Thailand aufklären: Schule oder Elternmacht

Thailand aufklären: Schule oder Elternmacht
KI-generierte Illustration, erstellt von Google Gemini

Aufklärung ist mehr als biologischer Unterricht über Pubertät und Verhütung. Sie umfasst Themen wie Alkohol- und Tabakkonsum, politische Bildung, Wirtschaft, Kultur und Umwelt. Ob ein Kind gut vorbereitet ist aufs Leben – das hängt stark davon ab, wer ihm Wissen vermittelt: Eltern, Schule oder andere Institutionen. In dieser Analyse vergleichen wir, wie Aufklärung in Thailand und in Deutschland funktioniert: Welche Inhalte werden gelehrt, wie offen sind Gespräche, wie stark ist die Mitwirkung der Eltern, welche Rolle spielt die Schule – und wo liegen die Defizite?

Grundlagen zu beiden Ländern:

Thailand ist ein Land mit starker kultureller Prägung durch Tradition, Religion (überwiegend Buddhismus), Hierarchiedenken und sozialen Normen, die oft Offenheit bei bestimmten Themen begrenzen. Deutschland ist stärker säkularisiert, pluraler und besitzt etablierte Rahmen für Schul- und Elternaufklärung, insbesondere seit Reformbewegungen der 1970er und später.

Bildungssysteme:

In Thailand gibt es eine sechsjährige Grundschule (Prathom Suksa), danach drei Jahre Sekundarstufe I und drei Jahre Sekundarstufe II. Der Lehrplan enthält Gesundheits‑ und Sexualerziehung als Teil des Faches „Health and Physical Education“ bzw. „Basic Education Core Curriculum“.

In Deutschland variiert das je nach Bundesland, aber generell gibt es Sexualkunde als Bestandteil des Biologieunterrichts ab den weiterführenden Schulen bzw. in manchen Bundesländern schon in der Grundschule; politische, wirtschaftliche und kulturelle Bildung sind durch Fächer wie Politik, Sozialkunde, Geographie, Geschichte und Wirtschaft integriert.

Schulpflicht in Thailand und Deutschland – mit Fokus auf rechtliche Rahmenbedingungen, Dauer, Durchsetzung und kulturelle Besonderheiten.

Deutschland: Schulpflicht als staatliches Grundprinzip

Gesetzliche Grundlage

Die Schulpflicht ist in Deutschland verfassungsrechtlich und landesgesetzlich geregelt – sie ergibt sich aus den Landesverfassungen und dem Grundgesetz (Art. 7 GG, Schulwesen in Länderhoheit).

Dauer der Schulpflicht

Vollzeitschulpflicht: i. d. R. 9 oder 10 Jahre, abhängig vom Bundesland (z. B. 9 Jahre in Bayern, 10 Jahre in NRW).
Berufsschulpflicht: Weitere 3 Jahre für Jugendliche ohne Schulabschluss oder bei Beginn einer beruflichen Ausbildung.

Wer ist schulpflichtig?

Alle Kinder, die in Deutschland wohnen – unabhängig von Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsstatus oder Religion.
Beginn: In der Regel mit 6 Jahren (Stichtage variieren leicht).
Ende: Nach Erfüllung der gesetzlich bestimmten Schuljahre oder mit Erreichen der Volljährigkeit.

Durchsetzung

In Deutschland besteht eine gesetzlich verpflichtende Präsenzpflicht: Schulverweigerung ist strafbar (Bußgelder, Zwangsmaßnahmen).
Homeschooling ist verboten – mit wenigen Ausnahmen (z. B. schwere Krankheit).

Besonderheiten

Deutschland hat ein differenziertes Schulsystem (Hauptschule, Realschule, Gymnasium etc.).
Eltern sind gesetzlich verantwortlich für die Teilnahme ihres Kindes am Unterricht.

Thailand: Bildungspflicht, aber keine Präsenzpflicht

Gesetzliche Grundlage

Thailand garantiert das Recht auf Bildung in der Verfassung von 1997 sowie im National Education Act (1999).
Artikel 10 des Education Acts betont: Kinder haben das Recht auf 12 Jahre kostenlose Bildung.

Dauer der Bildungspflicht

Pflichtbildung (Compulsory Education): 9 Jahre
6 Jahre Grundschule (Prathom Suksa 1–6)
3 Jahre Sekundarstufe I (Mattayom Suksa 1–3)
Nicht verpflichtend, aber empfohlen:
3 weitere Jahre Sekundarstufe II (Mattayom 4–6)

Wer ist bildungspflichtig?

Kinder zwischen 7 und 16 Jahren (mancherorts schon ab 6).
Die Pflicht besteht nicht zur Schulpräsenz, sondern zur „Bildung“ – das kann auch außerhalb von Schulen erfüllt werden (z. B. Homeschooling, Non-Formal Education, Klosterschulen).

Durchsetzung

Keine Zwangsmittel wie in Deutschland.
Schulverweigerung wird selten sanktioniert. In der Praxis: Viele Kinder (v. a. aus armen, ländlichen oder migrantischen Familien) verlassen die Schule frühzeitig.
Besonders gefährdet: Kinder ethnischer Minderheiten, Wanderarbeiter, Flüchtlinge (z. B. aus Myanmar), Kinder in sehr ländlichen Gebieten.

Besonderheiten

Non-Formal Education erlaubt Lernen außerhalb staatlicher Schulen (z. B. Klosterschulen, Fernunterricht).
Klöster (Wat-Schulen) sind traditionelle Bildungsorte, besonders für Jungen.
Staat fördert Schulbesuch mit Programmen, aber familiäre und wirtschaftliche Hürden bleiben.

Vergleich: Deutschland vs. Thailand

PunktDeutschlandThailand
PflichtStaatlich geregelte SchulpflichtBildungspflicht, aber kein Schulzwang
Dauer9–10 Jahre + 3 Jahre beruflich9 Jahre (6+3), 12 Jahre empfohlen
Beginni. d. R. ab 6 JahrenAb 6 oder 7 Jahren
DurchsetzungStreng, mit Bußgeld & KontrolleLocker, kaum Zwang, keine Strafen
HomeschoolingVerbotenMöglich (z. B. unter buddh. Klöstern)
AbbruchquoteRelativ niedrig (EU-Vergleich)Höher in armen / ländlichen Gebieten
SchulformenStark differenziert (z. B. Gymnasium)Einheitlich, erst ab Sek II differenziert

Kurz gesagt

Deutschland hat ein sehr striktes und durchgesetztes Schulpflichtsystem mit klaren Konsequenzen bei Verstößen. Es setzt auf Präsenz und soziale Kontrolle – mit dem Ziel, Bildungsungleichheiten zu reduzieren.
Thailand verfolgt einen flexibleren Bildungsansatz. Die Pflicht besteht, aber wird nicht hart durchgesetzt. Besonders in ländlichen Gebieten oder bei Minderheiten führt das zu deutlich höheren Schulabbruchraten.

Aufklärung

Sexuelle Aufklärung

Thailand

In Thailand gibt es das Programm der „Comprehensive Sexuality Education“ (CSE), das in fast allen weiterführenden Schulen unterrichtet wird. Allerdings zeigen Entwicklungsstudien, dass dieses Programm oft nichtumfassend“ (comprehensive) umgesetzt wird. Viele Lehrer sind nicht ausreichend geschult. Themen wie Sexualrechte, Geschlechtergleichstellung, Vielfalt und Respekt vor anderen (z. B. bei Gewalt in Beziehungen) werden oft vernachlässigt. Der Unterricht ist häufig stark biologisch orientiert: Verhütung, Fortpflanzung – aber weniger Kommunikation, kritisches Denken oder Genderrollen werden behandelt.

Ein Beispiel: Eine UNICEF unterstützte Studie aus Thailand ergab, dass ein großer Anteil der Lehrer nicht wusste, wie man z. B. über sichere sexuelle Praktiken jenseits der bloßen Anatomie spricht. Viele Schüler fühlten sich unwohl, im Unterricht über Sexualität zu sprechen
Ein weiterer Punkt: Kulturelle Tabus und moralische Vorstellungen („sexuelle Enthaltsamkeit bis zur Ehe“) prägen, wie viele Eltern, Lehrer und die Gesellschaft insgesamt Sexualität behandeln.

Deutschland

In Deutschland ist sexuelle Aufklärung seit Jahrzehnten Teil des Curriculums, unterstützt durch staatliche und private Institutionen wie Pro Familia und Landesprogramme. In der Regel werden mit steigenden Altersklassen Themen eröffnet wie Pubertät, Verhütung, Schwangerschaft, sexuell übertragbare Krankheiten, individuelle Sexualität, auch Homosexualität und Geschlechterrollen. Eltern haben Mitspracherechte; in manchen Bundesländern gibt es auch Beteiligungsmöglichkeiten durch Elternabende oder Informationsbroschüren. Es gibt Forschung und Diskussion darüber, wie inklusiv und modern diese Aufklärung ist, z. B. bezüglich Diversity, Consent oder sexueller Identität.

Deutschland hat außerdem den Vorteil, dass viele Materialien und Fortbildungen für Lehrer existieren. Sexualaufklärung wird nicht nur als Information, sondern zunehmend als Kompetenzbildung gesehen: Kommunizieren, Grenzen erkennen, kritisch reflektieren.

Vergleich

Umfang und Tiefe: Deutschland deckt eine größere Bandbreite ab; Thailand tendiert dazu, sich mehr auf Biologie und Prävention zu konzentrieren.
Lehrerqualifikation: In Deutschland besser ausgeprägte Fortbildung für Lehrkräfte im Bereich sexuelle Bildung; in Thailand bestehen oft Lücken.
Kulturelle Tabus: In Thailand größere Scheu, bestimmte Themen offen zu diskutieren, besonders in ländlichen Gebieten oder konservativeren sozialen Schichten. In Deutschland bestehen zwar auch Tabus, aber insgesamt eine größere Offenheit.
Elternrolle: In beiden Ländern wichtig, aber in Thailand oft weniger bereit oder fähig, aktiv und offen über Sexualität zu sprechen, z. B. wegen gesellschaftlicher Normen und fehlender Information / Unterstützung.

Aufklärung zu Zigaretten, Alkohol und Gesundheit

Thailand

Thailand hat politische Maßnahmen ergriffen, um den Konsum von Zigaretten und Alkohol zu reduzieren. So existiert eine „Sündensteuer“ auf Tabak und Alkohol, die Zigaretten um bis zu 40 % und alkoholische Getränke um bis zu etwa 20 % verteuert.

Im Rahmen schulischer Gesundheitserziehung ist Rauchen ein Thema, ebenso Alkohol, aber wie bei Sexualerziehung fehlt oft die breit angelegte Diskussion über Gesundheit, Süchte, die sozialen Folgen, Gesetzgebung oder Präventionspolitik. Zudem spielt Peer-Druck, Werbung und kulturelle Akzeptanz (z. B. bei Festen) eine Rolle.

Deutschland

Deutschland hat starke Programme zur Tabak‑ und Alkoholprävention, sowohl in Schulen als auch in öffentlichen Kampagnen (z. B. Nichtraucherinitiativen, Alkoholprävention, Aufklärung über gesundheitliche Risiken). Gesetzlicher Rahmen, wie Altersbeschränkungen, Werbebeschränkungen, Steuerpolitik etc., ist ausgeprägt.

In Schulen gibt es Unterricht in Biologie, Gesundheit, Pädagogik, oft auch Projekttage oder externe Partner (Jugendhilfe, Gesundheitsämter). Eltern und Jugendhilfeorganisationen spielen eine Rolle. Diskussionen über Alkohol in Medien, Werbung und gesellschaftliche Normen sind reflektierter als in vielen Ländern mit stärkerer Tabukultur.

Vergleich

Politische Maßnahmen: In Thailand existieren Steuererhöhungen („Sündensteuer“), ähnlich wie in Deutschland. Aber in Deutschland sind auch Regulierung von Werbung, Alterskontrollen, Verbraucherschutz stärker institutionalisiert.
Aufklärung in der Schule: Deutschland bietet in der Regel systematische Programme, Thailand eher fragmentarisch und oft mit Variabilität zwischen Schulen und Regionen.
Soziale Akzeptanz & Norm: In Thailand kann Alkohol zum Teil stärker sozial verankert sein, gleichzeitig sind in manchen Regionen religiöse und kulturelle Normen restriktiver; in Deutschland gibt es eine ambivalente Kultur, aber mit mehr öffentlicher Debatte.

Politische, Wirtschaftliche, Kulturelle und Geographische Bildung

Thailand

Politische Bildung in Thailand ist offiziell Teil des Lehrplans, vor allem in höheren Klassen, aber wird oft gelehrt mit Betonung auf Pflicht, Staatsordnung, Patriotismus, Respekt vor Autoritäten. Die Diskussion über demokratische Werte, Bürgerrechte oder Kritik am Staat ist zurückhaltender, teils durch gesetzliche Einschränkungen (z. B. Gesetze über Majestätbeleidigung, Einschränkungen bei Versammlungsfreiheit).

Wirtschaftliches Verständnis wird in Fächern wie Sozialstudien, Wirtschaft oder in Geographie behandelt, oft jedoch weniger praktisch: Weniger Diskussionen über Marktmechanismen, Unternehmertum, Globalisierung oder kritische Wirtschaftskonzepte.

Kultur und Geographie: Geographie umfasst Umwelt, Region, Natur; Kultur wird in Fächern wie Sozialwissenschaften, Literatur und Kunst behandelt, jedoch häufig mit stark nationalem Fokus. Wissen über andere Kulturen kann vorhanden sein, besonders in Städten und in Schulen mit internationalem Profil, viel weniger in ländlichen Schulen.

Deutschland

Politische Bildung ist oft Pflichtfach (Politik, Sozialkunde), mit klar definierten Lernzielen: Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaat, Partizipation. Wirtschaftliche Bildung hat in vielen Bundesländern Fächer oder Modulanteile zu Wirtschaft oder Arbeitsmarkt; Schüler lernen etwa über Steuern, Haushalte, Wirtschaftssysteme, Globalisierung. Kultur und Geographie sind Teil des regulären Lehrplans: Geographie bietet meist vernünftige Inhalte über Umwelt, Klima, Regionen, globale Herausforderungen; Kultur wird in Kunst, Musik, Literatur, Geschichte stark reflektiert.

Vergleich

Tiefe und Reflexion: Deutschland legt mehr Wert auf kritisches Denken, Diskussion, Vergleich verschiedener Sichtweisen. In Thailand wird oft eher Wissen vermittelt als Debatte geführt.
Vielfalt: In Deutschland wird oft Multikulturalität, Diversität, weltweite Perspektiven eingebunden. In Thailand hängt das stark vom Schultyp und Ort ab; internationale Schulen oder Privatschulen haben andere Profile.
Elternrolle & gesellschaftlicher Druck: In Thailand sind Eltern und Gesellschaft häufig konservativer, erwarten Respekt, Zurückhaltung. In Deutschland gibt es mehr Raum, abweichende Meinungen zu äußern, Kritik üben zu dürfen.

Herausforderungen & Perspektiven

Was müsste passieren, damit Aufklärung in Thailand (und teils auch in Deutschland) besser gelingt?

Lehrerfortbildung und Qualitätssicherung
In Thailand wäre es wichtig, Lehrkräfte umfassend auszubilden nicht nur in biologischen Inhalten, sondern in Gesprächsführung, Gender, Rechte, kritischem Denken. In Deutschland besteht auch Bedarf, alte Lehrmaterialien zu überarbeiten, inklusiver zu denken.
Curriculare Reform: Breiter, integrierter, partizipativer Unterricht
Aufklärung darf nicht nur isoliertes Thema sein, sondern Teil von fächerübergreifenden Projekten. Gesundheit, Politik, Wirtschaft, Kultur – alles sind Lebenswirklichkeiten und müssen verbunden werden.
Stärkung der Elternrolle und gesellschaftlicher Offenheit
Eltern müssen informiert und unterstützt werden, wie sie offen mit Kindern über schwierige Themen sprechen können. Gesellschaftliche Tabus müssen kritisch hinterfragt werden. Thailand könnte Programme fördern, die Eltern und Schulen gemeinsam einbinden.
Politik und Rechtlicher Rahmen
Gesetzgeberische Rahmenbedingungen, die Meinungsfreiheit, Zugang zu Informationen, Schutz vor diskriminierenden Inhalten gewährleisten, sind entscheidend. Bei Tabuthemen darf nicht unbemerkt bleiben, wie Gesetze oder soziale Normen den Unterricht einschränken. Auch Werberegulierung, Alterskontrollen, Steuerpolitik bei Alkohol und Tabak und Schutzmaßnahmen gegen exzessiven Einfluss von Medien sind relevant.
Ungleichheit & regionale Unterschiede adressieren
In Thailand gibt es deutliche Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten, zwischen privilegierten Privatschulen und staatlichen Schulen. Der Zugang zu Informationsmaterial und modernen Unterrichtskonzepten ist nicht flächendeckend. Deutschland hat ebenfalls Unterschiede (länderspezifisch, sozialräumlich), aber oft mehr Ressourcen, bessere Infrastruktur und öffentliche Debatte.

In diesem Falle

Aufklärung ist eine komplexe Aufgabe: Sie umfasst viel mehr als Sexualunterricht. Sie schneidet Rauchen, Alkohol, Politik, Wirtschaft, Kultur und Geographie mit ein – also alles, was junge und ältere Menschen befähigt, kritisch und selbstbestimmt zu handeln. In Thailand existieren viele Strukturen, die Aufklärung ermöglichen – Lehrpläne, Programme wie CSE, gesundheitliche Steuern etc. Aber in der Praxis sind Themen oft verengt, Tabus wirken stark, Lehrerfortbildung und gesellschaftliche Offenheit sind unterschiedlich ausgeprägt.

Deutschland bietet in vielen Bereichen ein breiteres, kritisch reflektiertes und partizipatives Modell, das allerdings auch nicht perfekt ist: Diskurse über Sexualität und Identität werden nicht überall inklusiv geführt; wirtschaftliche und kulturelle Bildung wird nicht immer als gleich wichtig wahrgenommen wie Naturwissenschaften; regionale Ungleichheit bleibt.

Wenn Aufklärung gelingt, profitieren Gesellschaften: Weniger gefährliche Verhaltensweisen, mehr politische Partizipation, bessere Lebensqualität. Der Weg dahin führt über Reformen in Lehrplänen, Lehrerbildung, gesellschaftlicher Offenheit und die gemeinsame Verantwortung von Eltern, Schulen und Staat.

Aktuelle Studienergebnisse und Untersuchungen, die speziell Aufklärung, Sexual‑/Gesundheitswissen und verwandte Themen in ländlichen Gebieten Thailands betreffen, ergänzt durch ein paar vergleichende Hinweise aus Deutschland.

Studien aus Thailand – ländliche Regionen & nichtformale Bildung

Sexuelle Gesundheitskompetenz und präventives Verhalten bei Mittelschülern im ländlichen Thailand(während COVID‑19)
Diese Mixed‑Methods‑Studie befragte etwa 730 Schülerinnen und Schüler in mittleren Klassen (Middle School) aus 20 Schulen in einer ländlichen Provinz.
Ergebnis: Ein höherer Grad an „Sexual Health Literacy“ (SHL) steht in Zusammenhang mit präventivem Verhalten gegenüber ungewollter Schwangerschaft und sexuell übertragbaren Krankheiten.
Effekte von Mobile Health Education bei weiblichen Schul‑ Jugendlichen in ländlichen Gebieten (Secondary School
Sexual Health Literacy unter weiblichen Jugendlichen in Phetchaburi Provinc
Positive Youth Development Programm bei frühen Jugendlichen (Grade 8) in Chon Buri Provinc
Muster sexuellen Verhaltens bei Jugendlichen in ländlichen Gebieten (Lowland Thais und ethnische Minderheiten, Chiang Mai
Aufklärung und Sexual Health Literacy außerhalb des formalen Bildungssystems

Bewertungen von Jugend‑freundlichen Gesundheitsdiensten (Youth Friendly Health Services, YFHS) in Thailand
2019 Assessment durch das thailändische Gesundheitsministerium mit Unterstützung von UNICEF, UNFPA, WHO.
Forschungsbereiche: Übereinstimmung mit WHO‑Standards, Perspektiven von Anbieter*innen, Sichtweisen der Jugendlichen, Barrieren und Möglichkeiten.
Probleme: mangelnde Vertraulichkeit, wahrgenommene Urteilshaltung, eingeschränkte Zugänglichkeit, mangelnde Sensibilität auf die Bedürfnisse Jugendlicher. Jugendliche wünschen sich Dienste, die diskreter, vertraulicher und auf ihre Lebensrealität ausgerichtet sind.

Vergleich Deutschland: Studien & Befunde

Damit wir nicht nur Thailand kennen, hier einige aktuelle Forschungsergebnisse aus Deutschland, die zeigen, wie Jugendliche dort über Aufklärung denken und wie der Stand ist.

„Youth Sexuality“ Repräsentative Wiederholungs‑Erhebung 2022 (RKI / BZgA)
Befragung von etwa 6.000 jungen Menschen im Alter 14‑25.
Wichtigste Informationsquellen: Schulunterricht (≈ 69 %), Gespräche (≈ 68 %) und Internet (≈ 59 %).
Fazit: Schule bleibt eine zentrale Säule, doch digitale Medien spielen eine immer größere Rolle. Es gibt gute Kenntnisse über Verhütung, reproduktive Gesundheit, und viele Jugendliche fühlen sich informiert. Dennoch gibt es auch Lücken, besonders bei Themen wie sexuelle Identität, Consent, Vielfalt und gleichgeschlechtliche Beziehungen. (Quelle: rki.de)

Verständnis von „sexual competence“ bei deutschen Studierenden
Qualitative Studie untersucht, was junge Erwachsene in Deutschland unter sexueller Kompetenz verstehen: Respekt, freiwillige Zustimmung, eigene Entscheidung und Reflexion.
Jugendlicher wollen nicht nur Wissen, sondern Fähigkeit, ihre eigenen Grenzen und Wünsche zu erkennen und zu kommunizieren. Themen wie gleichgeschlechtliche Beziehungen, Gender, Vielfalt und Einvernehmlichkeit gewinnen an Bedeutung. (Quelle: link.springer.com)

Schlussfolgerungen & Bedeutung für die Analyse

Diese neueren Studien bieten folgende Einsichten und relevante Ergänzungen:
Wissen vs Verhalten: Es reicht nicht aus, dass Jugendliche Wissen haben – oft bestehen Barrieren bei der Umsetzung in konkret präventives Verhalten (z. B. Kondomgebrauch, frühe oder ungewollte sexuelle Aktivitäten). Studien in Thailand zeigen, Wissen korreliert mit Verhalten, aber der Effekt variiert stark je nach Region, Schulform, Erziehung etc.

Nichtformale Bildung & Randgebiete: Jugendliche, die außerhalb formaler Schulen sind (z. B. in non‑formal education) oder in sehr ländlichen/ethnischen Minderheitengebieten leben, haben oft schlechteren Zugang zu verlässlicher Aufklärung und Gesundheitsdiensten.

Digitale Kanäle & Interventionen: Mobile Nachrichten, Online‑Programme etc. zeigen Wirkung, insbesondere wenn sie regelmäßig und über längere Zeiträume laufen. Das ist besonders relevant in ländlichen Gegenden, wo Schulen oder Gesundheitsdienste eingeschränkt sind.

Kulturelle Barrieren & Normen: Scham, Tabus, Einfluss von Eltern und Gemeinschaft, Geschlechterrollen, ethnozentrische Unterschiede – all das beeinflusst, ob Jugendliche bereit sind, über Sexualität zu sprechen, Dienste in Anspruch zu nehmen oder korrektes Wissen zu suchen.

Vergleichsweise in Deutschland sind viele dieser Barrieren weniger stark, aber nicht verschwunden. Deutschland bietet mit Schulunterricht, öffentlichen Kampagnen, spezialisierten Aufklärungsorganisationen, digitaler Verfügbarkeit gute Voraussetzungen. Doch auch hier gibt es Unterschiede je nach Region, sozialem Hintergrund, religiöser Prägung etc.

Aussagen & Eindrücke aus Thailand (ländlich / peripher)

Ambivalenter Zugang zu Informationen und Erwartungen
Studien aus ländlichen Gebieten zeigen, dass Jugendliche oft zwischen traditionellem Familienumfeld und modernen Einflüssen (Medien, Internet) stehen. Sie erhalten Informationen aus informellen Quellen (Freunde, soziale Medien), aber fühlen sich häufig nicht angemessen unterstützt durch Eltern oder Schule, insbesondere wenn es um sensible Themen wie Verhütung oder Geschlechtsidentität geht. Beispielhafte Paraphrase aus Studien: Mädchen aus ländlichen Provinzen berichteten, dass sie Verhütungsmittel kennen, aber unsicher seien, wie und wo sie diese sicher beschaffen könnten. Oder:Ich weiß, dass man ein Kondom nutzen kann, aber ich würde nicht darüber mit meiner Familie sprechen.“ (nicht wörtlich zitiert aus einer Studie, aber typische Aussage in qualitativen Interviews)

Scham und Tabus
Es gibt qualitative Daten, in denen Jugendliche sagen, dass sie sich schämen, bestimmte Fragen zu stellen – besonders in gemischten Gruppen oder vor Lehrenden. Geschlechtsspezifische Erwartungen und kulturelle Normen (z. B. Respekt vor Älteren, Jungfräulichkeit, Scham um Körperlichkeit) hemmen offene Gespräche. Beispiel: In einer Studie in Phetchaburi sagten weibliche Jugendliche, dass sie häufiger mit weiblichen Verwandten über Menstruation sprechen würden, nicht aber mit Vätern oder männlichen Lehrern.

Unterschiede zwischen ländlichen Gebieten / ethnischen Minderheiten vs. urbanen Regionen
Ethnische Minderheiten oder sehr abgelegene Regionen haben oft weniger Zugang zu freiwilliger Gesundheitserziehung außerhalb der Pflichtschule, weniger Ressourcen (z. B. qualifizierte Lehrkräfte), weniger Verfügbarkeit von Gesundheitszentren, Jugend freundlichen Diensten. Jugendliche in solchen Gebieten berichten, dass sie manchmal das Gefühl haben, „abgeschnitten“ zu sein von modernem Wissen.

Wunsch nach mehr Praktischem und Vertraulichem
Einige Studien nennen, dass Jugendliche möchten, dass Sexualerziehung nicht nur theoretisch und biologisch sei, sondern auch praktische Fragen beantwortet werden: wie man mit Beziehungskonflikten umgeht, mit Internetpornografie, mit Gefühlen, mit Verhütung in realen Situationen. Auch wünschen sie sich Vertraulichkeit – beispielsweise, dass Lehrende neutral sind, ohne Schuldgefühle oder Moralpredigten.

Aussagen & Zitate aus Deutschland

Während konkrete Stimmen aus ländlichen Regionen Thailands rar sind, gibt es für Deutschland einige gut dokumentierte Zitate und Ergebnisse aus Repräsentativstudien, die zeigen, wie Jugendliche über Aufklärung denken. Diese helfen beim Vergleich.

  1. Quellen der Information
    Aus der Studie „Youth Sexuality – Repräsentative Wiederholungs‑Erhebung 2022“: „Schulunterricht (≈ 69 %), persönliche Gespräche (≈ 68 %) und das Internet (≈ 59 %)“ sind die häufigsten Quellen junger Menschen für Wissen über Sexualität. Quelle: (rki.de)
  2. Wunsch nach mehr Vielfalt & Inklusion
    In Befragungen äußern Jugendliche, dass Themen wie gleichgeschlechtliche Beziehungen, sexuelle Vielfalt oder Consent (Einvernehmlichkeit) unzureichend behandelt werden. Sie möchten, dass diese Themen offen und respektvoll angesprochen werden. Diese Wünsche finden sich besonders unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund oder in konservativeren Familien. (Aus Analysen der „Youth Sexuality“ Studie) Quelle: (sexualaufklaerung.de)
  3. Lücken im Verhalten vs Wissen
    Auch wenn das Wissen über Verhütung, Pubertät etc. in Deutschland insgesamt recht hoch ist, gibt es weiterhin Unterschiede, je nach sozialem Hintergrund, Wohnort (städtisch vs ländlich), Migrationshintergrund. Manche Jugendliche fühlen sich unsicher im Umgang mit konkreten Situationen (z. B. Gespräch mit Partner*in, wenn Kondom benutzt werden soll). (Aus BZgA/BZgA‑Studien) Quelle: (PubMed)

Warum direkte Zitate fehlen und was das bedeutet

Viele Studien benutzen quantitative Methoden (Befragungen), keine offenen Interviews, oder die qualitativen Teile sind nicht öffentlich oder in lokaler Sprache, nicht übersetzt.
Berichte speziell aus abgelegenen, ländlichen Gebieten oder ethnischen Minderheiten sind seltener veröffentlicht, oder sie bleiben in akademischen Journals, die nicht allgemein lesbar sind.
Kulturelle Normen und Scham führen dazu, dass Jugendliche meist anonym oder indirekt sprechen, was es schwierig macht, konkrete Aussagen zu finden.

Quellen

-UNICEF‑Studie: Sexuality education programme falling short in Thailand. nationthailand
-Bangkok Post: Sex education in secondary schools not genug divers und interaktiv. Bangkok Post
-Education Profiles: Thailand Comprehensive Sexuality Education im Basic Education Core Curriculum.
-Süddeutsche Zeitung / DPA: „Sündensteuer“ auf Zigaretten und Alkohol in Thailand. Süddeutsche.de

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3 Kommentare zu „Thailand aufklären: Schule oder Elternmacht

  1. Habe ich das übersehen, oder steht in dem Artikel wirklich NICHTS darüber, wie hoch die Schulkosten in Thailand sind…???

    1. Die Nachfrage beim Redakteur hat ergeben, dass die Kosten für private oder internationale Schulen in Thailand stark variieren. Je nach Schulform, Ort und Art der Schule liegen die Gebühren pro Halbjahr oder Semester zwischen etwa 2.500 und 1 Million Baht. Für staatliche Schulen fallen für die Eltern in der Regel keine Kosten an.

      1. Soweit mir bekannt ist und auch von Seiten thailändischer Eltern berichtet wurde, fallen an staatlichen Schulen für jedes schulpflichtige Kind pro Jahr allerdings Nebenkosten in Höhe von rund 6.000 Baht an! Ab der weiterführenden Oberstufe belaufen sich die Kosten je nach Lage und Ausstattung der weiterführenden STAATLICHEN Schule auf bis zu 30.000 Baht jährlich. Ein großer Teil der thailändischen Eltern ist nicht in der Lage, diese Beträge aufzubringen. Anders als in Deutschland werden in Thailand Schulkinder aus prekären Verhältnissen bei der schulischen Ausbildung vom Staat finanziell NICHT unterstützt.

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