Vertrauenskrise in Bangkok

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Thailands politische Krise am Grenzkonflikt
Vertrauensverlust und Machtspiele

Die Spannungen an der thailändisch-kambodschanischen Grenze haben sich zu einem politischen Sturmtief in Thailand ausgeweitet. Die Regierung unter Führung der Pheu-Thai-Partei steht unter massivem Vertrauensverlust. Experten sehen in der aktuellen Krise eine Schwäche in Führung und Krisenkommunikation, gepaart mit Verdachtsmomenten geheimer Absprachen. Der Grenzkonflikt entpuppt sich zunehmend als Brennpunkt, der längst über den territorialen Streit hinausgeht.

Dramatischer Vertrauensverlust in die Regierung

Schon vor dem jüngsten Ausbruch der Grenzgefechte zeichnete sich ein deutlicher Rückgang des öffentlichen Vertrauens in die Regierung ab. Die zweite Quartalsumfrage des National Institute of Development Administration (NIDA) im Juni offenbarte eine dramatische Absturzrate bei der Zustimmung für Premierministerin Paetongtarn Shinawatra: Nur noch 9,2 Prozent der Befragten stimmten für sie, nachdem im ersten Quartal noch fast ein Drittel der Bevölkerung Vertrauen zeigte. Dieses historische Tief wurde erreicht, noch bevor die gewaltsamen Auseinandersetzungen an der Grenze eskalierten. Experten warnen, dass die jüngste Gewalt und die langsame Reaktion der Regierung den Rückhalt der Bevölkerung weiter schwächen dürften.

Misstrauen durch Verflechtungen und intransparente Politik

Politikwissenschaftler Olarn Thinbangtieo von der Burapha Universität sieht die Ursache des Misstrauens vor allem in der engen Beziehung der Shinawatra-Familie zu Kambodschas Regierungschef Hun Sen. Ein Treffen von Thaksin Shinawatra mit Hun Sen im Februar 2024, kurz nach Thaksins Begnadigung, ließ Zweifel an der politischen Unabhängigkeit der thailändischen Führung wachsen. Ein durchgesickertes Audio, in dem Paetongtarn den Befehlshaber der Zweiten Armee kritisiert und zugleich einen kompromissbereiten Kurs gegenüber Hun Sen andeutete, verschärfte die Zweifel. Die schleppende und wenig transparente Krisenkommunikation verstärkte den Eindruck von Geheimabsprachen, insbesondere in Bezug auf die umstrittene, reich an fossilen Rohstoffen vermutete Überschneidungszone zwischen Thailand und Kambodscha.

Die Regierung überließ es schließlich dem malaysischen Premierminister Anwar Ibrahim als ASEAN-Vorsitzendem, zu vermitteln. Dass Thaksin Shinawatra wiederum als Berater Anwars fungiert und zugleich eine komplexe Beziehung zu Hun Sen unterhält, nährt Spekulationen über verdeckte politische Manöver. Diese Konstellation lässt nicht nur die Frage aufkommen, ob der Grenzkonflikt als Vorwand für verdeckte Ressourcendeals genutzt wird, sondern auch, inwieweit innenpolitische Machtinteressen über die öffentliche Sicherheit gestellt werden.

Öffentliche Empörung und sinkende Unterstützung im Nordosten

Der politische Schaden für Pheu Thai zeigt sich besonders in der nordöstlichen Region, traditionell eine ihrer Hochburgen. Prathuang Muang-on von der Universität Ubon Ratchathani beobachtet eine offene Ablehnung Thaksins während dessen jüngsten Besuchs, bei dem er Zivilisten unterstützen wollte, die von den Grenzkonflikten vertrieben wurden. Die anhaltende Krise hat die Partei um mindestens fünf Prozent ihrer Wählerschaft in wichtigen Provinzen wie Ubon Ratchathani und Si Sa Ket gebracht.

Die Ursache liegt neben der negativen Wahrnehmung der verzögerten Regierungsreaktion auch im Kontrast zur aktiveren Rolle des Militärs. Viele Wähler empfinden die Regierung als handlungsunfähig oder gar zögerlich, was das Ansehen weiter mindert. Selbst ein möglicher Wechsel im Regierungsamt – weg von Paetongtarn hin zu einem anderen Kandidaten wie Chaikasem Nitisiri – würde kaum für eine Trendwende sorgen.

Ein Schicksalsurteil aus Bangkok?

Die Entscheidung des thailändischen Verfassungsgerichts, ob Paetongtarn ihr Amt behalten darf, wird als richtungsweisend eingeschätzt. Korkaew Pikulthong, Pheu-Thai-Abgeordneter und Mitglied der „Red Shirts“, betont, dass die politische Zukunft des Landes wesentlich vom Urteil abhänge. Ein Abgang der Premierministerin könnte weitreichende politische Verwerfungen nach sich ziehen. Allerdings sei das Verfahren juristisch zu bewerten und kein Instrument zur gezielten politischen Ausschaltung der Shinawatra-Familie.

Trotz der internen Probleme bleibe Thaksin eine politische Machtfigur, die mehr Vertrauen genießt als viele andere Politiker. Der allgemeine Trend zeige jedoch einen langsamen, aber stetigen Bedeutungsverlust der Partei, auch aufgrund wirtschaftlicher Misserfolge bei populären Förderprogrammen.

Krise des politischen Managements und fehlende Strategie

Siripong Angkasakulkiat, stellvertretender Vorsitzender der Bhumjaithai-Partei, kritisiert das Regierungshandeln als planlos und inkohärent. Die mangelnde Abstimmung zwischen politischen Akteuren und Sicherheitsapparat sowie eine oft „personalisiert“ wirkende Krisenkommunikation hätten Misstrauen und Verwirrung bei der Bevölkerung verstärkt. Viele Beamte scheuten Entscheidungen ohne klare Weisungen aus Angst vor Fehlern oder politischem Nachteil.

Die Regierung habe es versäumt, ein überzeugendes, umfassendes Krisenmanagement zu präsentieren und sich stattdessen auf populistische Maßnahmen wie die subventionierten 20-Baht-Zugfahrten konzentriert. Diese kurzfristigen Erfolge könnten kaum den massiven Vertrauensverlust kompensieren.

Ausblick: Zerbricht Pheu Thai oder konsolidiert sich die Shinawatra-Dynastie?

Die politische Zukunft der Pheu-Thai-Partei und der Shinawatra-Familie steht auf der Kippe. Während konservative Kreise sie noch als unverzichtbar ansehen, prognostizieren viele Experten eine Schwächung bis zu einem möglichen Abrutschen auf Platz drei bei den nächsten Parlamentswahlen. Ein Sitzverlust auf unter 100 Sitze scheint nicht ausgeschlossen.

Die Frage, ob Thailand auf Dauer einen Weg wie Kambodscha beschreiten wird – mit einer dynastischen Machtkonzentration – ist offener denn je. Fest steht: Die jüngsten Ereignisse an der Grenze haben die politische Landschaft nachhaltig erschüttert. Die Regierung steht vor der Zerreißprobe zwischen öffentlichem Misstrauen, internen Spannungen und der Herausforderung, eine glaubwürdige politische Zukunft zu gestalten. Die kommenden Monate dürften entscheidend sein für Thailands Demokratie und den Fortbestand der Shinawatra-Ära.

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