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Tote Ausländer: Vergessen im Paradies

Tote Ausländer: Vergessen im Paradies
KI-generierte Illustration, erstellt von Google Gemini.

Thailand: Vergessen nach dem Tod

Es ist ein Dienstagnachmittag in Bangkok, als die Polizei im kleinen Apartment in der Soi Sukhumvit eine Leiche findet. Ein 67-jähriger Deutscher, tot seit drei Tagen. Keine Familie vor Ort. Keine Freunde, die sich melden. Nur ein abgelaufener Mietvertrag und ein Handy ohne Kontakte. Was mit ihm passiert, wissen die wenigsten Ausländer, die nach Thailand ziehen.

Der Mann ist kein Einzelfall. Jedes Jahr sterben Hunderte Ausländer in Thailand. Manche werden von ihren Familien nach Hause geholt, andere in buddhistischen Tempeln verbrannt. Doch für eine wachsende Zahl gibt es niemanden, der sich kümmert. Für sie tickt eine unsichtbare Uhr.

Die unsichtbare 30-Tage-Frist

Nach thailändischem Recht haben Angehörige oder bevollmächtigte Personen genau 30 Tage Zeit, einen Verstorbenen abzuholen und die Beerdigung zu organisieren. Diese Frist beginnt mit der Überführung des Körpers in das städtische Leichenschauhaus. Anschließend erfolgt eine Autopsie, die Polizei prüft, ob ein Fremdverschulden vorliegt, und das zuständige Amphur stellt die Sterbeurkunde aus.

Erscheint innerhalb dieser 30 Tage niemand, tritt ein wenig bekannter Verwaltungsmechanismus in Kraft. Der Körper bleibt nicht unbegrenzt gelagert – Thailand verfügt weder über unendliche Kühlkapazitäten noch über Ressourcen für Fälle ohne Zuständige. In solchen Fällen schreiten die Behörden ein und treffen eigene Entscheidungen über den Verbleib des Verstorbenen.

Was bedeutet eine Armenbestattung?

Der Begriff klingt harmlos, doch hinter der sogenannten Armenbestattung verbirgt sich eine Praxis, die in Europa kaum bekannt ist. Mehrere nicht abgeholte Leichen werden gleichzeitig in einem Tempel eingeäschert. Keine Zeremonie, keine Trauergäste, keine Mönche, die Gebete sprechen. Nur ein Ofen und ein Stapel einfacher Holzsärge.

Die Asche wird anschließend in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt oder auf dem Tempelgelände verstreut. Manche Tempel bewahren sie in nummerierten Urnen auf, andere nicht. Eine individuelle Kennzeichnung existiert oft nicht. Wer seinen Angehörigen später sucht, findet meist nur noch Bürokratie und Schweigen.

Warum bleiben so viele Leichen unabgeholt?

Die Gründe sind vielfältig. Viele Ausländer ziehen allein nach Thailand, oft nach Scheidungen oder Zerwürfnissen mit der Familie. Sie leben jahrelang ohne Kontakt zur Heimat. Wenn sie sterben, weiß niemand davon. Die Botschaften versuchen zwar, Angehörige zu kontaktieren, doch das gelingt nicht immer.

Manchmal gibt es zwar Familie, doch diese kann oder will die Kosten nicht tragen. Eine Rückführung nach Europa kostet zwischen 150.000 und 190.000 Baht, umgerechnet etwa 4.000 bis 5.000 Euro. Selbst eine einfache Kremierung vor Ort schlägt mit 30.000 bis 60.000 Baht zu Buche, also 800 bis 1.600 Euro. Für viele Hinterbliebene ist das nicht leistbar.

Die Rolle der Botschaften

Deutsche, britische oder amerikanische Botschaften in Bangkok haben klare Protokolle für solche Fälle. Sie prüfen die Personalien, kontaktieren registrierte Notfallkontakte und stellen offizielle Dokumente aus. Doch sie übernehmen keine Kosten. Auch die Repatriierung finanzieren sie nicht. Das ist Sache der Familie oder einer Versicherung.

Wer keine Auslandskrankenversicherung mit Rückführungsschutz hat, steht vor einem Problem. Viele Rentner und Langzeittouristen verzichten darauf, weil sie die Beiträge scheuen oder glauben, es werde schon nichts passieren. Ein fataler Irrtum.

Bestattungskosten: Was kommt auf Angehörige zu?

Die Kosten in Thailand variieren stark. Eine einfache Kremierung in Bangkok kostet zwischen 30.000 und 60.000 Baht, in ländlichen Gegenden oft 30 bis 50 Prozent weniger. Wer eine mehrtägige buddhistische Zeremonie wünscht, zahlt deutlich mehr. Traditionelle Feiern mit Mönchen, Essen für Gäste und aufwendiger Dekoration können schnell 100.000 bis 300.000 Baht verschlingen.

Eine Erdbestattung ist in Thailand extrem selten und teuer. Das Land ist buddhistisch geprägt, Kremierungen gelten als spirituell wichtig für die Wiedergeburt. Friedhöfe für Ausländer gibt es nur wenige, etwa in Chiang Mai. Dort kostet ein Grabplatz 20.000 Baht, ein Urnengrab 10.000 Baht.

Der bürokratische Marathon

Angehörige, die einen Toten aus Thailand holen wollen, stehen vor einem Papierkrieg. Zuerst muss die offizielle Sterbeurkunde vom Amphur besorgt werden. Diese gibt es nur auf Thailändisch. Eine beglaubigte Übersetzung ist Pflicht, die muss vom Außenministerium legalisiert werden. Dann braucht es ein Freigabeschreiben der Botschaft.

Für die Rückführung muss der Körper einbalsamiert und in einen zinkverkleideten Sarg gelegt werden. Viele Fluggesellschaften transportieren geschlossene Särge nicht mehr aus Sicherheitsgründen. Die Alternative: Nur die Asche wird verschickt. Das ist günstiger und einfacher, kostet aber immer noch etwa 10.000 Baht.

Wenn die Frist abläuft

Was passiert mit den persönlichen Gegenständen? Die Polizei verwahrt sie zunächst. Bei laufenden Ermittlungen bleiben sie gesperrt. Sonst können Angehörige sie abholen. Doch auch hier gilt: Wer sich nicht meldet, verliert alles. Wertgegenstände verschwinden, Wohnungen werden von Vermietern geräumt.

Bankkonten werden eingefroren, bis ein Erbschein oder Testament vorliegt. Das kann Monate dauern. Ohne thailändischen Anwalt ist das kaum zu bewältigen. Viele Familien geben irgendwann auf und lassen alles zurück.

Die Statistik des Schweigens

Offizielle Zahlen, wie viele Ausländer jährlich in Armenbestattungen enden, veröffentlicht Thailand nicht. Bestatter und Anwälte schätzen die Zahl auf Dutzende, vielleicht mehr. Die meisten sind ältere Männer, die allein lebten. Manche waren obdachlos, andere hatten Wohnungen und Renten, aber keine sozialen Bindungen.

Die Dunkelziffer dürfte höher liegen. Nicht jeder Todesfall wird sofort entdeckt. In abgelegenen Gegenden oder vergessenen Apartments können Wochen vergehen, bis jemand den Geruch bemerkt.

Vorsorge: Was Ausländer tun können

Wer in Thailand lebt oder längere Zeit dort verbringt, sollte vorsorgen. Eine Auslandskrankenversicherung mit Rückführung ist unverzichtbar. Sie kostet je nach Alter und Laufzeit zwischen 500 und 2.000 Euro jährlich. Das klingt viel, doch im Ernstfall rettet es die Familie vor dem finanziellen Ruin.

Ebenso wichtig: Ein Testament. In Thailand kann man ein Testament beim Amphur hinterlegen oder bei einem Anwalt. Es sollte klar regeln, wer sich um die Bestattung kümmert und wer Zugriff auf Konten und Eigentum hat. Ohne Testament gilt thailändisches Erbrecht, das kompliziert ist und oft zu langwierigen Gerichtsverfahren führt.

Die Realität der Expat-Community

Thailand ist für viele ein Paradies. Warmes Wetter, niedrige Lebenshaltungskosten, freundliche Menschen. Doch die Schattenseite wird gern verdrängt. Einsamkeit ist unter Ausländern weit verbreitet. Viele verlieren im Alter den Kontakt zu anderen. Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede verstärken die Isolation.

Selbsthilfegruppen und soziale Netzwerke versuchen gegenzusteuern. In Pattaya, Chiang Mai und Bangkok gibt es Expat-Clubs, die regelmäßige Treffen organisieren. Doch nicht jeder findet Anschluss. Wer krank wird oder finanziell abstürzt, fällt schnell durchs Raster.

Zwischen Respekt und Routine

Thailändische Behörden gehen pragmatisch mit dem Tod um. In einem Land mit über 400.000 Todesfällen pro Jahr sind Prozesse standardisiert. Ausländer fallen nicht aus dem Rahmen, sie werden wie Thais behandelt. Das bedeutet auch: keine Sonderbehandlung, keine Geduld über die Fristen hinaus.

Tempel, die Masseneinäscherungen durchführen, sehen das als religiöse Pflicht. Jeder Mensch verdient eine Bestattung, sagen die Mönche. Dass es eine anonyme ist, stört sie nicht. Im Buddhismus zählt die Seele, nicht der Körper. Die Zeremonie ist für die Lebenden da, nicht für die Toten.

Die Frage nach der Würde

Ist eine Massenverbrennung würdelos? Das kommt auf die Perspektive an. Für Europäer, die individuelle Gräber und Trauerrituale kennen, wirkt es verstörend. Für Thailänder ist es eine praktische Lösung für ein gesellschaftliches Problem. Die kulturelle Kluft zeigt sich hier besonders deutlich.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Praxis nicht. Solange niemand gezwungen wird und Angehörige die Chance hatten, sich zu melden, gilt das Verfahren als legitim. Problematisch wird es nur, wenn Botschaften nicht richtig informiert werden oder Fristen zu knapp sind.

Die Lösung liegt in der Prävention

Das Drama der vergessenen Toten lässt sich vermeiden. Wer nach Thailand auswandert, sollte realistische Pläne machen. Ein Netzwerk aufbauen. Notfallkontakte hinterlegen. Versicherungen abschließen. Ein Testament verfassen. Das klingt banal, doch viele ignorieren es.

Botschaften und Expat-Organisationen bieten Beratung an. Manche Anwaltskanzleien haben sich auf solche Fälle spezialisiert und übernehmen die gesamte Abwicklung. Das kostet Geld, erspart aber den Angehörigen enormen Stress.

Der Fall des vergessenen Deutschen

Zurück zum Anfang. Der Deutsche aus der Soi Sukhumvit hatte kein Testament, keine Versicherung, keine Notfallkontakte. Seine Ex-Frau in Deutschland wollte nichts mit ihm zu tun haben. Die erwachsenen Kinder kannten ihn kaum noch. Die Botschaft versuchte drei Wochen lang, jemanden zu erreichen. Niemand meldete sich.

Am 31. Tag wurde sein Körper zusammen mit acht anderen in einem Tempel in Samut Prakan eingeäschert. Seine Asche liegt heute in einer nummerierten Urne in einer Wand. Ob je jemand nach ihm sucht, ist ungewiss.

Die vergessene Seite des Paradieses

Thailand ist für viele ein Traum. Doch wer bleibt, muss sich auch der Realität stellen. Der Tod gehört dazu. Wer nicht vorsorgt, riskiert, in der Anonymität zu verschwinden. Die 30-Tage-Frist ist keine böse Absicht, sondern administrative Notwendigkeit. Doch für die Betroffenen bedeutet sie das Ende jeder Individualität.

Die Botschaft ist klar: Niemand muss in einem Massengrab enden. Doch dafür braucht es Planung, Geld und soziale Bindungen. Wer das vernachlässigt, zahlt den höchsten Preis. Nicht mit seinem Leben, sondern mit seiner letzten Würde.

Anmerkung der Redaktion:

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2 Kommentare zu „Tote Ausländer: Vergessen im Paradies

  1. Wenn man vereinsamt stirbt und die Botschaft in D oder sonstwo auf der Welt keine Angehörigen findet, die sich kümmern (wollen), ist die Einäscherung doch vollkommem in Ordnung, mit der Würde hätte ich da gar kein Problem. Ist man mit einer Thai verheiratet, kommt die Familie kaum um eine mehrtägige Feier herum, grade im länlichen Bereich ist das ein Muss.

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