Thailands Plastikproblem: Zwischen Alltag und Umweltkatastrophe

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Thailand, das „Land des Lächelns“, ist auch das Land der Plastiktüten. Auf Märkten, in Garküchen oder bei 7-Eleven: Für jeden Einkauf gibt es eine Plastiktüte – oft mehrere. Ein Kaffee to-go? Einwegbecher, Plastikmanschette, Strohhalm und eine Tragetüte. Diese „Plastikkultur“ ist tief verwurzelt, bequem und günstig – aber ein Umweltkiller. Thailand gehört zu den zehn Ländern weltweit, die am meisten Plastikmüll ins Meer einleiten, mit geschätzten 10.000 bis 30.000 Tonnen jährlich. Von den 2 Millionen Tonnen Plastikabfällen, die jährlich produziert werden, werden nur etwa 25 % recycelt. Der Rest landet auf Deponien, in Flüssen oder im Meer, wo Mikroplastik die Nahrungskette vergiftet – von Fischen bis in den menschlichen Körper.

Gesetzliche Maßnahmen: Ein Schritt in die richtige Richtung

Thailand hat das Problem erkannt und handelt – zumindest auf dem Papier. 2019 verabschiedete das Kabinett die Roadmap on Plastic Waste Management (RPWM), einen Fahrplan für 2020–2030, der ambitionierte Ziele setzt: Bis 2030 sollen alle Haushaltsabfälle aus Plastik recycelt werden, und sieben Arten von Einwegkunststoffen wurden verboten, darunter Verschlusskappen, oxidative abbaubare Kunststoffe und Mikroplastik (seit 2019). 2022 kamen vier weitere Einwegplastikarten hinzu, wie Plastikbecher und -strohhalme.

Seit Januar 2020 haben große Einzelhändler wie 7-Eleven Plastiktüten eingestellt, gefolgt von einem landesweiten Verbot ab 2021. In allen 155 Nationalparks Thailands sind seit Juni 2018 Plastiktüten, PET-Flaschen und Styropor verboten, verstärkt durch ein Gesetz von April 2022, das Verstöße mit bis zu 100.000 Baht (ca. 2.600 Euro) bestraft. Zudem plant Thailand, die Einfuhr von Plastikmüll bis Ende 2025 komplett zu verbieten, mit einer 50-prozentigen Reduktion bereits 2024.

Doch die Umsetzung hinkt. Die COVID-19-Pandemie führte zu einem 40-prozentigen Anstieg des Plastikverbrauchs, da Lieferdienste und Takeaway boomten. Mülltrennung und Recyclingkapazitäten sind unzureichend, besonders in ländlichen Gebieten, wo oft kein geregeltes Abfallsystem existiert. Nur etwa 500.000 der 2 Millionen Tonnen jährlichen Plastikabfälle werden recycelt, während der Rest auf Deponien oder in der Natur landet.

Die Rückkehr der Jutetasche: Nachhaltigkeit mit Stil

Trotz der Herausforderungen gibt es Hoffnung. Junge Designer, lokale Handwerker und Initiativen wie der WWF fördern Alternativen wie Jutetaschen, Rattan-Körbe oder wiederverwendbare Lunchboxen. Diese sind langlebig, nachhaltig und oft ein modisches Statement. Einzelpersonen wie Chaiyuth Lothuwachai, der mit wiederverwendbaren Behältern einkauft, zeigen, wie ein plastikfreier Lebensstil aussehen kann.

Doch Jutetaschen haben ihre Tücken. Studien zeigen, dass sie bis zu 7.100 Mal verwendet werden müssen, um ihre ökologische Herstellung zu rechtfertigen – eine Herausforderung in einer Wegwerfgesellschaft. Dennoch gewinnen nachhaltige Alternativen an Popularität, besonders in urbanen Zentren wie Bangkok, wo junge Aktivist:innen wie Nanticha Ocharoenchai durch Klimastreiks und Social-Media-Kampagnen Bewusstsein schaffen.

Kulturelle Hürden: Bequemlichkeit vs. Umweltbewusstsein

Warum bleibt Plastik so beliebt? Die Antwort liegt in der Bequemlichkeit. Plastiktüten sind leicht, günstig und allgegenwärtig. Bei 35 Grad Hitze und hektischem Alltag greifen viele lieber zur Plastiktüte, als eine Stofftasche mitzuschleppen. Aufklärung ist ein weiteres Problem: Umweltbildung spielt in thailändischen Schulen eine untergeordnete Rolle, und viele Verkäufer sehen Plastik als praktisch, ohne die Konsequenzen zu kennen.

Die Tragweite des Problems wird durch drastische Beispiele deutlich: 2019 starb ein Dugong namens Mariam an Plastikmüll in seinem Magen, ein Hirsch in einem Nationalpark erstickte an 7 kg Plastiktüten. Solche Vorfälle rütteln die Öffentlichkeit auf, doch die „Plastikkultur“ ist tief verwurzelt.

Jeder Schritt zählt

Thailand steht vor einer gewaltigen Aufgabe, doch es gibt Fortschritte. Gesetze wie das Plastiktütenverbot und das Importverbot für Plastikmüll sind ein Anfang. Initiativen von NGOs wie dem WWF, die mit Gemeinden und Tourismusbetrieben an Müllvermeidung und Recycling arbeiten, zeigen Wirkung. Jeder kann beitragen: eine Jutetasche mitnehmen, auf Einwegplastik verzichten oder „keine Tüte, bitte“ sagen. Es sind kleine Schritte, aber sie summieren sich.

Die Vision, Thailand als Vorzeigeland für Umweltschutz zu sehen, mag ambitioniert sein. Doch mit strengeren Gesetzen, besserer Aufklärung und dem Engagement der jungen Generation ist es nicht unmöglich. Die Hoffnung, dass Thailand seine Meere und Tempelgärten von Plastik befreit, lebt – und jeder wiederverwendete Beutel bringt das Land ein Stück näher an dieses Ziel.

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