Staatliche IT-Panne: Experten fordern Reform bei Ausschreibungen

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Molpasorn Shoowong

Fehlstart mit Ansage

Kaum war das neue Registrierungsportal der thailändischen Tourismusbehörde (TAT) für das milliardenschwere Co-Payment-Programm online, brach es unter dem Ansturm zusammen. Bereits am ersten Tag kam es zu Systemabstürzen und erheblichen Verzögerungen – sehr zum Ärger der zehntausenden Interessenten.

Die TAT musste sich schnell öffentlich entschuldigen. Doch hinter den technischen Pannen steckt offenbar mehr als nur eine kurzfristige Überlastung.

„Wir bauen ein Hochhaus mit Werkzeug für eine Gartenhütte“

Ein IT-Experte, der anonym bleiben möchte, verglich die Entwicklung des Systems mit dem Versuch, ein Hochhaus von einem gewöhnlichen Hausbauer errichten zu lassen. Ohne die nötige Architektur sei ein Zusammenbruch bei hoher Last unvermeidbar.

Besonders wichtig sei eine robuste Warteschlangen-Architektur, um Massenzugriffe effizient zu steuern – etwas, das dem TAT-System offenbar fehlte. „Ohne strukturiertes Queuing kommt es zu Timeouts, Verzögerungen und Vertrauensverlust bei den Nutzern“, so der Experte.

Ausschreibungen: Der Billigste gewinnt – und alle verlieren

Ein zentrales Problem sehen Insider im staatlichen Ausschreibungswesen selbst. Oft werde der Auftrag nicht dem technisch besten, sondern dem billigsten Anbieter zugesprochen – mit verheerenden Folgen für Qualität und Stabilität.

„Wenn der Preis wichtiger ist als Leistung, sparen Anbieter bei Architektur, Infrastruktur und Lasttests“, heißt es aus IT-Kreisen. Für Großsysteme wie dieses müssten Anbieter nachweislich Systeme mit über 10.000 Transaktionen pro Sekunde realisiert haben.

Lasttest und Live-Betrieb: Zwei Welten

Laut den Quellen fehlen nicht nur klare Leistungsanforderungen in den Ausschreibungen, sondern auch realistische Lasttests vor dem Systemstart. Diese müssten Standard sein, um Systemabstürze wie aktuell zu vermeiden.

Ein bewährter technischer Ansatz sei, eingehende Anfragen zunächst in eine Warteschlange zu legen, bevor sie schrittweise vom Backend verarbeitet werden. „Man feuert nicht auf den Server, sondern lässt ihn kontrolliert abarbeiten“, erklärt ein zweiter Experte.

Rückkehr zu Bewährtem? Kritik an Eigenentwicklungen

Statt bewährter Apps wie „Pao Tang“ setzte die TAT diesmal auf eine Eigenlösung: „Amazing Thailand“, ergänzt durch die staatliche Identitäts-App „ThaID“. Ziel sei es laut TAT-Gouverneurin Thapanee Kiatphaibool, mehr Datensicherheit und Kontrolle zu erhalten.

Doch genau diese Umstellung könnte sich als Fehler erweisen. Kritiker fordern, lieber auf bereits erprobte, skalierbare Systeme zurückzugreifen – besonders bei Programmen mit Millionenbeteiligung.

Wer ist Raventure Co?

Entwickelt wurde das Registrierungssystem von Raventure Co, einem Unternehmen mit lediglich zwei Millionen Baht Stammkapital, gegründet im Jahr 2023. Laut eigenen Angaben habe das Unternehmen zwar Erfahrung mit Regierungs-Apps – darunter auch „Mor Prom“ während der Pandemie.

Ob diese Erfahrung aber für ein so massives, öffentlichkeitswirksames Projekt ausreicht, wird inzwischen offen bezweifelt.

Sicherheit versus Nutzerfreundlichkeit

Gouverneurin Thapanee verteidigte die Komplexität des Registrierungsverfahrens mit Verweis auf frühere Betrugsfälle. Die strengen Sicherheitsmaßnahmen seien notwendig, um Missbrauch im neuen Co-Payment-Programm zu verhindern.

Doch viele Nutzer empfinden die Hürden als zu hoch. Die Balance zwischen Datensicherheit und Nutzerfreundlichkeit bleibt eine Herausforderung – besonders, wenn die Technik versagt.

Ein systemisches Problem?

Die jüngste Panne ist kein Einzelfall: Immer wieder geraten staatliche IT-Projekte in Thailand durch instabile Plattformen und mangelhafte Umsetzung in die Kritik.

Für viele Experten steht fest: Ohne eine Neuausrichtung der Vergabekriterien hin zu Qualität, Leistung und Erfahrung statt reiner Kostenoptimierung werden ähnliche Systemabstürze auch in Zukunft kaum zu vermeiden sein.

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