafen: Abrechnung Teil 2

Am Check-in trifft er einen anderen Deutschen. Auch 60+. Auch mit Bauch. Auch mit Tattoo (auf seinem steht vermutlich auch was Falsches). Auch mit dem Blick von jemandem, der gerade 30.000 Euro in Liebe investiert und eine leere Wohnung zurückbekommen hat.

Sie sehen sich an. Nicken. Kein Wort. Braucht man nicht. Sie verstehen sich. Mitglieder im Club der Bangkok-Betrogenen. Der Club, über den niemand spricht, aber in dem jeder zweite deutsche Rentner Mitglied ist.

Teil 8: Zurück in Oberhausen – Wo die Nachbarin alles weiß

Willkommen daheim (wo es kalt und ehrlich ist)

Zu Hause: Schnee. Grau. Die Deutsche Bahn hat Verspätung (manche Dinge ändern sich nie). Die Nachbarin, Gertrud, 72, wartet schon am Gartenzaun wie ein Geier auf frisches Fleisch.

„Na, wieder braun geworden?“, fragt sie mit einem Grinsen, das sagt: Ich weiß genau, wo du warst, du alter Sünder.

Klaus-Dieter nickt. Zeigt das Tattoo. „Hab mir ein Andenken machen lassen.“

Gertrud lacht. Laut. „Das sieht ja aus wie Hühnerfüße!“

Klaus-Dieter lacht mit. Weil Lachen besser ist als Weinen. Und weil er nicht zugeben will, dass sie vermutlich recht hat.

Die Konfrontation mit der Realität

Er öffnet seinen Briefkasten. 47 Briefe. Davon 32 Mahnungen. Sein Vermieter will die Miete (die er vergessen hat zu überweisen). Die Stadtwerke haben den Strom abgestellt. Die Krankenkasse droht mit Rauswurf.

Er öffnet sein Sparkonto-App. Kontostand: 2.347,83 Euro. Von ursprünglich 28.000 Euro. Er starrt auf die Zahl. Dann googelt er: „Flüge Bangkok. Günstig.“

Günstigster Flug: 599 Euro. Hin und zurück. Mit Umstieg in Istanbul. 17 Stunden Flugzeit. Er bucht. Sofort. Für drei Monate später.

Der Plan: Es nochmal versuchen (Definition von Wahnsinn)

Seine Tochter ruft an. „Papa, wo warst du? Wir haben uns Sorgen gemacht!“
„Urlaub“, sagt er.
„Schön. Und? War’s schön?“
„Sehr schön.“
„Gut. Kannst du den Kindern was mitbringen, wenn du wiederkommst?“
„Wiederkommen?“
„Du fliegst doch wieder hin, oder? Wir kennen dich doch.“
Er legt auf. Sie kennt ihn zu gut.

Teil 9: Ein Jahr später (Geschichte wiederholt sich, nur teurer)

Bangkok, Take Two

Ein Jahr später. Wieder Bangkok. Wieder die Bar ohne Namen (sie hat inzwischen einen Namen: „Happy Bar“ – wie originell). Wieder Fon. Diesmal mit neuem Kleid. Blau. Genau so eng wie das rote. Neues Lächeln (hat sie Zähne machen lassen? Von wessen Geld wohl?). Neuer „Papa“ – ein Schwede, 71, mit Gehstock und zu viel Geld.

Klaus-Dieter setzt sich. Bestellt ein Bier. Singha. Groß. Die Mamasan erkennt ihn: „Welcome back, Papa! Long time no see!“
Fon kommt. Erkennt ihn nicht. Oder tut so, als würde sie ihn nicht erkennen. „Hallo, Papa! Wie heißt du?“
„Klaus“, sagt er.
„Ah! Nice name! Willst du mit mir gehen?“

Er trinkt sein Bier. Leer. Denkt nach. Sein Sparkonto ist jetzt bei 1.200 Euro. Er hat einen Kleinkredit bei der Sparkasse aufgenommen. 5.000 Euro. Für „Renovierung“. Die Renovierung findet gerade in Form von 1.000-Baht-Scheinen in einer Bar in Bangkok statt.

Die Erkenntnis (die keine ist)

Er nickt. Schon wieder.

Und irgendwo, zwischen dem Röcheln der Klimaanlage, dem Klirren der Eiswürfel in seinem dritten Bier und dem Bass der Musik, die seine Ohren zum Bluten bringt, denkt Klaus-Dieter:

Vielleicht ist das hier meine Rente. Nicht das Geld auf dem Konto. Nicht die 1.400 Euro, die ich jeden Monat bekomme. Sondern das Gefühl. Das Gefühl, dass jemand „Papa“ zu mir sagt. Das Gefühl, dass jemand lacht, wenn ich einen schlechten Witz mache. Auch wenn’s nur für zwei Stunden ist. Auch wenn’s 2.000 Baht kostet. Auch wenn ich weiß, dass morgen eine andere da sitzt.

Draußen fährt die Skytrain vorbei. Drinnen läuft „My Heart Will Go On“ – in Thai-Version, gesungen von einer Karaoke-Maschine, die klingt, als würde sie gleich explodieren.

Klaus-Dieter lacht. Laut. Weil Lachen in Bangkok billiger ist als Therapie. Und weil er weiß, mit der Gewissheit eines Mannes, der dreimal denselben Fehler gemacht hat:

Nächstes Jahr kommt er wieder.

Sein Sparkonto weint. Aber das hört hier niemand.

Anmerkung der Redaktion:

Nach Veröffentlichung dieses Artikels erhielten wir 127 E-Mails von deutschen Rentnern, die uns mitteilten, dass „das aber ganz anders war“ bei ihnen und dass ihre Fon/Noi/Lek „wirklich echt“ sei. Wir glauben euch, Klaus-Dieters dieser Nation. Wir glauben euch.

Außerdem erreichte uns ein Schreiben der Sparkasse mit der Bitte, den Namen der Filiale zu ändern, da sie „nicht für die Finanzentscheidungen ihrer Kunden verantwortlich“ seien. Die Mitarbeiter der Western-Union-Filiale am Oberhausener Hauptbahnhof hingegen bedankten sich für die kostenlose Werbung und teilten mit, dass Klaus-Dieter inzwischen Stammkunde sei und einen 10%-Rabatt-Code erhalten habe.

Fon konnte für eine Stellungnahme nicht erreicht werden. Sie ist momentan auf Koh Samui. Mit einem Norweger. Der ein Ferienhaus kaufen will. Für sie beide. Für immer.

Klaus-Dieter plant übrigens schon die nächste Reise. Diesmal nach Pattaya. „Da soll es günstiger sein“, sagte er am Telefon. Wir wünschen ihm viel Glück. Und seinem Sparkonto ein Wunder.

ENDE

Diese Geschichte ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit echten Personen, lebenden oder finanziell ruinierten, sind rein zufällig. Oder auch nicht. Schöne Grüße nach Oberhausen.

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5 Kommentare zu „Rentner verliert Herz in Bangkok – und 26.000 Euro

  1. persoenlich habe ich mich bewusst vor 17j. mit meinem weg gang aus deutschland fuer ein single leben in T entschieden !!
    habe ein gemuetliches zu hause , auto ,bin finanziell unabhaengig , es geht mir gut bin 61j. und ich kann tun u. lassen was ich will solange ich nicht gegen recht und ordnung verstosse .
    das alles , ja genau das alles setze ich doch nicht aufs spiel und hole mir eine thaifrau ins haus, da ist es mir egal nach was die riecht o. auch nicht riecht.
    es spricht nichts dagegen in eine bar zu gehen , ein treppe hoeher zu gehen und nach 1h zahle ich 1.500tb (der thai 500) !!
    ich fahre sichtlich erleichtert nach hause (nicht die brieftasche ist erleichtert ) komme dort an oeffne eine flasche wasser , setze mich in meinem sessel ,und mit einem grinsen im gesicht sage ich mir , wie guts dir doch geht ohne thaifrau !!
    es gibt ein altes sprichwort :
    wenns dem esel zuwohl wird geht er aufs eis tanzen !!
    esel sind in T zu hauf unterwegs und taeglich kommen mehr 555

  2. Oberhausen hat doch auch einen Puff.Warum fliegt dieser Blindfisch so weit und lässt sich da bescheissen.Hätte er hier billiger haben können.

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