Zwischen Modernisierung, Machtprojektion und geopolitischen Spannungen
Die geplante Beschaffung des chinesischen U-Boots S26T der Yuan-Klasse durch die thailändische Marine ist ein sicherheitspolitisches Großprojekt, das weit über die rein technische Dimension hinausgeht. Es steht exemplarisch für Thailands strategische Ausrichtung, seine sicherheitspolitischen Prioritäten sowie für die zunehmend komplexen Beziehungen zwischen Bangkok, Peking und westlichen Partnern. Doch das Vorhaben ist nicht nur von militärischem und außenpolitischem Gewicht – es ist auch innenpolitisch höchst umstritten.
Warum das Modell S26T? Motive hinter der Auswahl
Die Entscheidung für das chinesische U-Boot-Modell S26T fiel im Jahr 2015. Damals gab die thailändische Regierung bekannt, dass sie insgesamt drei U-Boote der Yuan-Klasse bestellen wolle – zu einem Stückpreis von etwa 13,5 Milliarden Baht (ca. 370 Millionen Euro). Die Wahl fiel auf das chinesische Angebot, weil es als das kostengünstigste galt und zugleich modernste Technologie versprach – darunter ein AIP-Antrieb (Air Independent Propulsion), der längere Unterwasseroperationen erlaubt.
Politisch spielte auch die Vertiefung der sicherheitsstrategischen Partnerschaft mit China eine Rolle. Nach dem Militärputsch von 2014 war Thailand international zunehmend isoliert. China bot sich als verlässlicher Partner an – ohne politische Bedingungen im Bereich der Menschenrechte. Das U-Bootgeschäft symbolisierte damit auch die verstärkte Hinwendung Bangkoks nach Osten.
Technische Spezifikationen: Yuan-Klasse S26T im Überblick
Die Yuan-Klasse (Typ 039A/041) ist ein konventionell angetriebenes U-Boot mit moderner Stealth-Technologie. Die Exportversion S26T weist folgende technische Eckdaten auf:
- Länge: ca. 77,7 Meter
- Verdrängung: rund 2.600 Tonnen getaucht
- Antrieb: Diesel-Elektro-System mit Stirling-basiertem AIP-Antrieb
- Reichweite: bis zu 7.000 Seemeilen
- Tauchtiefe: bis zu 300 Meter
- Geschwindigkeit: max. 18 Knoten unter Wasser
- Bewaffnung: sechs 533-mm-Torpedorohre, fähig zur Aufnahme von Torpedos, Seeminen oder Antischiffsraketen
- Besatzung: rund 38 Mann
- Sensorik: integriertes Sonarsystem mit Bug- und Schleppsonar sowie elektronische Aufklärungssysteme
Die Kombination aus AIP-Antrieb und moderner Sensorik macht das Boot besonders geeignet für längere verdeckte Operationen in den Gewässern Südostasiens.
Chancen und Risiken: Eignung für den Einsatz in Thailand
Ein großer Vorteil des S26T ist die Fähigkeit, wochenlang ohne Auftauchen unter Wasser zu operieren – ein strategischer Zugewinn für eine Marine, die bislang über keinerlei eigene U-Boote verfügte. In Kombination mit der Reichweite erlaubt dies eine deutlich erweiterte Überwachung und Kontrolle thailändischer Seegrenzen und Handelsrouten, insbesondere in der Andamanensee und im Golf von Thailand.
Doch es gibt auch Kritik. Zum einen stellt sich die Frage, ob die relativ flachen Gewässer in der Region – insbesondere der Golf von Thailand – überhaupt den effektiven Einsatz eines so großen U-Bootes ermöglichen. Zum anderen bestehen Zweifel an der langfristigen Wartbarkeit chinesischer Hightech-Systeme, insbesondere wenn sie nicht vollständig mit bestehenden westlichen Komponenten kompatibel sind.
Strategischer Kontext: Chinas Einfluss, regionale Spannungen, maritime Interessen
Geopolitisch ist das Projekt eng verwoben mit Chinas wachsendem Einfluss in Südostasien. Für Peking ist der Export des S26T ein Signal an die Region – wirtschaftlich wie sicherheitspolitisch.
Für Thailand könnte das Boot dabei helfen, seine maritimen Interessen durchzusetzen – etwa im Streit um Fischereizonen mit Kambodscha oder beim Schutz wirtschaftlich bedeutender Seewege. Auch als Abschreckung gegenüber regionalen Rivalen dürfte das U-Boot wirken.
Gleichzeitig riskiert Bangkok, sich weiter von den USA und europäischen Partnern zu entfremden, die solche Rüstungskooperationen mit China skeptisch betrachten. Die USA, traditionell wichtigster Sicherheitspartner Thailands, dürften auf eine klare Positionierung bestehen – was Bangkok in eine schwierige Balance zwingt.
Innenpolitische Kontroverse: Debatte um Nutzen, Kosten und Prioritäten
In Thailand ist das Projekt seit Jahren heftig umstritten. Kritiker werfen der Regierung vor, inmitten wirtschaftlicher Krisen – etwa infolge der COVID-19-Pandemie – Milliarden in militärische Prestigeobjekte zu investieren, während soziale Programme chronisch unterfinanziert seien.
Zudem wurde die Entscheidung, das U-Boot direkt aus China zu beschaffen, ohne offene internationale Ausschreibung gefällt – was Fragen zur Transparenz aufwirft. Auch der Nutzen für ein Land ohne U-Boot-Erfahrung wurde vielfach bezweifelt.
Laut Medienberichten (vgl. Bangkok Post, August 2025) kritisieren Oppositionspolitiker vor allem die mangelnde Kommunikation über Risiken, etwa im Fall technischer Kompatibilität oder bei Wartungskosten in der Zukunft.
Der MTU-Motorstreit: Wie ein deutscher Dieselmotor das Projekt blockiert
Ein zentrales Problem der Beschaffung ist das Antriebssystem. Ursprünglich sollte das S26T mit einem Diesel-Elektro-Antrieb des Typs MTU396 aus deutscher Produktion ausgestattet werden. Dieser Motor gilt als besonders zuverlässig und leise – eine Schlüsselanforderung für U-Boote.
Doch die Ausfuhr wurde durch die EU-Waffenembargoregeln gegenüber China blockiert. Auch wenn Thailand der Endnutzer gewesen wäre, wurde die Lieferung von Berlin untersagt – mit Verweis auf die Gefahr militärischer Nutzung durch Dritte (Deutsche Welle, 2023).
Als Konsequenz kündigte der chinesische Hersteller an, den in China entwickelten CHD620-Dieselmotor einzusetzen. Doch dieser ist weitgehend unerprobt, und Marineexperten äußern Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit.
Vertragliche Auswirkungen: Zeitverzögerung, Mehrkosten und Kompromisse
Die Motorenfrage führte zu erheblichen Verzögerungen im Bau und zur Suspendierung des Vertrags durch die thailändische Regierung im Jahr 2022. Es kam zu zähen Verhandlungen mit China, um eine Vertragslösung zu finden, die sowohl den technologischen als auch den politischen Anforderungen gerecht wird.
Erst im Jahr 2024 wurde ein modifizierter Vertrag unterzeichnet, der die Lieferung des S26T mit dem CHD620-Motor vorsieht – allerdings unter Vorbehalt weiterer Tests und mit der Möglichkeit zur späteren Nachrüstung.
Die Regierung betonte, man habe die Vertragsbedingungen so angepasst, dass Mehrkosten minimiert und Kompensationen bei Nichterfüllung vertraglich gesichert seien (vgl. Thai Enquirer, Juni 2024). Trotzdem bleiben Zweifel, ob das Projekt im Zeit- und Budgetrahmen umgesetzt werden kann.
Ausblick: Symbolpolitik oder sicherheitspolitischer Fortschritt?
Die Beschaffung des S26T ist ein komplexes Vorhaben mit großer Tragweite. Sie steht exemplarisch für Thailands sicherheitspolitische Ambitionen, aber auch für die Risiken einer geopolitischen Gratwanderung zwischen China, dem Westen und den Interessen im eigenen Land.
Ob das U-Boot am Ende wie geplant einsatzbereit ist – und ob es seinen strategischen Nutzen entfalten kann –, wird entscheidend für die sicherheitspolitische Glaubwürdigkeit der thailändischen Marine sein. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob sich die Entscheidung für das S26T als klug – oder als teuer erkauftes Risiko erweist.



