Vom Mörder zum Börsenbetrüger?
Wisuts neues kriminelles Kapitel
Wisut Boonkasemsanti, einst wegen Mordes an seiner Ehefrau zum Tode verurteilt, steht erneut im Fokus der Justiz. Diesmal geht es nicht um Gewaltverbrechen, sondern um einen mutmaßlichen Millionenbetrug an der thailändischen Börse – ein spektakulärer Fall.
Der aktuelle Finanzskandal
Die thailändische Börsenaufsichtsbehörde (SEC) wirft dem heute über 70-jährigen Wisut und zwei Komplizinnen schwere Verstöße gegen das Wertpapierrecht vor. Konkret soll das Trio „Front Running“ betrieben haben – eine illegale Praxis, bei der Insiderwissen genutzt wird, um Kursbewegungen vor großen Kundentrades auszunutzen.
Laut Ermittlern arbeitete eine der beschuldigten Frauen bei einer renommierten Brokerfirma und habe Wisut zwischen 2023 und 2024 vertrauliche Kundendaten zugespielt. „Die Beweislage ist erdrückend“, heißt es aus Kreisen der SEC. Die zweite Frau soll von den manipulierten Geschäften finanziell profitiert haben. Die Behörde hat den Fall bereits an die Geldwäschebekämpfung und die Wirtschaftskriminalität übergeben.
Eine blutige Vergangenheit
Doch wer ist dieser Mann, der selbst nach einer Todesstrafe immer wieder Schlagzeilen macht? Wisut war einst ein angesehener Professor für künstliche Befruchtung am Chulalongkorn Hospital. Seine Karriere endete jäh, als er 2001 seine Ehefrau Dr. Phassaporn, Gynäkologin der Thailändischen Eisenbahnklinik, ermordete.
Die Ehe war bereits zerrüttet, nachdem Phassaporn von seiner Affäre mit einer Patientin erfahren hatte. Freunde berichteten später, die Ärztin habe um ihr Leben gefürchtet. „Sie sagte uns, er habe sie einmal betäubt und versucht, sie zu erwürgen“, erinnerte sich eine Vertraute.
Der grausame Mord und die unvollständige Gerechtigkeit
Am 20. Februar 2001 lockte Wisut seine Frau unter dem Vorwand von Hausrenovierungsgesprächen in ein Tokioter Restaurant im Siam Discovery Einkaufszentrum. Überwachungskameras zeigten, wie Phassaporn das Lokal betrat – und wie Wisut sie später offenbar benommen hinausführte. Seine Behauptung, sie sei betrunken gewesen, widerlegte die Bestellung: Sie hatte nur ein alkoholfreies Getränk konsumiert.
Ihre Leiche wurde nie vollständig gefunden. Doch in einem von Wisut angemieteten Gebäude entdeckte die Polizei 3,3 Kilogramm menschliche Überreste in einer Klärgrube. DNA-Tests bestätigten: Es handelte sich um Phassaporn. Weitere Körperteile tauchten später auf.
Von der Todeszelle in die Freiheit
und jetzt zurück?
Erst auf Drängen von Phassaporns Vater kam es 2003 zur Verurteilung. Alle Instanzen bestätigten das Todesurteil, doch durch königliche Begnadigung wandelte sich dies in eine Haftstrafe um. Nach nur etwas mehr als zehn Jahren kam Wisut 2014 auf Bewährung frei.
In Gefängnisinterviews inszenierte er sich als geläuterter Mann. „Ich habe Spiritualität gefunden“, beteuerte er. Sogar als Mönch im Wat Pathum Wanaram versuchte er, diesen Eindruck zu untermauern. Doch jetzt stellt sich die Frage: War alles nur Schauspiel?
Ein Leben zwischen Genie und Verbrechen
Der Fall wirft ein grelles Licht auf Thailands Justizsystem. Wie konnte ein verurteilter Mörder so schnell wieder freikommen? Und wie gelang es ihm offenbar, trotz seiner Vergangenheit Zugang zu sensiblen Finanzinformationen zu erhalten?
Die SEC zeigt sich entschlossen. „Bei einer Verurteilung droht ihm erneut Haft“, heißt es. Für viele Thailänder wäre dies eine späte Genugtuung – doch für Phassaporns Familie kommt jede Gerechtigkeit zu spät.
Die Geschichte des Wisut Boonkasemsanti ist noch nicht zu Ende. Ob als gerissener Hochstapler oder bereuender Sünder – sein Leben bleibt ein Fanal zwischen akademischer Brillanz und abgründiger Kriminalität.



